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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

maßgebenden Räten der Krone geführter Schlag ins Gesicht der dentschen Landwirt¬
schaft, als ein unverantwortliches Preisgeben der nationalen Interessen zu Gunsten
des Auslands hingestellt. In Schrift und Wort wurde mit einer bisher von keiner
Partei aufgewandten Rührigkeit und Geschicklichkeit, unterstützt durch ganz außer¬
ordentliche Geldmittel, dem Landvolk eingeredet, der Reichskanzler Fürst von Hohen-
lohe habe den Landwirten sein feierlich gegebnes Wort gebrochen, und der Staats¬
sekretär des Auswärtigen, Graf Bülow, habe im Gegensatz zu den landwirtschafts-
sreundlicheu Mitgliedern des Bundesrath die Interessen der amerikanischen Viehzüchter
vertreten und unter dem unmittelbaren Einfluß amerikanischer Fleischexportfirmen
die die deutsche Landwirtschaft schädigende Fassung des Gesetzentwurfs durchzusetzen
gewußt. Klar und unverhüllt wurde erklärt, daß der Negierung, so lange diese
Männer an der Spitze stünden, kein Vertrauen geschenkt werden dürfe, daß ihr vor
allem auch keine starke Flotte anvertraut werden könne.

Es wird vielleicht die Zeit kommen, wo es nötig erscheint, die geradezu un¬
geheuerlichen Übertreibungen, Unwahrheiten, Verdächtigungen und Schmähungen,
die die agrarische Opposition im Laufe des letzten Jahres unter Ausbeutung gerade
dieses an sich so harmlosen Gesetzentwurfs über die Fleischbeschau gegen die Regie¬
rung in die kritiklosen Massen auf dem Lande hinausgeschleudert hat, dem deutscheu
Volk gesammelt vor Augen zu führen. Im Augenblick braucht man nur auf die
unzähligen in der Presse fast Tag für Tag erscheinenden Belege hinzuweisen, um
klar zu zeigen, daß die agrarische Hetzerei keinen Zoll mehr hinter der sozial-
demokratischen an Verlogenheit und Gehässigkeit zurücksteht, daß sie sie vielmehr an
Gemeingefährlichkeit schon weit übertrifft.

Und diesem Verhalten der parteiagrnrischeu Agitation haben die sogenannten
staatserhnltenden Parteien nicht nur mit keiner Silbe widersprochen, sondern sie
haben ihr gerade im Laufe des letzten Jahres und gerade in der Fleischbeschau¬
frage die vollständigste Zustimmung und Unterstützung zu teil werden lassen.
In den Berichten über die Verhandlungen des Reichstags wie des preußischen
Landtags liegen dafür die urkundlichen Beweise vor, von den Reden der Herren
Gerstenberger, Graf Klinckowström und Vielhaben vom 17. April 1899 an bis
zu dem Votum der Nationalliberalen für die extremen Beschlüsse der agra¬
rischen Opposition in der Neichstagssitzung vom 9. März dieses Jahres. Die ge¬
nannten Parteien haben dadurch der Agrardemagogie das gute Recht gegeben, sie
als Genossen, wenn nicht als ihre Führer in der Hauptschlacht zu betrachten, und
den ernsthaften Versuch, jetzt die fleißigen Agitatoren dauernd von den Rockschößen
abzuschütteln, als Verrat vor den verblendeten Wählermassen auf dem Lande zu brand¬
marken. In wirklicher Übereinstimmung der Ansichten oder im Parteiinteresse haben
sich die Mehrheitsparteien dem extremen Agrariertum ergeben und es dadurch zum
Herrn der Situation gemacht. So haben sie die Hauptschuld an der unhaltbaren
Lage von heute auf sich geladen, und kein Kompromiß in Sachen der Fleischbeschan
wird sie von dieser schweren politischen Sünde reinzuwaschen vermögen.

Die Bedeutung des Kompromisses, an dem man jetzt arbeitet, und dem wir der
Fleischbeschan wegen allen Erfolg wünschen, ist Politisch vorläufig gleich Null. Die
junkerlichen Strategen, die heute zum Einlenken bereit sind, denken gar nicht daran,
wenn ihnen auch im Augenblick die Halsstarrigkeit und die Plumpheit der bündle-
rischen Hauptleute sehr unbequem ist, den Zielen, die sie mit diesen zusammen seit
Jahr und Tag einträchtig verfolgt haben, oder auch nur den Wegen, die sie mit
ihnen drzu eingeschlagen haben, wirklich zu entsagen. Sie denken vor allem nicht
daran, die bedingungslose Unterwerfung der Verbündeten Regierungen als das
schleunigst zu erstrebende Ziel und als wichtigste Etappe dazu die Entfernung der
leitenden Staatsbeamten, die ihnen hinderlich erscheinen, aufzugeben. Das Kom¬
promiß über die Fleischbeschau hat für sie nur Sinn als Mittel zu diesem Zweck.


