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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Uiuuaßgebliches

Also, was ich sagen wollte, später, als ich nicht mehr auf dem Kasten war, fragte
mich ein alter Freund: Können Sie Französisch? Ich habe damals wahrscheinlich
ein ebenso dummes Gesicht gemacht, wie Sie vorhin --

-- Danke, sagte ich --

-- Keine Ursache! antwortete er -- und ja und nein gestottert. "Nun, sagte
mein alter Freund, lernen müssen Sie es. Nehmen Sie sich einmal den Gil Blas,
und lesen Sie ihn durch. Aber ganz, mit dem Wörterbuch. Wenn Sie fertig
sind, können Sie Französisch." -- Ich habe es durchgesetzt, in der freien Stunde,
die ich damals mittags hatte. Es war nicht schön im Anfang. Zehn Seiten in
der Woche. Aber zuletzt habe ich kein Wörterbuch mehr gebraucht. Und dann
habe ich Chateaubriand gelesen, und dann Voltaire, erst die Novellen, und Racine,
und Corneille, und Moliere, und was weiß ich. In ich habe die französischen Klassiker
gelesen, mit durstiger Seele, weil ich dachte, ich würde was darin finden. Ich fand
aber natürlich nichts darin -- eine deutsche Jungennatur braucht eine andre Luft,
wenn sie Erquickung atmen soll. Ich weiß es noch genan, wie ich mich gequält habe,
dieses rollende Pathos erhaben zu finden; für die Grazie des Alexandriners hatte
man ja noch keine Empfindung. Überhaupt! Erst als ich an moderne realistische
Novellen kam -- was man damals realistisch nennen konnte --, George Sands
Bnuerngeschichtcn, Erckmnnn-Chatrian, About und dergleichen -- lüderliche Sache"
waren mir zuwider, und Victor Hugo war mir ungenießbar --, da habe ich mit
wirklichem Vergnügen Französisches gelesen, und als ich viel las -- konnte ich auch
französisch schreiben. Ganz leicht! Ich habe es gar nicht gelernt -- es ist überhaupt
Unsinn, eine moderne Sprache "lernen" zu wollen; die eignet man sich an. Zum
Gebrauch und durch den Gebrauch.

Lieber Freund, sagte ich, ich folge Ihrem Bericht mit dem größten Interesse
und finde Ihre letzte Bemerkung nicht übel, aber ich bitte Sie, rasen Sie nicht so;
ich setze mich wieder einem Asthmaanfall aus, und Sie können sich, wenn Sie so
rennen und fortwährend reden bei der scharfen Luft, den schönsten Lungenspitzen¬
katarrh holen.

Er mäßigte seine Schritte und fuhr fort: Und das ist es ja, worauf ich kommen
will. Nun bin ich ein Mann in meinen besten Jahren, wie man zu sagen Pflegt,
das heißt, ich bin nahe daran, ein alter Kraals zu sein. Wo liegt meine Schulzeit!
Ich sehe sie nur noch in unbestimmten Umrissen, Wie in einem Nebel, so fern ist
sie -- aber Französisch lernt man auf dem Gymnasium noch gerade so wie zu unsrer
Zeit. Mau "lernt" es! Mau "lernt" es infolge der Überbürdungsfrage noch viel
heftiger. Denn seit alle Fächer außer der gesunden Vernunft und dem Turnen,
Zeichnen und Singen -- vier Dingen, die für den Deutschen natürlich unnütz sind --
Hauptfächer geworden sind nach den von weisen Behörden entworfnen Lehrplänen,
ist natürlich auch das Französische Hauptfach mit blauen Briefen und Durchfall-
befngnis geworden. Und von Quarta an lernen sie nun Französisch -- wieviel
Jahre? Eins, zwei, drei -- sieben Jahre lang immer noch! Immer noch wie
früher, rein formal, mit heißem Bemühn und dem Gefühl nichtswürdige Sünder
zu sein, ohne vom Fleck zu kommen. Sieben Jahre eine Sache, die sich ein normaler
Mensch und nicht einmal Oberkellner in einem Jahre hinter der Schule ohne
Anstrengung aneignen kann, und von der sie nach den sieben Jahren fast nichts
haben! Man rede doch jemand aus unsern gelehrten Berufen französisch an. Einen
Juristen oder einen Mediziner! Und frage ihn, mit welchen französischen Autoren
er sich beschäftige. Oder nach seiner französischen Fachlitteratur. Nichts haben sie
gelernt als Todesangst vor französischen Formfehlern, deren sich der Franzose mit
Gemütsruhe bedient, weil er ein Franzose ist und nicht bei allein seinen Larousfe
erst nachzusehen Lust hat, wie ich meinen Duden, wenn es mich quält, daß ich
unsicher bin, ob man programmmäßig mit drei in und Schiffahrt mit zwei f oder


