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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.

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Erinnerungen an den ungarischen Feldzug im Jahre

Graf Rüdiger immer den ganzen Stab und anch den österreichischen Kommissar
Grafen Zichy zur Tafel einlud, und daß Zichy einst neben Görgei zu sitzen
kam, der während des Kriegs seinen Vetter hatte erschießen lassend) Gewiß
ein unangenehmes Zusammentreffen, an den: aber niemand anders Schuld war
als Zichy selbst, der sich die Sache nicht vorher überlegt hatte und der Mittags¬
tafel nicht ferngeblieben war,

Görgei ins Hauptquartier zu bringen trug Graf Rüdiger, als der Befehl
eingetroffen war, seinem Adjutanten, Oberstleutnant Trompowski auf, dem
Görgei zum Andenken seinen Kriegsorden einhändigte: einen Lorbeerkranz, der
ein Kreuz aus dem ungarischen Wappen umschloß. Der Generalfeldmarschall
empfing den Kriegsgefangnen sehr höflich. Guten Tag, General Görgei!
waren seine ersten Worte, Arthur Görgei, antwortete dieser mit ehrfurchts¬
voller Verbeugung. Er hielt sich schon für eine Privatperson.

Seine Durchlaucht unterhielt sich mehrere Abende hintereinander mit ihm
und äußerte sich sehr anerkennend über ihn, und als der Generalfeldmarschall
hörte, daß Görgei aus Mangel an Mitteln sein ausgezeichnetes Pferd, einen
englischen Hunter, für 28 Rubel verkauft hätte, streckte er ihm 400 Halb-
imperialen vor, die, wie ich erfuhr, Görgei dann mit Dank zurückerstattete,**)
Bald erschien der Adjutant des Generals Haynau und führte mit einem
russischen Gendarmerieoffizier Görgei nach der Stadt Klagenfurt, die der
Kaiser von Österreich ihm zum ständigen Aufenthalt angewiesen hatte.

Inzwischen war die Armee nach der Kapitulation nach Sarlat, auf dem
Wege nach Pest, gebracht, wo sie unter Befehl des Generaladjutanten Anrep
kam, der die zweite Kavalleriedivision kommandierte. Da Anrep aber weder
einen Adjutanten noch einen Stab hatte und dabei viele Schriftsachen zu er¬
ledigen waren, erwies Graf Rüdiger mir die Ehre, mich ihm unter Zustimmung
des Generals für die Dauer seines Aufenthalts bei den Kriegsgefangnen zu
attachieren. Wir waren übrigens vollkommen im unklaren über das Los
der Gefangnen, und wenn wir uns bemühten, sie nach besten Kräften bei der
Hoffnung zu erhalten, daß ihnen mindestens das Leben geschenkt würde, so
vertrauten wir dabei auf die Reise des Thronfolgers nach Wien, wo sich Seine
Hoheit schon mit Erfolg für Görgei und seine Brüder samt den Adjutanten
verwandt hatte. Der österreichische General Grien kam wirklich nach Arad mit
einer Votschaft an den General Haynau, nach der dieser nicht über das Leben
der Kriegsgefangnen verfügen durfte; aber der glückliche Sieger, wie er sich
rühmte, benutzte die Gelegenheit, sich an denen zu rächen, die so oft über ihn
triumphiert hatten. Es ist für mich traurig, an die zwei Wochen zu denken,
während derer die Unglücklichen bei uns gefangen gehalten wurden; aber ich
nehme mir die Freiheit zu behaupten, daß man diesen Auftrag keinem vor¬
nehmer gesinnten, wohlwollendem und im Verkehr freundlichern Manne Hütte




D. H. Graf Eugen Zichy wurde durch den Strang standrechtlich hingerichtet.
*-
) Gö D, H, rgei (S. 432, Anm,) äußert sich ähnlich über das Darlehn,
Erinnerungen an den ungarischen Feldzug im Jahre

Graf Rüdiger immer den ganzen Stab und anch den österreichischen Kommissar
Grafen Zichy zur Tafel einlud, und daß Zichy einst neben Görgei zu sitzen
kam, der während des Kriegs seinen Vetter hatte erschießen lassend) Gewiß
ein unangenehmes Zusammentreffen, an den: aber niemand anders Schuld war
als Zichy selbst, der sich die Sache nicht vorher überlegt hatte und der Mittags¬
tafel nicht ferngeblieben war,

Görgei ins Hauptquartier zu bringen trug Graf Rüdiger, als der Befehl
eingetroffen war, seinem Adjutanten, Oberstleutnant Trompowski auf, dem
Görgei zum Andenken seinen Kriegsorden einhändigte: einen Lorbeerkranz, der
ein Kreuz aus dem ungarischen Wappen umschloß. Der Generalfeldmarschall
empfing den Kriegsgefangnen sehr höflich. Guten Tag, General Görgei!
waren seine ersten Worte, Arthur Görgei, antwortete dieser mit ehrfurchts¬
voller Verbeugung. Er hielt sich schon für eine Privatperson.

Seine Durchlaucht unterhielt sich mehrere Abende hintereinander mit ihm
und äußerte sich sehr anerkennend über ihn, und als der Generalfeldmarschall
hörte, daß Görgei aus Mangel an Mitteln sein ausgezeichnetes Pferd, einen
englischen Hunter, für 28 Rubel verkauft hätte, streckte er ihm 400 Halb-
imperialen vor, die, wie ich erfuhr, Görgei dann mit Dank zurückerstattete,**)
Bald erschien der Adjutant des Generals Haynau und führte mit einem
russischen Gendarmerieoffizier Görgei nach der Stadt Klagenfurt, die der
Kaiser von Österreich ihm zum ständigen Aufenthalt angewiesen hatte.