Maßgebliches und Unmaßgebliches

maßgebenden Räten der Krone geführter Schlag ins Gesicht der dentschen Landwirt¬
schaft, als ein unverantwortliches Preisgeben der nationalen Interessen zu Gunsten
des Auslands hingestellt. In Schrift und Wort wurde mit einer bisher von keiner
Partei aufgewandten Rührigkeit und Geschicklichkeit, unterstützt durch ganz außer¬
ordentliche Geldmittel, dem Landvolk eingeredet, der Reichskanzler Fürst von Hohen-
lohe habe den Landwirten sein feierlich gegebnes Wort gebrochen, und der Staats¬
sekretär des Auswärtigen, Graf Bülow, habe im Gegensatz zu den landwirtschafts-
sreundlicheu Mitgliedern des Bundesrath die Interessen der amerikanischen Viehzüchter
vertreten und unter dem unmittelbaren Einfluß amerikanischer Fleischexportfirmen
die die deutsche Landwirtschaft schädigende Fassung des Gesetzentwurfs durchzusetzen
gewußt. Klar und unverhüllt wurde erklärt, daß der Negierung, so lange diese
Männer an der Spitze stünden, kein Vertrauen geschenkt werden dürfe, daß ihr vor
allem auch keine starke Flotte anvertraut werden könne.

Es wird vielleicht die Zeit kommen, wo es nötig erscheint, die geradezu un¬
geheuerlichen Übertreibungen, Unwahrheiten, Verdächtigungen und Schmähungen,
die die agrarische Opposition im Laufe des letzten Jahres unter Ausbeutung gerade
dieses an sich so harmlosen Gesetzentwurfs über die Fleischbeschau gegen die Regie¬
rung in die kritiklosen Massen auf dem Lande hinausgeschleudert hat, dem deutscheu
Volk gesammelt vor Augen zu führen. Im Augenblick braucht man nur auf die
unzähligen in der Presse fast Tag für Tag erscheinenden Belege hinzuweisen, um
klar zu zeigen, daß die agrarische Hetzerei keinen Zoll mehr hinter der sozial-
demokratischen an Verlogenheit und Gehässigkeit zurücksteht, daß sie sie vielmehr an
Gemeingefährlichkeit schon weit übertrifft.

Und diesem Verhalten der parteiagrnrischeu Agitation haben die sogenannten
staatserhnltenden Parteien nicht nur mit keiner Silbe widersprochen, sondern sie
haben ihr gerade im Laufe des letzten Jahres und gerade in der Fleischbeschau¬
frage die vollständigste Zustimmung und Unterstützung zu teil werden lassen.
In den Berichten über die Verhandlungen des Reichstags wie des preußischen
Landtags liegen dafür die urkundlichen Beweise vor, von den Reden der Herren
Gerstenberger, Graf Klinckowström und Vielhaben vom 17. April 1899 an bis
zu dem Votum der Nationalliberalen für die extremen Beschlüsse der agra¬
rischen Opposition in der Neichstagssitzung vom 9. März dieses Jahres. Die ge¬
nannten Parteien haben dadurch der Agrardemagogie das gute Recht gegeben, sie
als Genossen, wenn nicht als ihre Führer in der Hauptschlacht zu betrachten, und
den ernsthaften Versuch, jetzt die fleißigen Agitatoren dauernd von den Rockschößen
abzuschütteln, als Verrat vor den verblendeten Wählermassen auf dem Lande zu brand¬
marken. In wirklicher Übereinstimmung der Ansichten oder im Parteiinteresse haben
sich die Mehrheitsparteien dem extremen Agrariertum ergeben und es dadurch zum
Herrn der Situation gemacht. So haben sie die Hauptschuld an der unhaltbaren
Lage von heute auf sich geladen, und kein Kompromiß in Sachen der Fleischbeschan
wird sie von dieser schweren politischen Sünde reinzuwaschen vermögen.

Die Bedeutung des Kompromisses, an dem man jetzt arbeitet, und dem wir der
Fleischbeschan wegen allen Erfolg wünschen, ist Politisch vorläufig gleich Null. Die
junkerlichen Strategen, die heute zum Einlenken bereit sind, denken gar nicht daran,
wenn ihnen auch im Augenblick die Halsstarrigkeit und die Plumpheit der bündle-
rischen Hauptleute sehr unbequem ist, den Zielen, die sie mit diesen zusammen seit
Jahr und Tag einträchtig verfolgt haben, oder auch nur den Wegen, die sie mit
ihnen drzu eingeschlagen haben, wirklich zu entsagen. Sie denken vor allem nicht
daran, die bedingungslose Unterwerfung der Verbündeten Regierungen als das
schleunigst zu erstrebende Ziel und als wichtigste Etappe dazu die Entfernung der
leitenden Staatsbeamten, die ihnen hinderlich erscheinen, aufzugeben. Das Kom¬
promiß über die Fleischbeschau hat für sie nur Sinn als Mittel zu diesem Zweck.


