Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches 3500 Jahren die Juden bei ihren geringen astronomischen Kenntnissen einen Solche Übelstände sind zweifellos vorhanden. Erstens tritt der Schluß des Alle diese Übelstände ließen sich leicht, wenigstens für die höhern Lehranstalten, Mein wunderlicher Freund. Es ist merkwürdig, sagte ich, als wir unsre Wir gingen gerade an Knaurs Gellertdenkmal vorüber, und er blieb stehn und Bock? Der gesunde und kranke Mensch? Maßgebliches und Unmaßgebliches 3500 Jahren die Juden bei ihren geringen astronomischen Kenntnissen einen Solche Übelstände sind zweifellos vorhanden. Erstens tritt der Schluß des Alle diese Übelstände ließen sich leicht, wenigstens für die höhern Lehranstalten, Mein wunderlicher Freund. Es ist merkwürdig, sagte ich, als wir unsre Wir gingen gerade an Knaurs Gellertdenkmal vorüber, und er blieb stehn und Bock? Der gesunde und kranke Mensch? <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0218" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/290629"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_906" prev="#ID_905"> 3500 Jahren die Juden bei ihren geringen astronomischen Kenntnissen einen<lb/> richtigen Kalender aufzustellen außer stände waren und sich gezwungen sahen, ihr<lb/> Passahfest nach dem Vollmond anzusetzen, haben wir Christen heute noch unser<lb/> schwankendes Osterfest. Jeder wird zugeben, daß dieses Schwanken mit religiösem<lb/> Glauben und Empfinden der heute lebenden Menschen nicht das mindeste zu thun<lb/> hat. Der erste Ostertag, als Jahrestag der Auferstehung Christi betrachtet, kann<lb/> nur ein feststehender Tag sein, unmöglich ein verschiebbarer. Dennoch ist wohl sehr<lb/> geringe Aussicht, daß sich die christlichen Völker über die Festlegung von Ostern<lb/> auf einen bestimmten Kalendertag einigen, zumal da vorher eine Übereinstimmung<lb/> unter den verschiednen Konfessionen erzielt werden müßte. Wir wollen deshalb von<lb/> Vorschlägen für die Festlegung des Osterfestes absehen, möchten aber die Aufmerksamkeit<lb/> der maßgebenden Kreise ans die Beseitigung der Übelstände richten, die aus der Ver¬<lb/> knüpfung des Schuljahrs mit dem hin- und herschwaukenden Osterfeste erwachsen.</p><lb/> <p xml:id="ID_907"> Solche Übelstände sind zweifellos vorhanden. Erstens tritt der Schluß des<lb/> Schuljahrs nicht zu einer bestimmten Frist, sondern bald früher, bald später ein,<lb/> sodaß ein Schuljahr in seiner Länge um zehn Prozent von einem andern abweichen<lb/> kann. Und doch sind die Lehrausgaben sür jede Klasse genau vorgeschrieben und<lb/> darauf berechnet, daß immer dieselbe Zeit zu Gebote steht, was jetzt nicht der Fall<lb/> ist. Ist das letzte Vierteljahr — wie in diesem Jahr, wo es dreizehn Arbeits¬<lb/> wochen umfaßt — ungewöhnlich lang, so tritt eine starke Ermüdung bei Lehrenden<lb/> und Lernenden ein, besonders da der Winter die nötige Erfrischung durch Be¬<lb/> wegung im Freien einschränkt. Endlich werden die Schüler, die nach Beendigung<lb/> des Kursus der Sekunda oder der Prima am 1. April in eine praktische Laufbahn<lb/> eintreten sollen, oft zu ihrem Schaden daran gehindert, da es bei dem jetzigen<lb/> Zustande unmöglich ist, ihnen eine Woche vorher das Reifezeugnis einzuhändigen.</p><lb/> <p xml:id="ID_908"> Alle diese Übelstände ließen sich leicht, wenigstens für die höhern Lehranstalten,<lb/> ohne Änderung der kirchlichen Einrichtungen beseitigen, wenn von den deutschen<lb/> Regierungen bestimmt würde, daß jedes Schuljahr etwa am 23. März schließt.<lb/> Die Ferien würden demnach die letzte Woche des März und die erste Woche des<lb/> April umfassen. In diesen Zeitraum würde das Osterfest häufig hineinfallen.<lb/> Sollte dies jedoch nicht der Fall sein, so wären Karfreitag und Ostermontag als<lb/> schulfreie Tage zu bezeichnen. Die Einhaltung dieser zwei Feiertage würde den<lb/> Unterrichtsbetrieb nicht stören. Den Katholiken und den Juden unter den Schülern<lb/> wird jetzt vom Staate die vierfache Zahl von schulfreien religiösen Feiertagen ohne<lb/> wesentlichen Nachteil zugestanden.</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> Mein wunderlicher Freund.</head> <p xml:id="ID_909"> Es ist merkwürdig, sagte ich, als wir unsre<lb/> Schirme zumachten, weil der Regen, der Plötzlich vom Himmel herabgefegt war,<lb/> ebenso plötzlich wieder aufhörte, und Heller Sonnenschein über unsre Rosenthalland-<lb/> schaft huschte, warum wir gerade dieses Jahr dem April sein Wetter so übel<lb/> nehmen. Es ist doch richtiges Aprilwetter, und man darf von niemand mehr ver¬<lb/> langen, als er kann.