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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.

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von Paul bannen gieß er 2

is jü
ngst die Deutsche Kolvninlgesellschaft ihre Vorstaudsver-
scimmlilng in Straßburgs Maltern abhielt, hat man ihr auch
einen Einblick in das elsässische Volksleben der Gegenwart zu
bieten gesucht, indem mau ihr zu Ehren eine Svudervorstellung
des seit dem vorletzten Spätherbst hier bestehenden "Elsässischen
Theaters" veranstaltete. Die Kürze der Zeit erlaubte nur die Aufführung
eines einaktigen Schwanks; innnerhin wird auch sie schon einen Begriff von
der ursprüinilichen Lebenskraft gegeben habe", die diese Volksbühne beseelt und
ihr im Zusammeuhnug mit der im ersten Abschnitt geschilderten Entwicklung
eine Bedeutung verleiht, die allgemeiner Beachtung wert ist. In ihr bekundet
sich lebendiger und greifbarer als in irgend einer andern Erscheinung das neu
erwachte freudige Bewußtsein alemannischer Eigentümlichkeit. Niemals seit
Fischarts Zeiten hat sich elsässisches Volkstum so froh und zuversichtlich hervor¬
gewagt, niemals sich die heimatliche Mundart, dein Elsässer von jeher als seine
eigentliche Muttersprache ans Herz gewachsen, litterarisch in so vielseitiger Be¬
weglichkeit bethätigt, wie gegenwärtig. Seitdem der Straßburger Fr. Wilh. Berg¬
mann schon in den ersten Jahren nach dein Kriege durch die Sammlung älterer,
zum Teil in Goethes Tage zurückreichender Franbasengesprächc die Aufmerksamkeit
weiterer Kreise auf die Bedeutung der Straßburger Mundart hingelenkt, Alphons
Pick mit "'S Jhre Manns Bündel" und August Schneider mit der Heraus¬
gabe seiner "Strosburjer Bilder" dem Bürgertum der alten Reichsstadt aufs
neue öffentlich zum Worte verholfen hat, ist hier unter der wachsenden Teil¬
nahme der Bevölkerung eine Dialektdichtung ins Leben getreten, die hauptsächlich
seit Anfang unsers Jahrzehnts an Fülle und urwüchsiger Kraft beträchtlich
überbietet, was ältere Volksdichter, wie die Stöber, Hartmann, Bernhard und
Daniel Hirtz seit dem Erscheinen von Arnolds "Pfingstmontag" geleistet haben,
und sie verzeichnet Erfolge, die damals schon die Verhältnisse unmöglich gemacht
hätten. Man vergleiche uur die witzigen Gedichtsammlungen von Kettner und
die besonders durch ihre launige Charakteristik hervorragenden Humoresken
Stoskopfs mit den "Strvßburjer Wibble" Bernhards, des ohne Frage origi¬
nellsten der Ältern, und messe den vielseitigen Beifall, den diese und nament¬
lich Stoskopf davongetragen haben, mit der bescheidnen Anerkennung, die jenem
bei seinen Lebzeiten zu teil geworden ist. Von ähnlicher Bedeutung sind für