Maßgebliches und Uiuuaßgebliches

Also, was ich sagen wollte, später, als ich nicht mehr auf dem Kasten war, fragte
mich ein alter Freund: Können Sie Französisch? Ich habe damals wahrscheinlich
ein ebenso dummes Gesicht gemacht, wie Sie vorhin —

— Danke, sagte ich —

— Keine Ursache! antwortete er — und ja und nein gestottert. „Nun, sagte
mein alter Freund, lernen müssen Sie es. Nehmen Sie sich einmal den Gil Blas,
und lesen Sie ihn durch. Aber ganz, mit dem Wörterbuch. Wenn Sie fertig
sind, können Sie Französisch." — Ich habe es durchgesetzt, in der freien Stunde,
die ich damals mittags hatte. Es war nicht schön im Anfang. Zehn Seiten in
der Woche. Aber zuletzt habe ich kein Wörterbuch mehr gebraucht. Und dann
habe ich Chateaubriand gelesen, und dann Voltaire, erst die Novellen, und Racine,
und Corneille, und Moliere, und was weiß ich. In ich habe die französischen Klassiker
gelesen, mit durstiger Seele, weil ich dachte, ich würde was darin finden. Ich fand
aber natürlich nichts darin — eine deutsche Jungennatur braucht eine andre Luft,
wenn sie Erquickung atmen soll. Ich weiß es noch genan, wie ich mich gequält habe,
dieses rollende Pathos erhaben zu finden; für die Grazie des Alexandriners hatte
man ja noch keine Empfindung. Überhaupt! Erst als ich an moderne realistische
Novellen kam — was man damals realistisch nennen konnte —, George Sands
Bnuerngeschichtcn, Erckmnnn-Chatrian, About und dergleichen — lüderliche Sache»
waren mir zuwider, und Victor Hugo war mir ungenießbar —, da habe ich mit
wirklichem Vergnügen Französisches gelesen, und als ich viel las — konnte ich auch
französisch schreiben. Ganz leicht! Ich habe es gar nicht gelernt — es ist überhaupt
Unsinn, eine moderne Sprache „lernen" zu wollen; die eignet man sich an. Zum
Gebrauch und durch den Gebrauch.

Lieber Freund, sagte ich, ich folge Ihrem Bericht mit dem größten Interesse
und finde Ihre letzte Bemerkung nicht übel, aber ich bitte Sie, rasen Sie nicht so;
ich setze mich wieder einem Asthmaanfall aus, und Sie können sich, wenn Sie so
rennen und fortwährend reden bei der scharfen Luft, den schönsten Lungenspitzen¬
katarrh holen.

Er mäßigte seine Schritte und fuhr fort: Und das ist es ja, worauf ich kommen
will. Nun bin ich ein Mann in meinen besten Jahren, wie man zu sagen Pflegt,
das heißt, ich bin nahe daran, ein alter Kraals zu sein. Wo liegt meine Schulzeit!
Ich sehe sie nur noch in unbestimmten Umrissen, Wie in einem Nebel, so fern ist
sie — aber Französisch lernt man auf dem Gymnasium noch gerade so wie zu unsrer
Zeit. Mau „lernt" es! Mau „lernt" es infolge der Überbürdungsfrage noch viel
heftiger. Denn seit alle Fächer außer der gesunden Vernunft und dem Turnen,
Zeichnen und Singen — vier Dingen, die für den Deutschen natürlich unnütz sind —
Hauptfächer geworden sind nach den von weisen Behörden entworfnen Lehrplänen,
ist natürlich auch das Französische Hauptfach mit blauen Briefen und Durchfall-
befngnis geworden. Und von Quarta an lernen sie nun Französisch — wieviel
Jahre? Eins, zwei, drei — sieben Jahre lang immer noch! Immer noch wie
früher, rein formal, mit heißem Bemühn und dem Gefühl nichtswürdige Sünder
zu sein, ohne vom Fleck zu kommen. Sieben Jahre eine Sache, die sich ein normaler
Mensch und nicht einmal Oberkellner in einem Jahre hinter der Schule ohne
Anstrengung aneignen kann, und von der sie nach den sieben Jahren fast nichts
haben! Man rede doch jemand aus unsern gelehrten Berufen französisch an. Einen
Juristen oder einen Mediziner! Und frage ihn, mit welchen französischen Autoren
er sich beschäftige. Oder nach seiner französischen Fachlitteratur. Nichts haben sie
gelernt als Todesangst vor französischen Formfehlern, deren sich der Franzose mit
Gemütsruhe bedient, weil er ein Franzose ist und nicht bei allein seinen Larousfe
erst nachzusehen Lust hat, wie ich meinen Duden, wenn es mich quält, daß ich
unsicher bin, ob man programmmäßig mit drei in und Schiffahrt mit zwei f oder