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[0216] Maßgebliches und Unmaßgebliches maßgebenden Räten der Krone geführter Schlag ins Gesicht der dentschen Landwirt¬ schaft, als ein unverantwortliches Preisgeben der nationalen Interessen zu Gunsten des Auslands hingestellt. In Schrift und Wort wurde mit einer bisher von keiner Partei aufgewandten Rührigkeit und Geschicklichkeit, unterstützt durch ganz außer¬ ordentliche Geldmittel, dem Landvolk eingeredet, der Reichskanzler Fürst von Hohen- lohe habe den Landwirten sein feierlich gegebnes Wort gebrochen, und der Staats¬ sekretär des Auswärtigen, Graf Bülow, habe im Gegensatz zu den landwirtschafts- sreundlicheu Mitgliedern des Bundesrath die Interessen der amerikanischen Viehzüchter vertreten und unter dem unmittelbaren Einfluß amerikanischer Fleischexportfirmen die die deutsche Landwirtschaft schädigende Fassung des Gesetzentwurfs durchzusetzen gewußt. Klar und unverhüllt wurde erklärt, daß der Negierung, so lange diese Männer an der Spitze stünden, kein Vertrauen geschenkt werden dürfe, daß ihr vor allem auch keine starke Flotte anvertraut werden könne. Es wird vielleicht die Zeit kommen, wo es nötig erscheint, die geradezu un¬ geheuerlichen Übertreibungen, Unwahrheiten, Verdächtigungen und Schmähungen, die die agrarische Opposition im Laufe des letzten Jahres unter Ausbeutung gerade dieses an sich so harmlosen Gesetzentwurfs über die Fleischbeschau gegen die Regie¬ rung in die kritiklosen Massen auf dem Lande hinausgeschleudert hat, dem deutscheu Volk gesammelt vor Augen zu führen. Im Augenblick braucht man nur auf die unzähligen in der Presse fast Tag für Tag erscheinenden Belege hinzuweisen, um klar zu zeigen, daß die agrarische Hetzerei keinen Zoll mehr hinter der sozial- demokratischen an Verlogenheit und Gehässigkeit zurücksteht, daß sie sie vielmehr an Gemeingefährlichkeit schon weit übertrifft. Und diesem Verhalten der parteiagrnrischeu Agitation haben die sogenannten staatserhnltenden Parteien nicht nur mit keiner Silbe widersprochen, sondern sie haben ihr gerade im Laufe des letzten Jahres und gerade in der Fleischbeschau¬ frage die vollständigste Zustimmung und Unterstützung zu teil werden lassen. In den Berichten über die Verhandlungen des Reichstags wie des preußischen Landtags liegen dafür die urkundlichen Beweise vor, von den Reden der Herren Gerstenberger, Graf Klinckowström und Vielhaben vom 17. April 1899 an bis zu dem Votum der Nationalliberalen für die extremen Beschlüsse der agra¬ rischen Opposition in der Neichstagssitzung vom 9. März dieses Jahres. Die ge¬ nannten Parteien haben dadurch der Agrardemagogie das gute Recht gegeben, sie als Genossen, wenn nicht als ihre Führer in der Hauptschlacht zu betrachten, und den ernsthaften Versuch, jetzt die fleißigen Agitatoren dauernd von den Rockschößen abzuschütteln, als Verrat vor den verblendeten Wählermassen auf dem Lande zu brand¬ marken. In wirklicher Übereinstimmung der Ansichten oder im Parteiinteresse haben sich die Mehrheitsparteien dem extremen Agrariertum ergeben und es dadurch zum Herrn der Situation gemacht. So haben sie die Hauptschuld an der unhaltbaren Lage von heute auf sich geladen, und kein Kompromiß in Sachen der Fleischbeschan wird sie von dieser schweren politischen Sünde reinzuwaschen vermögen. Die Bedeutung des Kompromisses, an dem man jetzt arbeitet, und dem wir der Fleischbeschan wegen allen Erfolg wünschen, ist Politisch vorläufig gleich Null. Die junkerlichen Strategen, die heute zum Einlenken bereit sind, denken gar nicht daran, wenn ihnen auch im Augenblick die Halsstarrigkeit und die Plumpheit der bündle- rischen Hauptleute sehr unbequem ist, den Zielen, die sie mit diesen zusammen seit Jahr und Tag einträchtig verfolgt haben, oder auch nur den Wegen, die sie mit ihnen drzu eingeschlagen haben, wirklich zu entsagen. Sie denken vor allem nicht daran, die bedingungslose Unterwerfung der Verbündeten Regierungen als das schleunigst zu erstrebende Ziel und als wichtigste Etappe dazu die Entfernung der leitenden Staatsbeamten, die ihnen hinderlich erscheinen, aufzugeben. Das Kom¬ promiß über die Fleischbeschau hat für sie nur Sinn als Mittel zu diesem Zweck.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410/216>, abgerufen am 03.07.2024.