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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.

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Zur Frauenfrage

tischer Gleichstellung der Frau mit dem Manne, Es ist nur zum verwundern,
daß dieser Gleichheitsschwindel überhaupt noch so viel Zugkraft zeigt, nachdem
er seit der französischen Revolution geschichtlich gerichtet und abgethan ist.
Von den drei großen Revolutionslosnngen Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit
haben die erste und die letzte, mir Arg.no salis verstanden, einen guten Sinn,
und es läßt sich verstehn, daß Meuschen, ja Völker dafür in den Tod gehn.
Aber die Lehre von der absoluten Gleichheit ist von vornherein unsinnig, weil
widernatürlich. Nicht zwei Menschen sind einander gleich, und die völlig be¬
rechtigten Ansprüche der Menschen auf Wahrung und Achtung ihrer Indivi¬
dualität, der instinktive Widerwille gegen alle schablonenhafte Gleichmacherei,
alles das ist nichts andres, als ein natürlicher Protest gegen die widernatür¬
liche Lüge der absoluten Gleichheitstheorie. Am allerverkehrtesten ist die immer
wieder auftauchende Behauptung der Gleichheit von Mann und Weib. Man
braucht dabei gar nicht von der landläufigen Annahme der Jnferioritcit des
Weibes auszugehn. Im Gegenteil. Die Frau ist in gewissen Potenzen dem
Manne zweifellos überlegen, und sie ist ihm sittlich gleichwertig. Ebenso
zweifellos ist aber das weibliche Geschlecht nach bestimmten andern Richtungen
hin das schwächere. Grundverschieden ist die weibliche Natur jedenfalls von
der männlichen physiologisch, psychologisch, leiblich, seelisch und geistig. Diese
Verschiedenheit läßt sich nicht ausgleichen, und weil sie naturgesetzlich besteht,
so sind alle Versuche, das Weib dem Manne im Sinne des Rechts gleich¬
zustellen, grundverkehrt und nicht nur aussichtslos, sondern sie schlagen der
Kultur ins Angesicht und rächen sich bitter an dem Volkstum, das sich dieser
unnatürlichen Bestrebungen nicht mit sittlicher Kraft zu erwehren weiß. Immer
sind es Zeiten der sinkenden Kultur gewesen, Zeiten der Lockerung aller Bande
der Sitte und Zucht, in denen die verlognen Emanzipationstheorien vorüber¬
gehend Boden zu gewinnen schienen. Mit Recht sagt Treitschke: "Das natür¬
liche Gefühl der Menschen hat zu allen Zeiten beide Geschlechter auseinander
gehalten, und die verschiedne Tracht der Männer und der Weiber ist ein immer
wiederkehrender Protest der menschlichen Kultur gegen die verrückte Emanzi¬
pationslehre." Seltsam genug, daß sich gerade in unsrer Zeit diese thörichte
Unnatur mit verstärkten Ansprüchen wieder ans Licht wagt. Freilich bei uns
in Deutschland immer noch weniger zahlreich und unverfroren, als in England
und Amerika. Noch ist glücklicherweise unsre deutsche Kultur zu stark und zu
gesund, als daß von diesem rüden und radikalen Flügel der Frauenbewegung
eine unmittelbare Gefahr zu besorgen wäre. Noch sind doch die deutschen
Frauen, die dafür eintreten, ziemlich vereinzelt geblieben, und diese emanzi¬
pationslüsternen Vorkämpferinnen wirken ans die Menge der deutscheu Frauen
durchweg mehr abschreckend als verführerisch. Noch kann man mit gutem
Grunde behaupten, daß die deutsche Frau hohen, mittlern und niedern Standes
der Emanzipationsbewegung fast verständnislos, sicher aber abweisend, ja mit
Verachtung und Entrüstung gegenübersteht. Ein gutes und hoffnungsreiches
Zeichen der Zeit beim Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts.


