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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.

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sprünglich den Zweck hatte, Buddha zu preisen und im Betenden den Wunsch
zu erregen, er möge selbst einst zu gleicher Vollkommenheit gelangen. Schon
Gebete machen die Gottheiten dienstbar, gesichert wird der Erfolg durch Ver¬
richten gewisser sehr umständlicher Ceremonien, bei denen der Priester mitwirken
muß, dessen man aber ursprünglich so gut wie der gütigen Gottheiten entraten
konnte. Eine weitere wesentliche Neuerung ist die Lehre von den drei Graden
der Belohnung und der Glückseligkeit als Vorbedingung der vollkommnen Ver¬
nichtung aller Existenz, Zu diesem allen denke man sich eoufueianische Lehren
und den spezifisch chinesischen Geisterglauben, und man wird eingestehn, daß der
in China herrschende Buddhismus jeden Erklärungsversuch zu schänden macht.

Die Frage, wie sich diese Religionen auf die Bewohner des Landes verteilen,
kann schwerlich beantwortet werden, da eine strenge Scheidung der Chinesen in
dieser Beziehung nicht möglich ist. Soviel scheint festznstehn, daß sich vorzugs¬
weise die Klasse der Gelehrten zum reinen Coufucianismns bekennt, währeud
das Volk in dem seltsamen und lächerlichen Gemisch von Buddhismus und
abergläubischer Verehrung allerlei Geister Trost und Befriedigung findet, denn
nach der großen Menge buddhistischer Klöster zu schließen, mit denen das Land
übersät ist, hat diese Art von Buddhismus die weiteste Verbreitung gefunden.
Übrigens steht es jedem Staatsbürger in China frei, zu glaube" und zu ver¬
ehren, was er will, wenn er nnr die Pflichten erfüllt, die jeden, Unterthan
auferlegt sind.

Daß die Absichten des Confucius verwirklicht wären, kann man nicht sagen.
Er war dem Geisterglauben von Grund aus abhold und hatte den Götzendienst
verpönt. Bei den Anhängern des reinen Cvnsueiauismus könnte man zu¬
geben, daß sie sich von grobem Götzendienst fern halten, aber doch mir, um
einen eigentümlichen Preis: Confucius ist ihnen selbst zum Götzen geworden.
Zahlreiche Altäre siud ihm geweiht, und ihm zu opfern ist eine der vor¬
nehmsten Pflichten; sein Bildnis ist überall verbreitet, und schon das Kind
in der Schule wird gelehrt, es durch Niederfallen zu verehren. Außerdem ist
gerade das Eindringen des Buddhismus in China ein Beweis dafür, daß
Confucius eine Lücke gelassen hatte, die in dem religiösen Bewußtsein mit
Naturnotwendigkeit nach Ausfüllung verlangte.

Daß mau aber solche gegensätzlichen Anschauungen, wie Coufueianismus
und Buddhismus, miteinander vereinigen konnte, zeugt andrerseits von einem
großen Indifferentismus, der ein hervorstechender Charakterzug des Chinesen
ist. In der That kann man sich kaum größere Gegensätze denken, als die
Lehren dieser Systeme. Der Buddhismus ist die Lehre der Ertötung aller
natürlichen Regungen, Confucius macht sie zur Grundlage aller Religiosität.
Der Buddhismus ist die Religion der Selbsterlösung, Confucius kennt nicht
einmal den Begriff der Sünde. Der Buddhismus lehrt die Seelenwandruug
und das Eingehn in das Nirwana, Confucius lehnt alle Gedanken über das
Jenseits ab. Das Ideal des Buddhismus ist das Mönchtum, dem Confucius
ist die Ehe die heiligste Ordnung, keine Nachkommen zu haben ein Verbrechen


sprünglich den Zweck hatte, Buddha zu preisen und im Betenden den Wunsch
zu erregen, er möge selbst einst zu gleicher Vollkommenheit gelangen. Schon
Gebete machen die Gottheiten dienstbar, gesichert wird der Erfolg durch Ver¬
richten gewisser sehr umständlicher Ceremonien, bei denen der Priester mitwirken
muß, dessen man aber ursprünglich so gut wie der gütigen Gottheiten entraten
konnte. Eine weitere wesentliche Neuerung ist die Lehre von den drei Graden
der Belohnung und der Glückseligkeit als Vorbedingung der vollkommnen Ver¬
nichtung aller Existenz, Zu diesem allen denke man sich eoufueianische Lehren
und den spezifisch chinesischen Geisterglauben, und man wird eingestehn, daß der
in China herrschende Buddhismus jeden Erklärungsversuch zu schänden macht.

Die Frage, wie sich diese Religionen auf die Bewohner des Landes verteilen,
kann schwerlich beantwortet werden, da eine strenge Scheidung der Chinesen in
dieser Beziehung nicht möglich ist. Soviel scheint festznstehn, daß sich vorzugs¬
weise die Klasse der Gelehrten zum reinen Coufucianismns bekennt, währeud
das Volk in dem seltsamen und lächerlichen Gemisch von Buddhismus und
abergläubischer Verehrung allerlei Geister Trost und Befriedigung findet, denn
nach der großen Menge buddhistischer Klöster zu schließen, mit denen das Land
übersät ist, hat diese Art von Buddhismus die weiteste Verbreitung gefunden.
Übrigens steht es jedem Staatsbürger in China frei, zu glaube» und zu ver¬
ehren, was er will, wenn er nnr die Pflichten erfüllt, die jeden, Unterthan
auferlegt sind.

