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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.

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Ein Dorschlag zur Regelung des Apothekenwesens
in Deutschland

le reichs
gesetzliche Regelung des Apothekenwesens schien im ver¬
gangnen Jahre, wie ans verschiednen Zeitungsberichten zu er¬
sehen war, wieder in Fluß zu kommen. Da hieß es einmal, sie
sei seit läugrer Zeit Gegenstand von Verhandlungen zwischen den
Bundesregierungen; ein andresmal beschäftigte sich der Vorstand
des deutsche" Apothekervereins mit der Reform des Apothekenwesens. Dann
klagt die Sachverständigeukonuuissiou darüber, daß durch das fortwährende
Reglementieren das Apvthekergewerbe in seiner Lebensthätigkeit unterbunden
werde, und verlangt eine Revision der Verordnung über den Verkehr mit Arznei¬
mitteln vom 27. Januar 1890. Gegen den Beschluß des preußischen Apotheker¬
rats zeigt, sich die preußische Regierung nicht geneigt, das Matnritütsexamen
und ein sechssemestriges Studium für die Apotheker bei der Reichsregierung
Zu befürworten; es soll sogar künftig die Stelle des pharmazeutischen Assessors
"ut der Aufhebung der Provinzial-Medizinalkollegien wegfallen, ohne daß dafür
Mie andre Vertretung der pharmazeutischen Interessen durch einen Fachmann
eingeführt wird. Schließlich heißt es: Infolge der großen Schwierigkeiten, anf
die die Umgestaltung des Apotheteunieseus in Preußen stoßt, haben die Ver¬
handlungen nicht zum Abschluß gebracht werden können. Der Stand der
Arbeiten an der einheitlichen Regelung ist gegenwärtig noch ebenso, wie zu
Beginn des vorige" Jahres.

Fragen wir uns nun einmal, wer hat denn das hauptsächlichste Interesse
dieser Regelung der jahrhundertealten Verhältnisse? Wer wünscht die Ab¬
lösung? Wer verlangt das freie Niederlassungsrecht? Das Publikum steht
diesen Fragen ziemlich gleichgiltig gegenüber; es wundert sich höchstens, wie
^' möglich ist, daß für eine Apotheke oft Uusummeu bezahlt werden. Die
Privilegiernng oder Konzession hält es im allgemeinen für selbstverständlich,
uwem es davon ausgeht, daß nicht jeder Rezepte machen dürfe, sondern nur
d'e vom Staate hierzu angestellten Apotheker. Über teure Apothekerrechnungen
^ird wohl hin und wieder räsonniert, weil es nur wenigen bekannt ist, daß
^e Preise für die Arzneimittel in andern Ländern ganz bedeutend höher siud
"is in Deutschland. Die hohen Rabattsätze, die die Apotheker oft gezwungen
^ud, öffentlichen Krankenkasse" und Instituten zu gewähren, tragen nicht
unwesentlich zu diesem Glauben bei; vielfach haben auch die Ärzte darm,
Mild, indem sie Patienten an Drogneu- und sogenannte Apothekerwarenhand-




Ein Dorschlag zur Regelung des Apothekenwesens
in Deutschland

le reichs
gesetzliche Regelung des Apothekenwesens schien im ver¬
gangnen Jahre, wie ans verschiednen Zeitungsberichten zu er¬
sehen war, wieder in Fluß zu kommen. Da hieß es einmal, sie
sei seit läugrer Zeit Gegenstand von Verhandlungen zwischen den
Bundesregierungen; ein andresmal beschäftigte sich der Vorstand
des deutsche« Apothekervereins mit der Reform des Apothekenwesens. Dann
klagt die Sachverständigeukonuuissiou darüber, daß durch das fortwährende
Reglementieren das Apvthekergewerbe in seiner Lebensthätigkeit unterbunden
werde, und verlangt eine Revision der Verordnung über den Verkehr mit Arznei¬
mitteln vom 27. Januar 1890. Gegen den Beschluß des preußischen Apotheker¬
rats zeigt, sich die preußische Regierung nicht geneigt, das Matnritütsexamen
und ein sechssemestriges Studium für die Apotheker bei der Reichsregierung
Zu befürworten; es soll sogar künftig die Stelle des pharmazeutischen Assessors
»ut der Aufhebung der Provinzial-Medizinalkollegien wegfallen, ohne daß dafür
Mie andre Vertretung der pharmazeutischen Interessen durch einen Fachmann
eingeführt wird. Schließlich heißt es: Infolge der großen Schwierigkeiten, anf
die die Umgestaltung des Apotheteunieseus in Preußen stoßt, haben die Ver¬
handlungen nicht zum Abschluß gebracht werden können. Der Stand der
Arbeiten an der einheitlichen Regelung ist gegenwärtig noch ebenso, wie zu
Beginn des vorige» Jahres.