von Paul bannen gieß er 2

is jü
ngst die Deutsche Kolvninlgesellschaft ihre Vorstaudsver-
scimmlilng in Straßburgs Maltern abhielt, hat man ihr auch
einen Einblick in das elsässische Volksleben der Gegenwart zu
bieten gesucht, indem mau ihr zu Ehren eine Svudervorstellung
des seit dem vorletzten Spätherbst hier bestehenden „Elsässischen
Theaters" veranstaltete. Die Kürze der Zeit erlaubte nur die Aufführung
eines einaktigen Schwanks; innnerhin wird auch sie schon einen Begriff von
der ursprüinilichen Lebenskraft gegeben habe», die diese Volksbühne beseelt und
ihr im Zusammeuhnug mit der im ersten Abschnitt geschilderten Entwicklung
eine Bedeutung verleiht, die allgemeiner Beachtung wert ist. In ihr bekundet
sich lebendiger und greifbarer als in irgend einer andern Erscheinung das neu
erwachte freudige Bewußtsein alemannischer Eigentümlichkeit. Niemals seit
Fischarts Zeiten hat sich elsässisches Volkstum so froh und zuversichtlich hervor¬
gewagt, niemals sich die heimatliche Mundart, dein Elsässer von jeher als seine
eigentliche Muttersprache ans Herz gewachsen, litterarisch in so vielseitiger Be¬
weglichkeit bethätigt, wie gegenwärtig. Seitdem der Straßburger Fr. Wilh. Berg¬
mann schon in den ersten Jahren nach dein Kriege durch die Sammlung älterer,
zum Teil in Goethes Tage zurückreichender Franbasengesprächc die Aufmerksamkeit
weiterer Kreise auf die Bedeutung der Straßburger Mundart hingelenkt, Alphons
Pick mit „'S Jhre Manns Bündel" und August Schneider mit der Heraus¬
gabe seiner „Strosburjer Bilder" dem Bürgertum der alten Reichsstadt aufs
neue öffentlich zum Worte verholfen hat, ist hier unter der wachsenden Teil¬
nahme der Bevölkerung eine Dialektdichtung ins Leben getreten, die hauptsächlich
seit Anfang unsers Jahrzehnts an Fülle und urwüchsiger Kraft beträchtlich
überbietet, was ältere Volksdichter, wie die Stöber, Hartmann, Bernhard und
Daniel Hirtz seit dem Erscheinen von Arnolds „Pfingstmontag" geleistet haben,
und sie verzeichnet Erfolge, die damals schon die Verhältnisse unmöglich gemacht
hätten. Man vergleiche uur die witzigen Gedichtsammlungen von Kettner und
die besonders durch ihre launige Charakteristik hervorragenden Humoresken
Stoskopfs mit den „Strvßburjer Wibble" Bernhards, des ohne Frage origi¬
nellsten der Ältern, und messe den vielseitigen Beifall, den diese und nament¬
lich Stoskopf davongetragen haben, mit der bescheidnen Anerkennung, die jenem
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[0634] [Abbildung] von Paul bannen gieß er 2 is jü ngst die Deutsche Kolvninlgesellschaft ihre Vorstaudsver- scimmlilng in Straßburgs Maltern abhielt, hat man ihr auch einen Einblick in das elsässische Volksleben der Gegenwart zu bieten gesucht, indem mau ihr zu Ehren eine Svudervorstellung des seit dem vorletzten Spätherbst hier bestehenden „Elsässischen Theaters" veranstaltete. Die Kürze der Zeit erlaubte nur die Aufführung eines einaktigen Schwanks; innnerhin wird auch sie schon einen Begriff von der ursprüinilichen Lebenskraft gegeben habe», die diese Volksbühne beseelt und ihr im Zusammeuhnug mit der im ersten Abschnitt geschilderten Entwicklung eine Bedeutung verleiht, die allgemeiner Beachtung wert ist. In ihr bekundet sich lebendiger und greifbarer als in irgend einer andern Erscheinung das neu erwachte freudige Bewußtsein alemannischer Eigentümlichkeit. Niemals seit Fischarts Zeiten hat sich elsässisches Volkstum so froh und zuversichtlich hervor¬ gewagt, niemals sich die heimatliche Mundart, dein Elsässer von jeher als seine eigentliche Muttersprache ans Herz gewachsen, litterarisch in so vielseitiger Be¬ weglichkeit bethätigt, wie gegenwärtig. Seitdem der Straßburger Fr. Wilh. Berg¬ mann schon in den ersten Jahren nach dein Kriege durch die Sammlung älterer, zum Teil in Goethes Tage zurückreichender Franbasengesprächc die Aufmerksamkeit weiterer Kreise auf die Bedeutung der Straßburger Mundart hingelenkt, Alphons Pick mit „'S Jhre Manns Bündel" und August Schneider mit der Heraus¬ gabe seiner „Strosburjer Bilder" dem Bürgertum der alten Reichsstadt aufs neue öffentlich zum Worte verholfen hat, ist hier unter der wachsenden Teil¬ nahme der Bevölkerung eine Dialektdichtung ins Leben getreten, die hauptsächlich seit Anfang unsers Jahrzehnts an Fülle und urwüchsiger Kraft beträchtlich überbietet, was ältere Volksdichter, wie die Stöber, Hartmann, Bernhard und Daniel Hirtz seit dem Erscheinen von Arnolds „Pfingstmontag" geleistet haben, und sie verzeichnet Erfolge, die damals schon die Verhältnisse unmöglich gemacht hätten. Man vergleiche uur die witzigen Gedichtsammlungen von Kettner und die besonders durch ihre launige Charakteristik hervorragenden Humoresken Stoskopfs mit den „Strvßburjer Wibble" Bernhards, des ohne Frage origi¬ nellsten der Ältern, und messe den vielseitigen Beifall, den diese und nament¬ lich Stoskopf davongetragen haben, mit der bescheidnen Anerkennung, die jenem bei seinen Lebzeiten zu teil geworden ist. Von ähnlicher Bedeutung sind für

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551/634>, abgerufen am 04.07.2024.