Zur Frauenfrage

tischer Gleichstellung der Frau mit dem Manne, Es ist nur zum verwundern,
daß dieser Gleichheitsschwindel überhaupt noch so viel Zugkraft zeigt, nachdem
er seit der französischen Revolution geschichtlich gerichtet und abgethan ist.
Von den drei großen Revolutionslosnngen Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit
haben die erste und die letzte, mir Arg.no salis verstanden, einen guten Sinn,
und es läßt sich verstehn, daß Meuschen, ja Völker dafür in den Tod gehn.
Aber die Lehre von der absoluten Gleichheit ist von vornherein unsinnig, weil
widernatürlich. Nicht zwei Menschen sind einander gleich, und die völlig be¬
rechtigten Ansprüche der Menschen auf Wahrung und Achtung ihrer Indivi¬
dualität, der instinktive Widerwille gegen alle schablonenhafte Gleichmacherei,
alles das ist nichts andres, als ein natürlicher Protest gegen die widernatür¬
liche Lüge der absoluten Gleichheitstheorie. Am allerverkehrtesten ist die immer
wieder auftauchende Behauptung der Gleichheit von Mann und Weib. Man
braucht dabei gar nicht von der landläufigen Annahme der Jnferioritcit des
Weibes auszugehn. Im Gegenteil. Die Frau ist in gewissen Potenzen dem
Manne zweifellos überlegen, und sie ist ihm sittlich gleichwertig. Ebenso
zweifellos ist aber das weibliche Geschlecht nach bestimmten andern Richtungen
hin das schwächere. Grundverschieden ist die weibliche Natur jedenfalls von
der männlichen physiologisch, psychologisch, leiblich, seelisch und geistig. Diese
Verschiedenheit läßt sich nicht ausgleichen, und weil sie naturgesetzlich besteht,
so sind alle Versuche, das Weib dem Manne im Sinne des Rechts gleich¬
zustellen, grundverkehrt und nicht nur aussichtslos, sondern sie schlagen der
Kultur ins Angesicht und rächen sich bitter an dem Volkstum, das sich dieser
unnatürlichen Bestrebungen nicht mit sittlicher Kraft zu erwehren weiß. Immer
sind es Zeiten der sinkenden Kultur gewesen, Zeiten der Lockerung aller Bande
der Sitte und Zucht, in denen die verlognen Emanzipationstheorien vorüber¬
gehend Boden zu gewinnen schienen. Mit Recht sagt Treitschke: „Das natür¬
liche Gefühl der Menschen hat zu allen Zeiten beide Geschlechter auseinander
gehalten, und die verschiedne Tracht der Männer und der Weiber ist ein immer
wiederkehrender Protest der menschlichen Kultur gegen die verrückte Emanzi¬
pationslehre." Seltsam genug, daß sich gerade in unsrer Zeit diese thörichte
Unnatur mit verstärkten Ansprüchen wieder ans Licht wagt. Freilich bei uns
in Deutschland immer noch weniger zahlreich und unverfroren, als in England
und Amerika. Noch ist glücklicherweise unsre deutsche Kultur zu stark und zu
gesund, als daß von diesem rüden und radikalen Flügel der Frauenbewegung
eine unmittelbare Gefahr zu besorgen wäre. Noch sind doch die deutschen
Frauen, die dafür eintreten, ziemlich vereinzelt geblieben, und diese emanzi¬
pationslüsternen Vorkämpferinnen wirken ans die Menge der deutscheu Frauen
durchweg mehr abschreckend als verführerisch. Noch kann man mit gutem
Grunde behaupten, daß die deutsche Frau hohen, mittlern und niedern Standes
der Emanzipationsbewegung fast verständnislos, sicher aber abweisend, ja mit
Verachtung und Entrüstung gegenübersteht. Ein gutes und hoffnungsreiches
Zeichen der Zeit beim Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts.


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[0011] Zur Frauenfrage tischer Gleichstellung der Frau mit dem Manne, Es ist nur zum verwundern, daß dieser Gleichheitsschwindel überhaupt noch so viel Zugkraft zeigt, nachdem er seit der französischen Revolution geschichtlich gerichtet und abgethan ist. Von den drei großen Revolutionslosnngen Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit haben die erste und die letzte, mir Arg.no salis verstanden, einen guten Sinn, und es läßt sich verstehn, daß Meuschen, ja Völker dafür in den Tod gehn. Aber die Lehre von der absoluten Gleichheit ist von vornherein unsinnig, weil widernatürlich. Nicht zwei Menschen sind einander gleich, und die völlig be¬ rechtigten Ansprüche der Menschen auf Wahrung und Achtung ihrer Indivi¬ dualität, der instinktive Widerwille gegen alle schablonenhafte Gleichmacherei, alles das ist nichts andres, als ein natürlicher Protest gegen die widernatür¬ liche Lüge der absoluten Gleichheitstheorie. Am allerverkehrtesten ist die immer wieder auftauchende Behauptung der Gleichheit von Mann und Weib. Man braucht dabei gar nicht von der landläufigen Annahme der Jnferioritcit des Weibes auszugehn. Im Gegenteil. Die Frau ist in gewissen Potenzen dem Manne zweifellos überlegen, und sie ist ihm sittlich gleichwertig. Ebenso zweifellos ist aber das weibliche Geschlecht nach bestimmten andern Richtungen hin das schwächere. Grundverschieden ist die weibliche Natur jedenfalls von der männlichen physiologisch, psychologisch, leiblich, seelisch und geistig. Diese Verschiedenheit läßt sich nicht ausgleichen, und weil sie naturgesetzlich besteht, so sind alle Versuche, das Weib dem Manne im Sinne des Rechts gleich¬ zustellen, grundverkehrt und nicht nur aussichtslos, sondern sie schlagen der Kultur ins Angesicht und rächen sich bitter an dem Volkstum, das sich dieser unnatürlichen Bestrebungen nicht mit sittlicher Kraft zu erwehren weiß. Immer sind es Zeiten der sinkenden Kultur gewesen, Zeiten der Lockerung aller Bande der Sitte und Zucht, in denen die verlognen Emanzipationstheorien vorüber¬ gehend Boden zu gewinnen schienen. Mit Recht sagt Treitschke: „Das natür¬ liche Gefühl der Menschen hat zu allen Zeiten beide Geschlechter auseinander gehalten, und die verschiedne Tracht der Männer und der Weiber ist ein immer wiederkehrender Protest der menschlichen Kultur gegen die verrückte Emanzi¬ pationslehre." Seltsam genug, daß sich gerade in unsrer Zeit diese thörichte Unnatur mit verstärkten Ansprüchen wieder ans Licht wagt. Freilich bei uns in Deutschland immer noch weniger zahlreich und unverfroren, als in England und Amerika. Noch ist glücklicherweise unsre deutsche Kultur zu stark und zu gesund, als daß von diesem rüden und radikalen Flügel der Frauenbewegung eine unmittelbare Gefahr zu besorgen wäre. Noch sind doch die deutschen Frauen, die dafür eintreten, ziemlich vereinzelt geblieben, und diese emanzi¬ pationslüsternen Vorkämpferinnen wirken ans die Menge der deutscheu Frauen durchweg mehr abschreckend als verführerisch. Noch kann man mit gutem Grunde behaupten, daß die deutsche Frau hohen, mittlern und niedern Standes der Emanzipationsbewegung fast verständnislos, sicher aber abweisend, ja mit Verachtung und Entrüstung gegenübersteht. Ein gutes und hoffnungsreiches Zeichen der Zeit beim Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410/11>, abgerufen am 01.07.2024.