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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.

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der Nuss stehn. Worauf es ankommt, ist: die öffentliche Aufmerksamkeit w
uns darauf hinzulenken, in welcher Weise wir uns die Thätigkeit zu denken
haben, die sich der Ausschuß des "Kaiserlich südafrikanischen Verbands" vor¬
gesetzt hat. Sind derartige Lügengespinste auch nicht immer von besondrer
Feinheit, so wird doch mancher unbefangne Leser getäuscht, und aus deren
Anschauungen pflegt sich zu bilden, was mau öffentliche Meinung nennt.

Wir wollen daran festhalten, daß wir in Deutschland keine Eideshelfer
für englische Gewaltpolitik brauchen. Englische und deutsche Auffassung über
die Sittlichkeit des Kriegs gegen Transvaal sind dnrch eine unüberbrückbare
Kluft getrennt; am wenigsten wird und soll sie ausgefüllt werden dnrch Waffen-
erfolge^ die mit erdrückender Übermacht erfochten werden. Je heftiger die An-
strengungen siud, durch Verdrehung nud Entstellung. Heuchelei und Ausdauer
die böse Sache zu einer gerechten zu macheu. um so schärfer wahren wir unsern
Standpunkt. Das eben ist die Kraft des sittlichen Gedankens, daß er selbst
dann ungebrochen bleibt, wenn die Verteilung der irdischen Machtverhält¬
nisse ihm leider nicht zum Siege verhelfe" kaum Jeder, der wie ein braver
Deutscher noch den Glaube" an diese sittlichen Mächte bewahrt, möchte vou
ganzem Herzen wünschen, daß es möglich wäre, durch ein Machtgebot die Welt
von diesem Alp englischer Unsittlichkeit und Raubgier zu befreien. Aber wir
wissen, daß dieses Machtwort bei der Lage der Dinge von deutscher Seite
'"ehe gesprochen werden kann. Das beklagen wir tief und empfinden es und
lebhaftem Schmerz, daß die sittlichen Kräfte auch diesesmal wieder der rohen
Übermacht haben weichen müssen. Aber wir dürfen hoffen, daß es memals
gingen wird - auch uicht mit deu tückischen Mitteln der Vergiftung des
öffentlichen Urteil" -- sie auf die Dauer zum Schweigen zu bringen. Und
Wte sich früher oder später die Überzeugung bestätigen, daß Englands frevel¬
haftes Spiel an seinem eignen politischen Körper strafend heimgesucht werde"
wird, so würde hier nicht der Wunsch eines Weltverlornen deutschen Träumers,
sondern nur eine mit der ehernen Notwendigkeit geschichtlicher Entwicklung zu
^wartende Thatsache in Erfüllung gehn. Mag aber dieselbe Notwendigkeit
unsre Kräfte hindern, für das sittliche Recht offen einzutreten, so wird doch
keine Macht der Welt imstande sein, unser Rechtsgefühl zu verdunkeln und
uns durch den Erfolg zu überzeugen, daß dieser Krieg des Großgcldtnms und
der Gold- und Machtgier sittlich und gerecht sei. Auch in Zukunft werde.,
wu - unbeschadet des politischen Nutzens - nicht auf Herrn Austen. wohl
"ber auf unsern größern Landsmann hören, wenn er sagt:


Es werden noch stets die entschlossenen Völker gepriesen.
Die für Gott und Gesetz, für Eltern, Weiber und Kinder
stritten und gegen den Feind zusammenstehend erlagen.



Grenzboten I 1900 7g

der Nuss stehn. Worauf es ankommt, ist: die öffentliche Aufmerksamkeit w
uns darauf hinzulenken, in welcher Weise wir uns die Thätigkeit zu denken
haben, die sich der Ausschuß des „Kaiserlich südafrikanischen Verbands" vor¬
gesetzt hat. Sind derartige Lügengespinste auch nicht immer von besondrer
Feinheit, so wird doch mancher unbefangne Leser getäuscht, und aus deren
Anschauungen pflegt sich zu bilden, was mau öffentliche Meinung nennt.

