Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.Auf Sizilien den Grund für eine Erscheinung anzugeben. Dabei entwickelte er eine gewisse Der Himmel war wolkenlos, ein frischer Ostwind blies, und das blaue Auf Sizilien den Grund für eine Erscheinung anzugeben. Dabei entwickelte er eine gewisse Der Himmel war wolkenlos, ein frischer Ostwind blies, und das blaue <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0306" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/290717"/> <fw type="header" place="top"> Auf Sizilien</fw><lb/> <p xml:id="ID_1145" prev="#ID_1144"> den Grund für eine Erscheinung anzugeben. Dabei entwickelte er eine gewisse<lb/> Energie, wenn wir etwa einmal keine rechte Lust verrieten, das oder jenes an¬<lb/> zusehen. Na ö molto lok-örsssÄutö, LlAnori! hieß es in solchem Falle, mit<lb/> vorwurfsvollem Ton, und wir fügten uns lachend. Mit seinen Landsleuten<lb/> sprach er das uns ganz unverständliche Sizilinnisch, und auch bei ihnen schien<lb/> er einen gewissen Respekt zu genießen, wenigstens durfte er sich einiges heraus¬<lb/> nehmen. Einen Franziskaner bei San Giovanni, der auf sein Klingeln und<lb/> Pochen nicht gleich öffnete, schalt er förmlich aus, daß er so lange schlafe, und<lb/> wurde dafür von dein gutmütigen Mönch zärtlich gestreichelt; einem Fuhrknecht,<lb/> der anf ansteigendem Wege seinem mühsam anziehenden Pferde nicht half, warf<lb/> er keck die Bemerkung an den Kopf, das wäre allerdings bequem, zu essen<lb/> ohne zu arbeiten, und der große kräftige Bursche steckte diese Zurechtweisung<lb/> ruhig ein. Er war nicht ohne ein gewisses harmloses Selbstgefühl und<lb/> schilderte die Verhältnisse seiner Familie wohl günstiger, als sie waren, allein<lb/> er blieb bescheiden und war schließlich doch noch ein Kind, das fröhlich lachte<lb/> und einmal auch bitterlich weinte; auf meine Frage: ?«zre.1uz xmnA'i? ver¬<lb/> weigerte er allerdings im Männerstolz die Auskunft: 0 »ientö! Für uns be¬<lb/> sorgte er alles, Wagen und Boote, pünktlich zur Minute. Kurz und gut,<lb/> Salvatore machte seine Sache ausgezeichnet und hat uns zugleich in diesen<lb/> drei Tagen viel Vergnügen bereitet.</p><lb/> <p xml:id="ID_1146" next="#ID_1147"> Der Himmel war wolkenlos, ein frischer Ostwind blies, und das blaue<lb/> Meer schäumte in weißen Spritzwellen gegen die Klippen und die Uferfelsen,<lb/> als wir um acht Uhr früh in einem eleganten flotten Einspänner die Villa<lb/> Politi verließen, um zunächst nach dem Eurhalos zu fahren. Der Weg führte<lb/> erst durch eine neue Vorstadtstraße hinunter, deren unfertig gebliebne Häuser<lb/> man kaltblütig mit provisorischen Dächern über dem ersten Stockwerke versehen<lb/> hatte, um wenigstens das Vollendete bewohnbar zu macheu, dann längs einem<lb/> rasch fließenden Kanal hin, an dem zahlreiche Wäscherinnen beschäftigt waren,<lb/> endlich am Bahnhof und nu einer großen Makkaronifabrik vorbei auf die Land¬<lb/> straße hinaus, die das Auaposthal durchzieht. Zweirädrige, buntbemalte Karren<lb/> mit Citronenkisten und Säcken voll Johannisbrot l<zg,rubii) beladen, Landleute<lb/> zu Fuß und zu Esel zogen an uus vorüber. Zur Linken senkte sich eine breite<lb/> Flüche nach dem Anapos hin, die Grundstücke durch niedrige Steinmauern ge¬<lb/> trennt, vielfach von uralten knorrigen Ölbäumen bestanden, dazwischen Weide¬<lb/> gründe und Ackerflüchen, auf denen große braune Ochsen den Pflug zogen oder<lb/> ruhig grasten. Rechts erschien der Abfall der Epipolä, nicht hoch, aber mauer¬<lb/> artiges, grauweißes Kalksteingefels. Langsam wand sich die Straße an einzelnen<lb/> Gehöften mit üppigen Gärten vorbei nach der Höhe hinauf, gerade vor uns<lb/> erschien die steile Kuppe des Telegrafo hinter dem. kleinen Dorfe Belvedere,<lb/> und wir erreichten »ach einer starken Stunde die allsgedehnten Trümmer<lb/> des Eurhalos, die größte und besterhaltne Festungsanlage, die ans nlt-<lb/> griechischer Zeit uoch übrig ist. Teils in den harten gelblichen Kalkfelsen ge¬<lb/> hauen, teils aus mächtigen Quader» ohne Mörtel und Klammern aufgebaut,<lb/> bildet der Eurhalos ein langgestrecktes Werk von etwa 300 Metern westöst-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0306]
