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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.

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Europa und England

zu fesseln, wozu auch der Nntspensionär Jan de Witt bereit war. Aber man
traute in Holland den Engländern nicht und lehnte den Bund ab. Darauf
erfolgte auf englischer Seite der Beschluß, die Macht, die nicht friedlich zu ge¬
winnen war, zu zerstören. Es kam die Navigationsakte von 1651, die den
holländischen Handel so traf, daß die Staaten zum Kriege griffen, der nach
anfänglichen Siegen der Holländer zuletzt zu ihrer Niederlage führte. Nun
war Englands Übergewicht zur See hergestellt, das denn auch von da ab
immer weiter wuchs und sorgsam zur Zerstörung der holländischen Kolonial¬
macht ausgenutzt wurde. Ju dem zweiten Seekriege mit England verloren
die Holländer ihre amerikanische Kolonie Neu-Amsterdam, woraus dann New-
York" entstand, indem sie mitten im Frieden von dort im Jahre 1664 ver¬
trieben wurden und nach beendeten Kriege im Frieden von Breda 1667 nur
eine geringe Entschädigung in Surinam erhielten. Nachdem in dem spanischen
Erbfolgekriege die Flotten von Holland und England nochmals, diesmal gegen
Frankreich, vereinigt gekämpft hatten, wurden die Generalstaaten trotz der von
ihnen gebrachten großen Kriegsopfer im Utrechter Frieden von England im
Stich gelassen. Sie erhielten nichts, England ungeheure Kolonialgebiete und
kommerzielle Vorteile. Holland war politisch bedeutungslos geworden, aber das
Mißtrauen Englands blieb rege, und die noch immer bedeutende holländische
Handelsflotte war unbequem. Als fünf Jahre nach dem Utrechter Frieden
ein Krieg mit Spanien drohte, fürchtete England, daß, wenn Holland neutral
bliebe, es den spanischen Handel während des Krieges an sich reißen könnte.
Es wurde also zum Beitritt in die Quadrupelallinnz von 1718 gezwungen,
und der englische Gesandte in Holland, Cadogcm, wurde instruiert, dafür zu
sorgen, daß Rolland an der englischen Flottcnsendung ins Mittelmeer, wenn
auch nur mit° einem einzigen Kriegsschiffe, teilnehme. Diese Expedition hatte
die Aufgabe, die langen Bemühungen Englands, die spanische Seemacht zu
zerstören, endlich zu Ende zu führen. Unter dem Vorwande, Italien gegen
die Spanier zu schützen, erschien Admiral Byng an der Küste Siziliens und
zerstörte 1718 die spanische Flotte bei Syrakus. In: folgenden Jahre wurde
dann an der spanischen Küste alles vernichtet, was zu einer Erneuerung der
spanischen Seemacht dienlich sein konnte. Spanien war zur See abgethan,
und Holland hatte dazu helfen müssen. Die Folge war für Spanien, daß
von nun an seine gewaltigen Kolonien in Amerika von England in Angrrff
genommen wurden. Es wurde jetzt die Frage, wie M. Carthy sagt, "ob Eng¬
land oder Spanien das Übergewicht in der neuen Welt jenseits des Atlantikum
haben solle."*) Aber noch hatte Holland seine Handelsflotte und seine wert¬
vollen Kolonien in allen Weltteilen. Da wagte Holland im Jahre 1780 der
von Rußland gegen die unerträglich gewordne englische Gewaltherrschaft auf¬
gestellten Neutralitätsakte beizutreten, worauf England ähnlich wie damals,
als Holland die Navigationsakte Cromwells nicht anerkennen wollte, zum