Wir wollen daran festhalten, daß wir in Deutschland keine Eideshelfer
für englische Gewaltpolitik brauchen. Englische und deutsche Auffassung über
die Sittlichkeit des Kriegs gegen Transvaal sind dnrch eine unüberbrückbare
Kluft getrennt; am wenigsten wird und soll sie ausgefüllt werden dnrch Waffen-
erfolge^ die mit erdrückender Übermacht erfochten werden. Je heftiger die An-
strengungen siud, durch Verdrehung nud Entstellung. Heuchelei und Ausdauer
die böse Sache zu einer gerechten zu macheu. um so schärfer wahren wir unsern
Standpunkt. Das eben ist die Kraft des sittlichen Gedankens, daß er selbst
dann ungebrochen bleibt, wenn die Verteilung der irdischen Machtverhält¬
nisse ihm leider nicht zum Siege verhelfe» kaum Jeder, der wie ein braver
Deutscher noch den Glaube» an diese sittlichen Mächte bewahrt, möchte vou
ganzem Herzen wünschen, daß es möglich wäre, durch ein Machtgebot die Welt
von diesem Alp englischer Unsittlichkeit und Raubgier zu befreien. Aber wir
wissen, daß dieses Machtwort bei der Lage der Dinge von deutscher Seite
'"ehe gesprochen werden kann. Das beklagen wir tief und empfinden es und
lebhaftem Schmerz, daß die sittlichen Kräfte auch diesesmal wieder der rohen
Übermacht haben weichen müssen. Aber wir dürfen hoffen, daß es memals
gingen wird - auch uicht mit deu tückischen Mitteln der Vergiftung des
öffentlichen Urteil« — sie auf die Dauer zum Schweigen zu bringen. Und
Wte sich früher oder später die Überzeugung bestätigen, daß Englands frevel¬
haftes Spiel an seinem eignen politischen Körper strafend heimgesucht werde»
wird, so würde hier nicht der Wunsch eines Weltverlornen deutschen Träumers,
sondern nur eine mit der ehernen Notwendigkeit geschichtlicher Entwicklung zu
^wartende Thatsache in Erfüllung gehn. Mag aber dieselbe Notwendigkeit
unsre Kräfte hindern, für das sittliche Recht offen einzutreten, so wird doch
keine Macht der Welt imstande sein, unser Rechtsgefühl zu verdunkeln und
uns durch den Erfolg zu überzeugen, daß dieser Krieg des Großgcldtnms und
der Gold- und Machtgier sittlich und gerecht sei. Auch in Zukunft werde.,
wu - unbeschadet des politischen Nutzens - nicht auf Herrn Austen. wohl
«ber auf unsern größern Landsmann hören, wenn er sagt:


Es werden noch stets die entschlossenen Völker gepriesen.
Die für Gott und Gesetz, für Eltern, Weiber und Kinder
stritten und gegen den Feind zusammenstehend erlagen.



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[0633] der Nuss stehn. Worauf es ankommt, ist: die öffentliche Aufmerksamkeit w uns darauf hinzulenken, in welcher Weise wir uns die Thätigkeit zu denken haben, die sich der Ausschuß des „Kaiserlich südafrikanischen Verbands" vor¬ gesetzt hat. Sind derartige Lügengespinste auch nicht immer von besondrer Feinheit, so wird doch mancher unbefangne Leser getäuscht, und aus deren Anschauungen pflegt sich zu bilden, was mau öffentliche Meinung nennt. Wir wollen daran festhalten, daß wir in Deutschland keine Eideshelfer für englische Gewaltpolitik brauchen. Englische und deutsche Auffassung über die Sittlichkeit des Kriegs gegen Transvaal sind dnrch eine unüberbrückbare Kluft getrennt; am wenigsten wird und soll sie ausgefüllt werden dnrch Waffen- erfolge^ die mit erdrückender Übermacht erfochten werden. Je heftiger die An- strengungen siud, durch Verdrehung nud Entstellung. Heuchelei und Ausdauer die böse Sache zu einer gerechten zu macheu. um so schärfer wahren wir unsern Standpunkt. Das eben ist die Kraft des sittlichen Gedankens, daß er selbst dann ungebrochen bleibt, wenn die Verteilung der irdischen Machtverhält¬ nisse ihm leider nicht zum Siege verhelfe» kaum Jeder, der wie ein braver Deutscher noch den Glaube» an diese sittlichen Mächte bewahrt, möchte vou ganzem Herzen wünschen, daß es möglich wäre, durch ein Machtgebot die Welt von diesem Alp englischer Unsittlichkeit und Raubgier zu befreien. Aber wir wissen, daß dieses Machtwort bei der Lage der Dinge von deutscher Seite '"ehe gesprochen werden kann. Das beklagen wir tief und empfinden es und lebhaftem Schmerz, daß die sittlichen Kräfte auch diesesmal wieder der rohen Übermacht haben weichen müssen. Aber wir dürfen hoffen, daß es memals gingen wird - auch uicht mit deu tückischen Mitteln der Vergiftung des öffentlichen Urteil« — sie auf die Dauer zum Schweigen zu bringen. Und Wte sich früher oder später die Überzeugung bestätigen, daß Englands frevel¬ haftes Spiel an seinem eignen politischen Körper strafend heimgesucht werde» wird, so würde hier nicht der Wunsch eines Weltverlornen deutschen Träumers, sondern nur eine mit der ehernen Notwendigkeit geschichtlicher Entwicklung zu ^wartende Thatsache in Erfüllung gehn. Mag aber dieselbe Notwendigkeit unsre Kräfte hindern, für das sittliche Recht offen einzutreten, so wird doch keine Macht der Welt imstande sein, unser Rechtsgefühl zu verdunkeln und uns durch den Erfolg zu überzeugen, daß dieser Krieg des Großgcldtnms und der Gold- und Machtgier sittlich und gerecht sei. Auch in Zukunft werde., wu - unbeschadet des politischen Nutzens - nicht auf Herrn Austen. wohl «ber auf unsern größern Landsmann hören, wenn er sagt: Es werden noch stets die entschlossenen Völker gepriesen. Die für Gott und Gesetz, für Eltern, Weiber und Kinder stritten und gegen den Feind zusammenstehend erlagen. Grenzboten I 1900 7g

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551/633>, abgerufen am 04.07.2024.