Auf Sizilien
den Grund für eine Erscheinung anzugeben. Dabei entwickelte er eine gewisse
Energie, wenn wir etwa einmal keine rechte Lust verrieten, das oder jenes an¬
zusehen. Na ö molto lok-örsssÄutö, LlAnori! hieß es in solchem Falle, mit
vorwurfsvollem Ton, und wir fügten uns lachend. Mit seinen Landsleuten
sprach er das uns ganz unverständliche Sizilinnisch, und auch bei ihnen schien
er einen gewissen Respekt zu genießen, wenigstens durfte er sich einiges heraus¬
nehmen. Einen Franziskaner bei San Giovanni, der auf sein Klingeln und
Pochen nicht gleich öffnete, schalt er förmlich aus, daß er so lange schlafe, und
wurde dafür von dein gutmütigen Mönch zärtlich gestreichelt; einem Fuhrknecht,
der anf ansteigendem Wege seinem mühsam anziehenden Pferde nicht half, warf
er keck die Bemerkung an den Kopf, das wäre allerdings bequem, zu essen
ohne zu arbeiten, und der große kräftige Bursche steckte diese Zurechtweisung
ruhig ein. Er war nicht ohne ein gewisses harmloses Selbstgefühl und
schilderte die Verhältnisse seiner Familie wohl günstiger, als sie waren, allein
er blieb bescheiden und war schließlich doch noch ein Kind, das fröhlich lachte
und einmal auch bitterlich weinte; auf meine Frage: ?«zre.1uz xmnA'i? ver¬
weigerte er allerdings im Männerstolz die Auskunft: 0 »ientö! Für uns be¬
sorgte er alles, Wagen und Boote, pünktlich zur Minute. Kurz und gut,
Salvatore machte seine Sache ausgezeichnet und hat uns zugleich in diesen
drei Tagen viel Vergnügen bereitet.
Der Himmel war wolkenlos, ein frischer Ostwind blies, und das blaue
Meer schäumte in weißen Spritzwellen gegen die Klippen und die Uferfelsen,
als wir um acht Uhr früh in einem eleganten flotten Einspänner die Villa
Politi verließen, um zunächst nach dem Eurhalos zu fahren. Der Weg führte
erst durch eine neue Vorstadtstraße hinunter, deren unfertig gebliebne Häuser
man kaltblütig mit provisorischen Dächern über dem ersten Stockwerke versehen
hatte, um wenigstens das Vollendete bewohnbar zu macheu, dann längs einem
rasch fließenden Kanal hin, an dem zahlreiche Wäscherinnen beschäftigt waren,
endlich am Bahnhof und nu einer großen Makkaronifabrik vorbei auf die Land¬
straße hinaus, die das Auaposthal durchzieht. Zweirädrige, buntbemalte Karren
mit Citronenkisten und Säcken voll Johannisbrot l<zg,rubii) beladen, Landleute
zu Fuß und zu Esel zogen an uus vorüber. Zur Linken senkte sich eine breite
Flüche nach dem Anapos hin, die Grundstücke durch niedrige Steinmauern ge¬
trennt, vielfach von uralten knorrigen Ölbäumen bestanden, dazwischen Weide¬
gründe und Ackerflüchen, auf denen große braune Ochsen den Pflug zogen oder
ruhig grasten. Rechts erschien der Abfall der Epipolä, nicht hoch, aber mauer¬
artiges, grauweißes Kalksteingefels. Langsam wand sich die Straße an einzelnen
Gehöften mit üppigen Gärten vorbei nach der Höhe hinauf, gerade vor uns
erschien die steile Kuppe des Telegrafo hinter dem. kleinen Dorfe Belvedere,
und wir erreichten »ach einer starken Stunde die allsgedehnten Trümmer
des Eurhalos, die größte und besterhaltne Festungsanlage, die ans nlt-
griechischer Zeit uoch übrig ist. Teils in den harten gelblichen Kalkfelsen ge¬
hauen, teils aus mächtigen Quader» ohne Mörtel und Klammern aufgebaut,
bildet der Eurhalos ein langgestrecktes Werk von etwa 300 Metern westöst-
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