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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.

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maßgebliches und Unuiaßgebliches

liebe ich zu, daß mir die unverwüstliche Genußfähigkeit der Jugend verloren gegangen
ist. Wenigstens der Musik gegenüber. Während ich früher kein Konzert hätte Ver¬
säumen können, das im Tageblatt angekündigt wurde, laßt es mich jetzt völlig kalt,
wo sie geigen und blasen. Mir genügt vollständig, was niir bei meiner Schwester
das junge Volk an seinen Musikabenden vordndelt; es ist so diskret, das von
Schumann und Brahms, was ich nicht vertragen kann, zu spielen und zu singen,
ehe ich komme, und wenn es nur dann meine alten lieben Sachen vorspielt, so
kann ich mir die Orchesterstimmen dazu denken. Übrigens habe ich die Erfahrung
öfter gemacht bei ältern Leuten, sogar bei Musikern von Fach, daß sie sich mit
zunehmendem Alter von der ausübenden Musik immer mehr abschlossen. Man wird
fertig rin ihr, wenigstens mit dem Konzert- und Opernwesen -- gerade denen
geht es so, die wirklich und innerlich in der Musik leben oder gelebt haben. Womit
mag das zusammenhängen? Ich habe oft darüber nachgedacht. Es kann nicht der
Verdruß über wechselnde Liebhabereien und Moden allein sein, es muß in dem
Wesen der Kunst selbst liegen. Und ich glaube, daß der Grund darin zu suchen
ist, daß die Musik recht eigentlich die Kunst des schwärmerischen Empfindens ist,
das mehr dem Geistesleben der Jugend entspricht als dem des gereiften Alters.
Dieses will klaren Gedankenausdruck, klare und feste Formen für seine Anschauung,
und die kann die Musik mit den Mitteln, die ihr zu Gebote stehn, nicht geben.
Freilich kann die Musik auch grobsinnlich wirken, und sie hat Formen von so großer
Derbheit und Einfachheit wie irgend eine andre Kunst. Aber damit wird sie dann
doch auch nnr zum Stimulans derber Stimmungen und eben nur von Stimmungen!
Über diese kommt sie aber nicht hinaus. Auch wo sie die höchsten Töne anschlägt,
wenn sie frei ist vou Wort und Handlung, denen sie begleitend, schmückend und aus¬
malend zu dienen hat, in der reinen Instrumentalmusik, gerade dann ist ihr höchster
Ausdruck der der Sehnsucht -- ja, des Sehnens nach Ausdruck! Das klingt paradox,
aber es ist so. Sie ringt dann, das auszusprechen, was die Seele bewegt, und so
wunderbar ihre Sprache ist, es fehlt ihr das Wort! Erst dieses vermag die Ge¬
danken klar zu vermitteln, und in der Dichtkunst ihnen den vollendetsten Ausdruck
zu verleihen. Aber eines kann auch das Wort nicht -- wobei die Musik, wenn
sie es versucht, von vornherein scheitert --, es vermag nicht völlig plastisch zu schildern.
Weder die zartesten Regungen der Seele vermag es auszudrücken, noch den vollen
Eindruck der Form hervorzurufen. Entweder es schweift hinaus auf das unbe¬
stimmte Gebiet der Töne, die nnr Gefühle stammeln können, oder es quält sich ver¬
geblich ab, die Wahrheit zu spiegeln, den Abglanz der Wirklichkeit hervorzuzaubern,
den nur die bildenden Künste geben können.

Ich bitte um Entschuldigung, sagte ich, ihn unterbrechend; mir kommt es vor,
als wollten Sie die Berechtigung von vier Sinnen leugnen, um einem allein das
Erstgcburtsrecht zuzusprechen. Man könnte ebensogut eiuen umgekehrten Gedanken¬
gang gehen: Weil die bildende Kunst nicht imstande ist, das Höchste auszudrücken,
muß die Dichtkunst herbei, um ihr Worte zu verleihen, und da sie nicht vermag,
das Innerlichste des Seelenlebens darzustellen, tritt die Musik hinzu und schüttelt
die Seele vollends aus.