Daß die Absichten des Confucius verwirklicht wären, kann man nicht sagen.
Er war dem Geisterglauben von Grund aus abhold und hatte den Götzendienst
verpönt. Bei den Anhängern des reinen Cvnsueiauismus könnte man zu¬
geben, daß sie sich von grobem Götzendienst fern halten, aber doch mir, um
einen eigentümlichen Preis: Confucius ist ihnen selbst zum Götzen geworden.
Zahlreiche Altäre siud ihm geweiht, und ihm zu opfern ist eine der vor¬
nehmsten Pflichten; sein Bildnis ist überall verbreitet, und schon das Kind
in der Schule wird gelehrt, es durch Niederfallen zu verehren. Außerdem ist
gerade das Eindringen des Buddhismus in China ein Beweis dafür, daß
Confucius eine Lücke gelassen hatte, die in dem religiösen Bewußtsein mit
Naturnotwendigkeit nach Ausfüllung verlangte.

Daß mau aber solche gegensätzlichen Anschauungen, wie Coufueianismus
und Buddhismus, miteinander vereinigen konnte, zeugt andrerseits von einem
großen Indifferentismus, der ein hervorstechender Charakterzug des Chinesen
ist. In der That kann man sich kaum größere Gegensätze denken, als die
Lehren dieser Systeme. Der Buddhismus ist die Lehre der Ertötung aller
natürlichen Regungen, Confucius macht sie zur Grundlage aller Religiosität.
Der Buddhismus ist die Religion der Selbsterlösung, Confucius kennt nicht
einmal den Begriff der Sünde. Der Buddhismus lehrt die Seelenwandruug
und das Eingehn in das Nirwana, Confucius lehnt alle Gedanken über das
Jenseits ab. Das Ideal des Buddhismus ist das Mönchtum, dem Confucius
ist die Ehe die heiligste Ordnung, keine Nachkommen zu haben ein Verbrechen


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[0095] sprünglich den Zweck hatte, Buddha zu preisen und im Betenden den Wunsch zu erregen, er möge selbst einst zu gleicher Vollkommenheit gelangen. Schon Gebete machen die Gottheiten dienstbar, gesichert wird der Erfolg durch Ver¬ richten gewisser sehr umständlicher Ceremonien, bei denen der Priester mitwirken muß, dessen man aber ursprünglich so gut wie der gütigen Gottheiten entraten konnte. Eine weitere wesentliche Neuerung ist die Lehre von den drei Graden der Belohnung und der Glückseligkeit als Vorbedingung der vollkommnen Ver¬ nichtung aller Existenz, Zu diesem allen denke man sich eoufueianische Lehren und den spezifisch chinesischen Geisterglauben, und man wird eingestehn, daß der in China herrschende Buddhismus jeden Erklärungsversuch zu schänden macht. Die Frage, wie sich diese Religionen auf die Bewohner des Landes verteilen, kann schwerlich beantwortet werden, da eine strenge Scheidung der Chinesen in dieser Beziehung nicht möglich ist. Soviel scheint festznstehn, daß sich vorzugs¬ weise die Klasse der Gelehrten zum reinen Coufucianismns bekennt, währeud das Volk in dem seltsamen und lächerlichen Gemisch von Buddhismus und abergläubischer Verehrung allerlei Geister Trost und Befriedigung findet, denn nach der großen Menge buddhistischer Klöster zu schließen, mit denen das Land übersät ist, hat diese Art von Buddhismus die weiteste Verbreitung gefunden. Übrigens steht es jedem Staatsbürger in China frei, zu glaube» und zu ver¬ ehren, was er will, wenn er nnr die Pflichten erfüllt, die jeden, Unterthan auferlegt sind. Daß die Absichten des Confucius verwirklicht wären, kann man nicht sagen. Er war dem Geisterglauben von Grund aus abhold und hatte den Götzendienst verpönt. Bei den Anhängern des reinen Cvnsueiauismus könnte man zu¬ geben, daß sie sich von grobem Götzendienst fern halten, aber doch mir, um einen eigentümlichen Preis: Confucius ist ihnen selbst zum Götzen geworden. Zahlreiche Altäre siud ihm geweiht, und ihm zu opfern ist eine der vor¬ nehmsten Pflichten; sein Bildnis ist überall verbreitet, und schon das Kind in der Schule wird gelehrt, es durch Niederfallen zu verehren. Außerdem ist gerade das Eindringen des Buddhismus in China ein Beweis dafür, daß Confucius eine Lücke gelassen hatte, die in dem religiösen Bewußtsein mit Naturnotwendigkeit nach Ausfüllung verlangte. Daß mau aber solche gegensätzlichen Anschauungen, wie Coufueianismus und Buddhismus, miteinander vereinigen konnte, zeugt andrerseits von einem großen Indifferentismus, der ein hervorstechender Charakterzug des Chinesen ist. In der That kann man sich kaum größere Gegensätze denken, als die Lehren dieser Systeme. Der Buddhismus ist die Lehre der Ertötung aller natürlichen Regungen, Confucius macht sie zur Grundlage aller Religiosität. Der Buddhismus ist die Religion der Selbsterlösung, Confucius kennt nicht einmal den Begriff der Sünde. Der Buddhismus lehrt die Seelenwandruug und das Eingehn in das Nirwana, Confucius lehnt alle Gedanken über das Jenseits ab. Das Ideal des Buddhismus ist das Mönchtum, dem Confucius ist die Ehe die heiligste Ordnung, keine Nachkommen zu haben ein Verbrechen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551/95>, abgerufen am 02.07.2024.