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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.

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Auf Sizilien

Fürsten, aber sie alle sind jetzt mehr oder weniger verändert und entstellt, und
von der alten Pracht ist um so weniger mehr übrig, als sie im wesentlichen
ans der Dekoration, nicht auf der Bauanlage beruhte und aus leicht ver¬
gänglichen Material hergestellt war. Nur die Zisa ist wenigstens in ihren
Grundformen noch erhalten, ein hohes längliches Viereck mit Spitzbogenblenden
an den sonst glatten gelbbraunen Mauern.

Was Boden, Wasser und Gartenbaukunst unter dieser Sonne vermögen,
das lehren moderne Villen, wie die aussichtberühmte Villa Belmonte am Ab¬
Hange des Monte Pellegrino und die Villa Tasca in der Ebne an der Straße
nach Monreale. Diese herrliche Schöpfung des Grafen Lucio Tasca 1892)
ist in der Anlage modern, doch mit einzelnen charakteristisch italienischen Eigen¬
tümlichkeiten ausgestattet, mit kleinen Teichen, Springbrunnen, Wasserfällen,
marmornen Ruhesitzen, Statuen, zierlichen Tempelchen aus gelbem Kalktuff.
Dazwischen entfaltet sich eine üppige, halbtropische Vegetation, Dattel- und
Fächerpalmen, Edelkastanien, Mispeln und Feigen, riesige Yuccas, prachtvolle,
fremdartige Koniferen, hohe, dunkle Cypressen, kolossale Agaven, von denen
manche einen Blütenstengel von fünf bis sechs Meter Höhe getrieben hatten
und nun im Absterben waren, groteske, stachlige Opuntien, Lorbeerhecken und
Rebengänge, und hundert andre Pflanzen, von denen der Laie nicht einmal den
Namen kennt. In dem einen der beiden kleinen Tempel, der auf diese ganze
Gartenpracht herabschaut, hat der Sohn des Verstorbnen dem Vater ein Denkmal
gesetzt, das ihn preist, weil er "die Künste liebte und beschützte, den Landbau
zu entwickeln suchte, indem er ihm seine Intelligenz widmete." Denn Graf
L. Tasca war einer der thätigsten und einsichtigsten Landwirte von Sizilien.
Seinen Park hat er in weiter Ausdehnung rings umgeben mit Gemüsegärten,
Weinpflanzungen (auch von amerikanischen Reben) und Hainen von Orangen
und Citronen; von dem erhöhten Rundtempel aus fällt deshalb der Blick auf
ein dunkelgrünes Wipfelmeer, aus dem die sich schon goldig färbenden Früchte
dicht gedrängt hervorschimmerten.

Es ist also ein echt sizilianisches, obwohl kein wirklich antikes Bild, wenn
Goethe in einem der köstlichen Fragmente seiner Nausikaa, zu der ihm der
Gedanke auf Sizilien kam, den Garten des Phäakenkönigs Alkinoos also
schildert:


Dort dringen neben Früchten wieder Binden,
Und Frucht auf Früchte wechseln durch das Jahr.
Die Pomeranze, die Citrone steht
Im dunkeln Laube, und die Feige folgt
Der Feige. Reich beschützt ist rings umher der Garten
Mit Aloe und Stachelfeigen.

Über diese grüngoldne Gartenpracht herüber schimmerte die weiße Häuser¬
gruppe von Monreale an der südwestlichen Bergwand. Hier hat der letzte
legitime König normannischen Stammes Wilhelm II. 1174 bis 1189 das
Benediktinerkloster mit dem prachtvollen Dom erbaut, um den sich erst später
eine kleine Stadt gebildet hat, etwa sieben Kilometer von Palermo entfernt.


Auf Sizilien

Fürsten, aber sie alle sind jetzt mehr oder weniger verändert und entstellt, und
von der alten Pracht ist um so weniger mehr übrig, als sie im wesentlichen
ans der Dekoration, nicht auf der Bauanlage beruhte und aus leicht ver¬
gänglichen Material hergestellt war. Nur die Zisa ist wenigstens in ihren
Grundformen noch erhalten, ein hohes längliches Viereck mit Spitzbogenblenden
an den sonst glatten gelbbraunen Mauern.

Was Boden, Wasser und Gartenbaukunst unter dieser Sonne vermögen,
das lehren moderne Villen, wie die aussichtberühmte Villa Belmonte am Ab¬
Hange des Monte Pellegrino und die Villa Tasca in der Ebne an der Straße
nach Monreale. Diese herrliche Schöpfung des Grafen Lucio Tasca 1892)
ist in der Anlage modern, doch mit einzelnen charakteristisch italienischen Eigen¬
tümlichkeiten ausgestattet, mit kleinen Teichen, Springbrunnen, Wasserfällen,
marmornen Ruhesitzen, Statuen, zierlichen Tempelchen aus gelbem Kalktuff.
Dazwischen entfaltet sich eine üppige, halbtropische Vegetation, Dattel- und
Fächerpalmen, Edelkastanien, Mispeln und Feigen, riesige Yuccas, prachtvolle,
fremdartige Koniferen, hohe, dunkle Cypressen, kolossale Agaven, von denen
manche einen Blütenstengel von fünf bis sechs Meter Höhe getrieben hatten
und nun im Absterben waren, groteske, stachlige Opuntien, Lorbeerhecken und
Rebengänge, und hundert andre Pflanzen, von denen der Laie nicht einmal den
Namen kennt. In dem einen der beiden kleinen Tempel, der auf diese ganze
Gartenpracht herabschaut, hat der Sohn des Verstorbnen dem Vater ein Denkmal
gesetzt, das ihn preist, weil er „die Künste liebte und beschützte, den Landbau
zu entwickeln suchte, indem er ihm seine Intelligenz widmete." Denn Graf
L. Tasca war einer der thätigsten und einsichtigsten Landwirte von Sizilien.
Seinen Park hat er in weiter Ausdehnung rings umgeben mit Gemüsegärten,
Weinpflanzungen (auch von amerikanischen Reben) und Hainen von Orangen
und Citronen; von dem erhöhten Rundtempel aus fällt deshalb der Blick auf
ein dunkelgrünes Wipfelmeer, aus dem die sich schon goldig färbenden Früchte
dicht gedrängt hervorschimmerten.

Es ist also ein echt sizilianisches, obwohl kein wirklich antikes Bild, wenn
Goethe in einem der köstlichen Fragmente seiner Nausikaa, zu der ihm der
Gedanke auf Sizilien kam, den Garten des Phäakenkönigs Alkinoos also
schildert:


Dort dringen neben Früchten wieder Binden,
Und Frucht auf Früchte wechseln durch das Jahr.
Die Pomeranze, die Citrone steht
Im dunkeln Laube, und die Feige folgt
Der Feige. Reich beschützt ist rings umher der Garten
Mit Aloe und Stachelfeigen.

Über diese grüngoldne Gartenpracht herüber schimmerte die weiße Häuser¬
gruppe von Monreale an der südwestlichen Bergwand. Hier hat der letzte
legitime König normannischen Stammes Wilhelm II. 1174 bis 1189 das
Benediktinerkloster mit dem prachtvollen Dom erbaut, um den sich erst später
eine kleine Stadt gebildet hat, etwa sieben Kilometer von Palermo entfernt.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410/200>, abgerufen am 01.10.2024.