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[0054] Maßgebliches und Uiuuaßgebliches Also, was ich sagen wollte, später, als ich nicht mehr auf dem Kasten war, fragte mich ein alter Freund: Können Sie Französisch? Ich habe damals wahrscheinlich ein ebenso dummes Gesicht gemacht, wie Sie vorhin — — Danke, sagte ich — — Keine Ursache! antwortete er — und ja und nein gestottert. „Nun, sagte mein alter Freund, lernen müssen Sie es. Nehmen Sie sich einmal den Gil Blas, und lesen Sie ihn durch. Aber ganz, mit dem Wörterbuch. Wenn Sie fertig sind, können Sie Französisch." — Ich habe es durchgesetzt, in der freien Stunde, die ich damals mittags hatte. Es war nicht schön im Anfang. Zehn Seiten in der Woche. Aber zuletzt habe ich kein Wörterbuch mehr gebraucht. Und dann habe ich Chateaubriand gelesen, und dann Voltaire, erst die Novellen, und Racine, und Corneille, und Moliere, und was weiß ich. In ich habe die französischen Klassiker gelesen, mit durstiger Seele, weil ich dachte, ich würde was darin finden. Ich fand aber natürlich nichts darin — eine deutsche Jungennatur braucht eine andre Luft, wenn sie Erquickung atmen soll. Ich weiß es noch genan, wie ich mich gequält habe, dieses rollende Pathos erhaben zu finden; für die Grazie des Alexandriners hatte man ja noch keine Empfindung. Überhaupt! Erst als ich an moderne realistische Novellen kam — was man damals realistisch nennen konnte —, George Sands Bnuerngeschichtcn, Erckmnnn-Chatrian, About und dergleichen — lüderliche Sache» waren mir zuwider, und Victor Hugo war mir ungenießbar —, da habe ich mit wirklichem Vergnügen Französisches gelesen, und als ich viel las — konnte ich auch französisch schreiben. Ganz leicht! Ich habe es gar nicht gelernt — es ist überhaupt Unsinn, eine moderne Sprache „lernen" zu wollen; die eignet man sich an. Zum Gebrauch und durch den Gebrauch. Lieber Freund, sagte ich, ich folge Ihrem Bericht mit dem größten Interesse und finde Ihre letzte Bemerkung nicht übel, aber ich bitte Sie, rasen Sie nicht so; ich setze mich wieder einem Asthmaanfall aus, und Sie können sich, wenn Sie so rennen und fortwährend reden bei der scharfen Luft, den schönsten Lungenspitzen¬ katarrh holen. Er mäßigte seine Schritte und fuhr fort: Und das ist es ja, worauf ich kommen will. Nun bin ich ein Mann in meinen besten Jahren, wie man zu sagen Pflegt, das heißt, ich bin nahe daran, ein alter Kraals zu sein. Wo liegt meine Schulzeit! Ich sehe sie nur noch in unbestimmten Umrissen, Wie in einem Nebel, so fern ist sie — aber Französisch lernt man auf dem Gymnasium noch gerade so wie zu unsrer Zeit. Mau „lernt" es! Mau „lernt" es infolge der Überbürdungsfrage noch viel heftiger. Denn seit alle Fächer außer der gesunden Vernunft und dem Turnen, Zeichnen und Singen — vier Dingen, die für den Deutschen natürlich unnütz sind — Hauptfächer geworden sind nach den von weisen Behörden entworfnen Lehrplänen, ist natürlich auch das Französische Hauptfach mit blauen Briefen und Durchfall- befngnis geworden. Und von Quarta an lernen sie nun Französisch — wieviel Jahre? Eins, zwei, drei — sieben Jahre lang immer noch! Immer noch wie früher, rein formal, mit heißem Bemühn und dem Gefühl nichtswürdige Sünder zu sein, ohne vom Fleck zu kommen. Sieben Jahre eine Sache, die sich ein normaler Mensch und nicht einmal Oberkellner in einem Jahre hinter der Schule ohne Anstrengung aneignen kann, und von der sie nach den sieben Jahren fast nichts haben! Man rede doch jemand aus unsern gelehrten Berufen französisch an. Einen Juristen oder einen Mediziner! Und frage ihn, mit welchen französischen Autoren er sich beschäftige. Oder nach seiner französischen Fachlitteratur. Nichts haben sie gelernt als Todesangst vor französischen Formfehlern, deren sich der Franzose mit Gemütsruhe bedient, weil er ein Franzose ist und nicht bei allein seinen Larousfe erst nachzusehen Lust hat, wie ich meinen Duden, wenn es mich quält, daß ich unsicher bin, ob man programmmäßig mit drei in und Schiffahrt mit zwei f oder

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551/54>, abgerufen am 02.07.2024.