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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.

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Stellung geU'äste hat, mit gutem Gewisse" und freudigem Mut nachstreben darf;
daß es mir daS richtigere Weltbild und die richtigere Vorstellung von der
Natur der Gottheit ist, was ihn als Christen von den Heiden unterscheidet.
Er weiß außerdem allerdings auch noch, daß es einen zweiten, erhabner::
und schwierigern Lebensweg giebt, den Christus seinen engern Jnngerkreis
führt, und den zu betreten ihm jeden Augenblick freisteht, wenn er sich durch
sein Herz oder dnrch Schicksale und Erfahrungen einmal berufen fühlen sollte;
er weiß endlich, daß er im Neuen Testament und in den Schriften heiliger
Männer, an die man ihn gewiesen hat, diesen Weg beschrieben findet.

Mit dem zuletzt Gesagten haben wir vorgreifend ein Gebiet berührt, auf
das wir uns erst später wagen wollen. Jetzt wenden wir uns zunächst dem
eigentliche,: Gegenstande des Werks zu. Gluck, schreibt Hills vollkommen
richtig, wollen alle ohne Ausnahme; in nichts andern: herrscht eine so voll-
kommne Übereinstimmung der Menschen; die da behaupte", sie wollten etwas
besseres als Glück, drücke" sich falsch ans; nicht etwas besseres als das Glück
wollen sie, sonder" eine bessere Art des Glücks mis die Mehrzahl; und er be¬
handelt mit der gebührenden Verachtung die Tröpfe, die glauben machen
wollen, die Moral des Christentums sei ihnen nicht hoch genug, weil es den
Guten die ewige Seligkeit verheißt. Und das Glück muß erreichbar sei"; "ist
etwas das Ziel alles menschlichen Wünschens und doch gleichzeitig mit Sicher¬
heit nicht erreichbar, so hat die ganze menschliche Existenz keinen vernünftigen
Sinn mehr," So erörtert er denn nicht allein, in welchem Sinne und unter
welchen Bedingungen die sogenannten Glücksgüter: Reichtum, Ehre, Ruhm,
Gesundheit, Kraft, Macht, dann anch Kunst und Wissenschaft ein gewisses
Maß uiivollkommuen Glücks gewähre", sondern er lehrt anch, daß man, um
echtes und bleibendes Glück zu erlangen, alle Götzen über Bord werfen müsse,
als da sind die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Kirche, die von den Ortho
boxen aller Konfessionen für das höchste Glück erklärt wird, das sanfte Ruhe¬
kissen des guten Gewissens, dessen sich auch der Kannibale erfreut, wen" er
seinen Feind aufgefressen hat, und die Tugend: "fort zu allererst mit diese":
Götzen des unbestechlichen Robespierre, Sie wohnt in keine:" natürlichen
menschlichen Herzen; es braucht eine sehr geringe Vorstellung von derselben
oder ein sehr beschränktes Gehirn, um mit sich selbst stets zufrieden zu sein."
Auf eine:" richtigern Wege seien schon solche, die ans den verwickelten und
überfeinerten Verhältnissen unsrer Zeit zur Nntnr und den einfachen Freuden
des schlichten Landmanns zurückstrebten, und die Salontiroler und Bergfexe
seien wenigstens Karikaturen des verständigen Glücksuchers, Mit nlledem bin
ich vollkommen einverstanden, nur halte ich es für einen schiefen Ausdruck,
wenn er die Losung: Zurück zur Nntnr, als einen Protest gegen die ästhetische
Lebensnuffafsuug bezeichnet; die Natur ist doch wahrhaftig nichts Unästhetisches,
sondern die große Schule der Ästhetik, und zu>ar nicht der Ästhetik der "Moderne,"
die es fertig bringt, in einer mehrere Quadratmeilen großen Landschaft von
entzückender Schönheit nichts zu sehe,: als den einen Misthaufen, der anf eine,"