Er ging eine Weile mit znsammengezognen Brauen neben mir her. Nein,
sagte er plötzlich; ich könnte Ihnen höchstens zugeben, daß keinem wirklich harmonisch
gebildeten Menschen die Herrschaft über alle fünf Sinne erlassen sein kann. Ein
Mensch, der nicht für Dichtkunst, Musik und bildende Künste gleich empfänglich ist
und kein selbständiges Urteil in diesen Dingen hat, ist überhaupt, ich möchte sagen,
kein vollständiger Mensch, und wenn er im übrigen Minister des Äußern oder des
Immer" oder der Finanzen ist. Denn das ist Prämisse: nicht die Beherrschung
Praktischer Gegenstände macht den Menschen zum Menschen -- es macht ihn nur
zum mehr oder minder praktischen Manne; sondern sein Verhältnis zum höchsten


maßgebliches und Unuiaßgebliches

liebe ich zu, daß mir die unverwüstliche Genußfähigkeit der Jugend verloren gegangen
ist. Wenigstens der Musik gegenüber. Während ich früher kein Konzert hätte Ver¬
säumen können, das im Tageblatt angekündigt wurde, laßt es mich jetzt völlig kalt,
wo sie geigen und blasen. Mir genügt vollständig, was niir bei meiner Schwester
das junge Volk an seinen Musikabenden vordndelt; es ist so diskret, das von
Schumann und Brahms, was ich nicht vertragen kann, zu spielen und zu singen,
ehe ich komme, und wenn es nur dann meine alten lieben Sachen vorspielt, so
kann ich mir die Orchesterstimmen dazu denken. Übrigens habe ich die Erfahrung
öfter gemacht bei ältern Leuten, sogar bei Musikern von Fach, daß sie sich mit
zunehmendem Alter von der ausübenden Musik immer mehr abschlossen. Man wird
fertig rin ihr, wenigstens mit dem Konzert- und Opernwesen — gerade denen
geht es so, die wirklich und innerlich in der Musik leben oder gelebt haben. Womit
mag das zusammenhängen? Ich habe oft darüber nachgedacht. Es kann nicht der
Verdruß über wechselnde Liebhabereien und Moden allein sein, es muß in dem
Wesen der Kunst selbst liegen. Und ich glaube, daß der Grund darin zu suchen
ist, daß die Musik recht eigentlich die Kunst des schwärmerischen Empfindens ist,
das mehr dem Geistesleben der Jugend entspricht als dem des gereiften Alters.
Dieses will klaren Gedankenausdruck, klare und feste Formen für seine Anschauung,
und die kann die Musik mit den Mitteln, die ihr zu Gebote stehn, nicht geben.
Freilich kann die Musik auch grobsinnlich wirken, und sie hat Formen von so großer
Derbheit und Einfachheit wie irgend eine andre Kunst. Aber damit wird sie dann
doch auch nnr zum Stimulans derber Stimmungen und eben nur von Stimmungen!
Über diese kommt sie aber nicht hinaus. Auch wo sie die höchsten Töne anschlägt,
wenn sie frei ist vou Wort und Handlung, denen sie begleitend, schmückend und aus¬
malend zu dienen hat, in der reinen Instrumentalmusik, gerade dann ist ihr höchster
Ausdruck der der Sehnsucht — ja, des Sehnens nach Ausdruck! Das klingt paradox,
aber es ist so. Sie ringt dann, das auszusprechen, was die Seele bewegt, und so
wunderbar ihre Sprache ist, es fehlt ihr das Wort! Erst dieses vermag die Ge¬
danken klar zu vermitteln, und in der Dichtkunst ihnen den vollendetsten Ausdruck
zu verleihen. Aber eines kann auch das Wort nicht — wobei die Musik, wenn
sie es versucht, von vornherein scheitert —, es vermag nicht völlig plastisch zu schildern.
Weder die zartesten Regungen der Seele vermag es auszudrücken, noch den vollen
Eindruck der Form hervorzurufen. Entweder es schweift hinaus auf das unbe¬
stimmte Gebiet der Töne, die nnr Gefühle stammeln können, oder es quält sich ver¬
geblich ab, die Wahrheit zu spiegeln, den Abglanz der Wirklichkeit hervorzuzaubern,
den nur die bildenden Künste geben können.

Ich bitte um Entschuldigung, sagte ich, ihn unterbrechend; mir kommt es vor,
als wollten Sie die Berechtigung von vier Sinnen leugnen, um einem allein das
Erstgcburtsrecht zuzusprechen. Man könnte ebensogut eiuen umgekehrten Gedanken¬
gang gehen: Weil die bildende Kunst nicht imstande ist, das Höchste auszudrücken,
muß die Dichtkunst herbei, um ihr Worte zu verleihen, und da sie nicht vermag,
das Innerlichste des Seelenlebens darzustellen, tritt die Musik hinzu und schüttelt
die Seele vollends aus.