ok tds tour Kön'ZW, II, 188.
Europa und England

zu fesseln, wozu auch der Nntspensionär Jan de Witt bereit war. Aber man
traute in Holland den Engländern nicht und lehnte den Bund ab. Darauf
erfolgte auf englischer Seite der Beschluß, die Macht, die nicht friedlich zu ge¬
winnen war, zu zerstören. Es kam die Navigationsakte von 1651, die den
holländischen Handel so traf, daß die Staaten zum Kriege griffen, der nach
anfänglichen Siegen der Holländer zuletzt zu ihrer Niederlage führte. Nun
war Englands Übergewicht zur See hergestellt, das denn auch von da ab
immer weiter wuchs und sorgsam zur Zerstörung der holländischen Kolonial¬
macht ausgenutzt wurde. Ju dem zweiten Seekriege mit England verloren
die Holländer ihre amerikanische Kolonie Neu-Amsterdam, woraus dann New-
York" entstand, indem sie mitten im Frieden von dort im Jahre 1664 ver¬
trieben wurden und nach beendeten Kriege im Frieden von Breda 1667 nur
eine geringe Entschädigung in Surinam erhielten. Nachdem in dem spanischen
Erbfolgekriege die Flotten von Holland und England nochmals, diesmal gegen
Frankreich, vereinigt gekämpft hatten, wurden die Generalstaaten trotz der von
ihnen gebrachten großen Kriegsopfer im Utrechter Frieden von England im
Stich gelassen. Sie erhielten nichts, England ungeheure Kolonialgebiete und
kommerzielle Vorteile. Holland war politisch bedeutungslos geworden, aber das
Mißtrauen Englands blieb rege, und die noch immer bedeutende holländische
Handelsflotte war unbequem. Als fünf Jahre nach dem Utrechter Frieden
ein Krieg mit Spanien drohte, fürchtete England, daß, wenn Holland neutral
bliebe, es den spanischen Handel während des Krieges an sich reißen könnte.
Es wurde also zum Beitritt in die Quadrupelallinnz von 1718 gezwungen,
und der englische Gesandte in Holland, Cadogcm, wurde instruiert, dafür zu
sorgen, daß Rolland an der englischen Flottcnsendung ins Mittelmeer, wenn
auch nur mit° einem einzigen Kriegsschiffe, teilnehme. Diese Expedition hatte
die Aufgabe, die langen Bemühungen Englands, die spanische Seemacht zu
zerstören, endlich zu Ende zu führen. Unter dem Vorwande, Italien gegen
die Spanier zu schützen, erschien Admiral Byng an der Küste Siziliens und
zerstörte 1718 die spanische Flotte bei Syrakus. In: folgenden Jahre wurde
dann an der spanischen Küste alles vernichtet, was zu einer Erneuerung der
spanischen Seemacht dienlich sein konnte. Spanien war zur See abgethan,
und Holland hatte dazu helfen müssen. Die Folge war für Spanien, daß
von nun an seine gewaltigen Kolonien in Amerika von England in Angrrff
genommen wurden. Es wurde jetzt die Frage, wie M. Carthy sagt, „ob Eng¬
land oder Spanien das Übergewicht in der neuen Welt jenseits des Atlantikum
haben solle."*) Aber noch hatte Holland seine Handelsflotte und seine wert¬
vollen Kolonien in allen Weltteilen. Da wagte Holland im Jahre 1780 der
von Rußland gegen die unerträglich gewordne englische Gewaltherrschaft auf¬
gestellten Neutralitätsakte beizutreten, worauf England ähnlich wie damals,
als Holland die Navigationsakte Cromwells nicht anerkennen wollte, zum



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[0325] Europa und England zu fesseln, wozu auch der Nntspensionär Jan de Witt bereit war. Aber man traute in Holland den Engländern nicht und lehnte den Bund ab. Darauf erfolgte auf englischer Seite der Beschluß, die Macht, die nicht friedlich zu ge¬ winnen war, zu zerstören. Es kam die Navigationsakte von 1651, die den holländischen Handel so traf, daß die Staaten zum Kriege griffen, der nach anfänglichen Siegen der Holländer zuletzt zu ihrer Niederlage führte. Nun war Englands Übergewicht zur See hergestellt, das denn auch von da ab immer weiter wuchs und sorgsam zur Zerstörung der holländischen Kolonial¬ macht ausgenutzt wurde. Ju dem zweiten Seekriege mit England verloren die Holländer ihre amerikanische Kolonie Neu-Amsterdam, woraus dann New- York" entstand, indem sie mitten im Frieden von dort im Jahre 1664 ver¬ trieben wurden und nach beendeten Kriege im Frieden von Breda 1667 nur eine geringe Entschädigung in Surinam erhielten. Nachdem in dem spanischen Erbfolgekriege die Flotten von Holland und England nochmals, diesmal gegen Frankreich, vereinigt gekämpft hatten, wurden die Generalstaaten trotz der von ihnen gebrachten großen Kriegsopfer im Utrechter Frieden von England im Stich gelassen. Sie erhielten nichts, England ungeheure Kolonialgebiete und kommerzielle Vorteile. Holland war politisch bedeutungslos geworden, aber das Mißtrauen Englands blieb rege, und die noch immer bedeutende holländische Handelsflotte war unbequem. Als fünf Jahre nach dem Utrechter Frieden ein Krieg mit Spanien drohte, fürchtete England, daß, wenn Holland neutral bliebe, es den spanischen Handel während des Krieges an sich reißen könnte. Es wurde also zum Beitritt in die Quadrupelallinnz von 1718 gezwungen, und der englische Gesandte in Holland, Cadogcm, wurde instruiert, dafür zu sorgen, daß Rolland an der englischen Flottcnsendung ins Mittelmeer, wenn auch nur mit° einem einzigen Kriegsschiffe, teilnehme. Diese Expedition hatte die Aufgabe, die langen Bemühungen Englands, die spanische Seemacht zu zerstören, endlich zu Ende zu führen. Unter dem Vorwande, Italien gegen die Spanier zu schützen, erschien Admiral Byng an der Küste Siziliens und zerstörte 1718 die spanische Flotte bei Syrakus. In: folgenden Jahre wurde dann an der spanischen Küste alles vernichtet, was zu einer Erneuerung der spanischen Seemacht dienlich sein konnte. Spanien war zur See abgethan, und Holland hatte dazu helfen müssen. Die Folge war für Spanien, daß von nun an seine gewaltigen Kolonien in Amerika von England in Angrrff genommen wurden. Es wurde jetzt die Frage, wie M. Carthy sagt, „ob Eng¬ land oder Spanien das Übergewicht in der neuen Welt jenseits des Atlantikum haben solle."*) Aber noch hatte Holland seine Handelsflotte und seine wert¬ vollen Kolonien in allen Weltteilen. Da wagte Holland im Jahre 1780 der von Rußland gegen die unerträglich gewordne englische Gewaltherrschaft auf¬ gestellten Neutralitätsakte beizutreten, worauf England ähnlich wie damals, als Holland die Navigationsakte Cromwells nicht anerkennen wollte, zum ok tds tour Kön'ZW, II, 188.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410/325>, abgerufen am 24.08.2024.