Inzwischen war die Armee nach der Kapitulation nach Sarlat, auf dem
Wege nach Pest, gebracht, wo sie unter Befehl des Generaladjutanten Anrep
kam, der die zweite Kavalleriedivision kommandierte. Da Anrep aber weder
einen Adjutanten noch einen Stab hatte und dabei viele Schriftsachen zu er¬
ledigen waren, erwies Graf Rüdiger mir die Ehre, mich ihm unter Zustimmung
des Generals für die Dauer seines Aufenthalts bei den Kriegsgefangnen zu
attachieren. Wir waren übrigens vollkommen im unklaren über das Los
der Gefangnen, und wenn wir uns bemühten, sie nach besten Kräften bei der
Hoffnung zu erhalten, daß ihnen mindestens das Leben geschenkt würde, so
vertrauten wir dabei auf die Reise des Thronfolgers nach Wien, wo sich Seine
Hoheit schon mit Erfolg für Görgei und seine Brüder samt den Adjutanten
verwandt hatte. Der österreichische General Grien kam wirklich nach Arad mit
einer Votschaft an den General Haynau, nach der dieser nicht über das Leben
der Kriegsgefangnen verfügen durfte; aber der glückliche Sieger, wie er sich
rühmte, benutzte die Gelegenheit, sich an denen zu rächen, die so oft über ihn
triumphiert hatten. Es ist für mich traurig, an die zwei Wochen zu denken,
während derer die Unglücklichen bei uns gefangen gehalten wurden; aber ich
nehme mir die Freiheit zu behaupten, daß man diesen Auftrag keinem vor¬
nehmer gesinnten, wohlwollendem und im Verkehr freundlichern Manne Hütte




D. H. Graf Eugen Zichy wurde durch den Strang standrechtlich hingerichtet.
*-
) Gö D, H, rgei (S. 432, Anm,) äußert sich ähnlich über das Darlehn,
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[0182] Erinnerungen an den ungarischen Feldzug im Jahre Graf Rüdiger immer den ganzen Stab und anch den österreichischen Kommissar Grafen Zichy zur Tafel einlud, und daß Zichy einst neben Görgei zu sitzen kam, der während des Kriegs seinen Vetter hatte erschießen lassend) Gewiß ein unangenehmes Zusammentreffen, an den: aber niemand anders Schuld war als Zichy selbst, der sich die Sache nicht vorher überlegt hatte und der Mittags¬ tafel nicht ferngeblieben war, Görgei ins Hauptquartier zu bringen trug Graf Rüdiger, als der Befehl eingetroffen war, seinem Adjutanten, Oberstleutnant Trompowski auf, dem Görgei zum Andenken seinen Kriegsorden einhändigte: einen Lorbeerkranz, der ein Kreuz aus dem ungarischen Wappen umschloß. Der Generalfeldmarschall empfing den Kriegsgefangnen sehr höflich. Guten Tag, General Görgei! waren seine ersten Worte, Arthur Görgei, antwortete dieser mit ehrfurchts¬ voller Verbeugung. Er hielt sich schon für eine Privatperson. Seine Durchlaucht unterhielt sich mehrere Abende hintereinander mit ihm und äußerte sich sehr anerkennend über ihn, und als der Generalfeldmarschall hörte, daß Görgei aus Mangel an Mitteln sein ausgezeichnetes Pferd, einen englischen Hunter, für 28 Rubel verkauft hätte, streckte er ihm 400 Halb- imperialen vor, die, wie ich erfuhr, Görgei dann mit Dank zurückerstattete,**) Bald erschien der Adjutant des Generals Haynau und führte mit einem russischen Gendarmerieoffizier Görgei nach der Stadt Klagenfurt, die der Kaiser von Österreich ihm zum ständigen Aufenthalt angewiesen hatte. Inzwischen war die Armee nach der Kapitulation nach Sarlat, auf dem Wege nach Pest, gebracht, wo sie unter Befehl des Generaladjutanten Anrep kam, der die zweite Kavalleriedivision kommandierte. Da Anrep aber weder einen Adjutanten noch einen Stab hatte und dabei viele Schriftsachen zu er¬ ledigen waren, erwies Graf Rüdiger mir die Ehre, mich ihm unter Zustimmung des Generals für die Dauer seines Aufenthalts bei den Kriegsgefangnen zu attachieren. Wir waren übrigens vollkommen im unklaren über das Los der Gefangnen, und wenn wir uns bemühten, sie nach besten Kräften bei der Hoffnung zu erhalten, daß ihnen mindestens das Leben geschenkt würde, so vertrauten wir dabei auf die Reise des Thronfolgers nach Wien, wo sich Seine Hoheit schon mit Erfolg für Görgei und seine Brüder samt den Adjutanten verwandt hatte. Der österreichische General Grien kam wirklich nach Arad mit einer Votschaft an den General Haynau, nach der dieser nicht über das Leben der Kriegsgefangnen verfügen durfte; aber der glückliche Sieger, wie er sich rühmte, benutzte die Gelegenheit, sich an denen zu rächen, die so oft über ihn triumphiert hatten. Es ist für mich traurig, an die zwei Wochen zu denken, während derer die Unglücklichen bei uns gefangen gehalten wurden; aber ich nehme mir die Freiheit zu behaupten, daß man diesen Auftrag keinem vor¬ nehmer gesinnten, wohlwollendem und im Verkehr freundlichern Manne Hütte D. H. Graf Eugen Zichy wurde durch den Strang standrechtlich hingerichtet. *- ) Gö D, H, rgei (S. 432, Anm,) äußert sich ähnlich über das Darlehn,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410/182>, abgerufen am 03.07.2024.