</p><lb/> <p xml:id="ID_910"> Wir gingen gerade an Knaurs Gellertdenkmal vorüber, und er blieb stehn und<lb/> sah es nachdenklich an. Freilich, sagte er; wir sind ungeduldig und möchten gleich<lb/> vollen Frühling haben, wenn der April sich erst mühsam aus den Winterfesseln los<lb/> ringt. Und dabei ist manchen Menschen ewiger April beschieden. Wie mag es<lb/> denen zu Mute sein! Vielleicht, fuhr er fort, indem er sich zum Weitergehn wandte,<lb/> war es auch nur ein Sehnen nach dem Frühling einer so herrlichen Kunst, wie sie<lb/> jetzt ihr Licht an allen Ecken Leipzigs leuchten läßt und Klingers unsterbliche Werke<lb/> im Museum und an den Wänden öffentlicher Gebäude versammelt, was den alten<lb/> Bock zu seinem ungerechten Urteil über den armen Knaur veranlaßte.</p><lb/> <p xml:id="ID_911" next="#ID_912"> Bock? Der gesunde und kranke Mensch?</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0218]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
3500 Jahren die Juden bei ihren geringen astronomischen Kenntnissen einen
richtigen Kalender aufzustellen außer stände waren und sich gezwungen sahen, ihr
Passahfest nach dem Vollmond anzusetzen, haben wir Christen heute noch unser
schwankendes Osterfest. Jeder wird zugeben, daß dieses Schwanken mit religiösem
Glauben und Empfinden der heute lebenden Menschen nicht das mindeste zu thun
hat. Der erste Ostertag, als Jahrestag der Auferstehung Christi betrachtet, kann
nur ein feststehender Tag sein, unmöglich ein verschiebbarer. Dennoch ist wohl sehr
geringe Aussicht, daß sich die christlichen Völker über die Festlegung von Ostern
auf einen bestimmten Kalendertag einigen, zumal da vorher eine Übereinstimmung
unter den verschiednen Konfessionen erzielt werden müßte. Wir wollen deshalb von
Vorschlägen für die Festlegung des Osterfestes absehen, möchten aber die Aufmerksamkeit
der maßgebenden Kreise ans die Beseitigung der Übelstände richten, die aus der Ver¬
knüpfung des Schuljahrs mit dem hin- und herschwaukenden Osterfeste erwachsen.
Solche Übelstände sind zweifellos vorhanden. Erstens tritt der Schluß des
Schuljahrs nicht zu einer bestimmten Frist, sondern bald früher, bald später ein,
sodaß ein Schuljahr in seiner Länge um zehn Prozent von einem andern abweichen
kann. Und doch sind die Lehrausgaben sür jede Klasse genau vorgeschrieben und
darauf berechnet, daß immer dieselbe Zeit zu Gebote steht, was jetzt nicht der Fall
ist. Ist das letzte Vierteljahr — wie in diesem Jahr, wo es dreizehn Arbeits¬
wochen umfaßt — ungewöhnlich lang, so tritt eine starke Ermüdung bei Lehrenden
und Lernenden ein, besonders da der Winter die nötige Erfrischung durch Be¬
wegung im Freien einschränkt. Endlich werden die Schüler, die nach Beendigung
des Kursus der Sekunda oder der Prima am 1. April in eine praktische Laufbahn
eintreten sollen, oft zu ihrem Schaden daran gehindert, da es bei dem jetzigen
Zustande unmöglich ist, ihnen eine Woche vorher das Reifezeugnis einzuhändigen.
Alle diese Übelstände ließen sich leicht, wenigstens für die höhern Lehranstalten,
ohne Änderung der kirchlichen Einrichtungen beseitigen, wenn von den deutschen
Regierungen bestimmt würde, daß jedes Schuljahr etwa am 23. März schließt.
Die Ferien würden demnach die letzte Woche des März und die erste Woche des
April umfassen. In diesen Zeitraum würde das Osterfest häufig hineinfallen.
Sollte dies jedoch nicht der Fall sein, so wären Karfreitag und Ostermontag als
schulfreie Tage zu bezeichnen. Die Einhaltung dieser zwei Feiertage würde den
Unterrichtsbetrieb nicht stören. Den Katholiken und den Juden unter den Schülern
wird jetzt vom Staate die vierfache Zahl von schulfreien religiösen Feiertagen ohne
wesentlichen Nachteil zugestanden.
Mein wunderlicher Freund. Es ist merkwürdig, sagte ich, als wir unsre
Schirme zumachten, weil der Regen, der Plötzlich vom Himmel herabgefegt war,
ebenso plötzlich wieder aufhörte, und Heller Sonnenschein über unsre Rosenthalland-
schaft huschte, warum wir gerade dieses Jahr dem April sein Wetter so übel
nehmen. Es ist doch richtiges Aprilwetter, und man darf von niemand mehr ver¬
langen, als er kann.
Wir gingen gerade an Knaurs Gellertdenkmal vorüber, und er blieb stehn und
sah es nachdenklich an. Freilich, sagte er; wir sind ungeduldig und möchten gleich
vollen Frühling haben, wenn der April sich erst mühsam aus den Winterfesseln los
ringt. Und dabei ist manchen Menschen ewiger April beschieden. Wie mag es
denen zu Mute sein! Vielleicht, fuhr er fort, indem er sich zum Weitergehn wandte,
war es auch nur ein Sehnen nach dem Frühling einer so herrlichen Kunst, wie sie
jetzt ihr Licht an allen Ecken Leipzigs leuchten läßt und Klingers unsterbliche Werke
im Museum und an den Wänden öffentlicher Gebäude versammelt, was den alten
Bock zu seinem ungerechten Urteil über den armen Knaur veranlaßte.
Bock? Der gesunde und kranke Mensch?
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