Fragen wir uns nun einmal, wer hat denn das hauptsächlichste Interesse
dieser Regelung der jahrhundertealten Verhältnisse? Wer wünscht die Ab¬
lösung? Wer verlangt das freie Niederlassungsrecht? Das Publikum steht
diesen Fragen ziemlich gleichgiltig gegenüber; es wundert sich höchstens, wie
^' möglich ist, daß für eine Apotheke oft Uusummeu bezahlt werden. Die
Privilegiernng oder Konzession hält es im allgemeinen für selbstverständlich,
uwem es davon ausgeht, daß nicht jeder Rezepte machen dürfe, sondern nur
d'e vom Staate hierzu angestellten Apotheker. Über teure Apothekerrechnungen
^ird wohl hin und wieder räsonniert, weil es nur wenigen bekannt ist, daß
^e Preise für die Arzneimittel in andern Ländern ganz bedeutend höher siud
"is in Deutschland. Die hohen Rabattsätze, die die Apotheker oft gezwungen
^ud, öffentlichen Krankenkasse« und Instituten zu gewähren, tragen nicht
unwesentlich zu diesem Glauben bei; vielfach haben auch die Ärzte darm,
Mild, indem sie Patienten an Drogneu- und sogenannte Apothekerwarenhand-


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[0447] [Abbildung] Ein Dorschlag zur Regelung des Apothekenwesens in Deutschland le reichs gesetzliche Regelung des Apothekenwesens schien im ver¬ gangnen Jahre, wie ans verschiednen Zeitungsberichten zu er¬ sehen war, wieder in Fluß zu kommen. Da hieß es einmal, sie sei seit läugrer Zeit Gegenstand von Verhandlungen zwischen den Bundesregierungen; ein andresmal beschäftigte sich der Vorstand des deutsche« Apothekervereins mit der Reform des Apothekenwesens. Dann klagt die Sachverständigeukonuuissiou darüber, daß durch das fortwährende Reglementieren das Apvthekergewerbe in seiner Lebensthätigkeit unterbunden werde, und verlangt eine Revision der Verordnung über den Verkehr mit Arznei¬ mitteln vom 27. Januar 1890. Gegen den Beschluß des preußischen Apotheker¬ rats zeigt, sich die preußische Regierung nicht geneigt, das Matnritütsexamen und ein sechssemestriges Studium für die Apotheker bei der Reichsregierung Zu befürworten; es soll sogar künftig die Stelle des pharmazeutischen Assessors »ut der Aufhebung der Provinzial-Medizinalkollegien wegfallen, ohne daß dafür Mie andre Vertretung der pharmazeutischen Interessen durch einen Fachmann eingeführt wird. Schließlich heißt es: Infolge der großen Schwierigkeiten, anf die die Umgestaltung des Apotheteunieseus in Preußen stoßt, haben die Ver¬ handlungen nicht zum Abschluß gebracht werden können. Der Stand der Arbeiten an der einheitlichen Regelung ist gegenwärtig noch ebenso, wie zu Beginn des vorige» Jahres. Fragen wir uns nun einmal, wer hat denn das hauptsächlichste Interesse dieser Regelung der jahrhundertealten Verhältnisse? Wer wünscht die Ab¬ lösung? Wer verlangt das freie Niederlassungsrecht? Das Publikum steht diesen Fragen ziemlich gleichgiltig gegenüber; es wundert sich höchstens, wie ^' möglich ist, daß für eine Apotheke oft Uusummeu bezahlt werden. Die Privilegiernng oder Konzession hält es im allgemeinen für selbstverständlich, uwem es davon ausgeht, daß nicht jeder Rezepte machen dürfe, sondern nur d'e vom Staate hierzu angestellten Apotheker. Über teure Apothekerrechnungen ^ird wohl hin und wieder räsonniert, weil es nur wenigen bekannt ist, daß ^e Preise für die Arzneimittel in andern Ländern ganz bedeutend höher siud "is in Deutschland. Die hohen Rabattsätze, die die Apotheker oft gezwungen ^ud, öffentlichen Krankenkasse« und Instituten zu gewähren, tragen nicht unwesentlich zu diesem Glauben bei; vielfach haben auch die Ärzte darm, Mild, indem sie Patienten an Drogneu- und sogenannte Apothekerwarenhand-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551/447>, abgerufen am 04.07.2024.