Stellung geU'äste hat, mit gutem Gewisse» und freudigem Mut nachstreben darf;
daß es mir daS richtigere Weltbild und die richtigere Vorstellung von der
Natur der Gottheit ist, was ihn als Christen von den Heiden unterscheidet.
Er weiß außerdem allerdings auch noch, daß es einen zweiten, erhabner::
und schwierigern Lebensweg giebt, den Christus seinen engern Jnngerkreis
führt, und den zu betreten ihm jeden Augenblick freisteht, wenn er sich durch
sein Herz oder dnrch Schicksale und Erfahrungen einmal berufen fühlen sollte;
er weiß endlich, daß er im Neuen Testament und in den Schriften heiliger
Männer, an die man ihn gewiesen hat, diesen Weg beschrieben findet.

Mit dem zuletzt Gesagten haben wir vorgreifend ein Gebiet berührt, auf
das wir uns erst später wagen wollen. Jetzt wenden wir uns zunächst dem
eigentliche,: Gegenstande des Werks zu. Gluck, schreibt Hills vollkommen
richtig, wollen alle ohne Ausnahme; in nichts andern: herrscht eine so voll-
kommne Übereinstimmung der Menschen; die da behaupte», sie wollten etwas
besseres als Glück, drücke» sich falsch ans; nicht etwas besseres als das Glück
wollen sie, sonder» eine bessere Art des Glücks mis die Mehrzahl; und er be¬
handelt mit der gebührenden Verachtung die Tröpfe, die glauben machen
wollen, die Moral des Christentums sei ihnen nicht hoch genug, weil es den
Guten die ewige Seligkeit verheißt. Und das Glück muß erreichbar sei»; „ist
etwas das Ziel alles menschlichen Wünschens und doch gleichzeitig mit Sicher¬
heit nicht erreichbar, so hat die ganze menschliche Existenz keinen vernünftigen
Sinn mehr," So erörtert er denn nicht allein, in welchem Sinne und unter
welchen Bedingungen die sogenannten Glücksgüter: Reichtum, Ehre, Ruhm,
Gesundheit, Kraft, Macht, dann anch Kunst und Wissenschaft ein gewisses
Maß uiivollkommuen Glücks gewähre», sondern er lehrt anch, daß man, um
echtes und bleibendes Glück zu erlangen, alle Götzen über Bord werfen müsse,
als da sind die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Kirche, die von den Ortho
boxen aller Konfessionen für das höchste Glück erklärt wird, das sanfte Ruhe¬
kissen des guten Gewissens, dessen sich auch der Kannibale erfreut, wen» er
seinen Feind aufgefressen hat, und die Tugend: „fort zu allererst mit diese»:
Götzen des unbestechlichen Robespierre, Sie wohnt in keine:» natürlichen
menschlichen Herzen; es braucht eine sehr geringe Vorstellung von derselben
oder ein sehr beschränktes Gehirn, um mit sich selbst stets zufrieden zu sein."
Auf eine:» richtigern Wege seien schon solche, die ans den verwickelten und
überfeinerten Verhältnissen unsrer Zeit zur Nntnr und den einfachen Freuden
des schlichten Landmanns zurückstrebten, und die Salontiroler und Bergfexe
seien wenigstens Karikaturen des verständigen Glücksuchers, Mit nlledem bin
ich vollkommen einverstanden, nur halte ich es für einen schiefen Ausdruck,
wenn er die Losung: Zurück zur Nntnr, als einen Protest gegen die ästhetische
Lebensnuffafsuug bezeichnet; die Natur ist doch wahrhaftig nichts Unästhetisches,
sondern die große Schule der Ästhetik, und zu>ar nicht der Ästhetik der „Moderne,"
die es fertig bringt, in einer mehrere Quadratmeilen großen Landschaft von
entzückender Schönheit nichts zu sehe,: als den einen Misthaufen, der anf eine,»


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551/71>, abgerufen am 02.07.2024.