Er ging eine Weile mit znsammengezognen Brauen neben mir her. Nein,
sagte er plötzlich; ich könnte Ihnen höchstens zugeben, daß keinem wirklich harmonisch
gebildeten Menschen die Herrschaft über alle fünf Sinne erlassen sein kann. Ein
Mensch, der nicht für Dichtkunst, Musik und bildende Künste gleich empfänglich ist
und kein selbständiges Urteil in diesen Dingen hat, ist überhaupt, ich möchte sagen,
kein vollständiger Mensch, und wenn er im übrigen Minister des Äußern oder des
Immer» oder der Finanzen ist. Denn das ist Prämisse: nicht die Beherrschung
Praktischer Gegenstände macht den Menschen zum Menschen — es macht ihn nur
zum mehr oder minder praktischen Manne; sondern sein Verhältnis zum höchsten


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[0422] maßgebliches und Unuiaßgebliches liebe ich zu, daß mir die unverwüstliche Genußfähigkeit der Jugend verloren gegangen ist. Wenigstens der Musik gegenüber. Während ich früher kein Konzert hätte Ver¬ säumen können, das im Tageblatt angekündigt wurde, laßt es mich jetzt völlig kalt, wo sie geigen und blasen. Mir genügt vollständig, was niir bei meiner Schwester das junge Volk an seinen Musikabenden vordndelt; es ist so diskret, das von Schumann und Brahms, was ich nicht vertragen kann, zu spielen und zu singen, ehe ich komme, und wenn es nur dann meine alten lieben Sachen vorspielt, so kann ich mir die Orchesterstimmen dazu denken. Übrigens habe ich die Erfahrung öfter gemacht bei ältern Leuten, sogar bei Musikern von Fach, daß sie sich mit zunehmendem Alter von der ausübenden Musik immer mehr abschlossen. Man wird fertig rin ihr, wenigstens mit dem Konzert- und Opernwesen — gerade denen geht es so, die wirklich und innerlich in der Musik leben oder gelebt haben. Womit mag das zusammenhängen? Ich habe oft darüber nachgedacht. Es kann nicht der Verdruß über wechselnde Liebhabereien und Moden allein sein, es muß in dem Wesen der Kunst selbst liegen. Und ich glaube, daß der Grund darin zu suchen ist, daß die Musik recht eigentlich die Kunst des schwärmerischen Empfindens ist, das mehr dem Geistesleben der Jugend entspricht als dem des gereiften Alters. Dieses will klaren Gedankenausdruck, klare und feste Formen für seine Anschauung, und die kann die Musik mit den Mitteln, die ihr zu Gebote stehn, nicht geben. Freilich kann die Musik auch grobsinnlich wirken, und sie hat Formen von so großer Derbheit und Einfachheit wie irgend eine andre Kunst. Aber damit wird sie dann doch auch nnr zum Stimulans derber Stimmungen und eben nur von Stimmungen! Über diese kommt sie aber nicht hinaus. Auch wo sie die höchsten Töne anschlägt, wenn sie frei ist vou Wort und Handlung, denen sie begleitend, schmückend und aus¬ malend zu dienen hat, in der reinen Instrumentalmusik, gerade dann ist ihr höchster Ausdruck der der Sehnsucht — ja, des Sehnens nach Ausdruck! Das klingt paradox, aber es ist so. Sie ringt dann, das auszusprechen, was die Seele bewegt, und so wunderbar ihre Sprache ist, es fehlt ihr das Wort! Erst dieses vermag die Ge¬ danken klar zu vermitteln, und in der Dichtkunst ihnen den vollendetsten Ausdruck zu verleihen. Aber eines kann auch das Wort nicht — wobei die Musik, wenn sie es versucht, von vornherein scheitert —, es vermag nicht völlig plastisch zu schildern. Weder die zartesten Regungen der Seele vermag es auszudrücken, noch den vollen Eindruck der Form hervorzurufen. Entweder es schweift hinaus auf das unbe¬ stimmte Gebiet der Töne, die nnr Gefühle stammeln können, oder es quält sich ver¬ geblich ab, die Wahrheit zu spiegeln, den Abglanz der Wirklichkeit hervorzuzaubern, den nur die bildenden Künste geben können. Ich bitte um Entschuldigung, sagte ich, ihn unterbrechend; mir kommt es vor, als wollten Sie die Berechtigung von vier Sinnen leugnen, um einem allein das Erstgcburtsrecht zuzusprechen. Man könnte ebensogut eiuen umgekehrten Gedanken¬ gang gehen: Weil die bildende Kunst nicht imstande ist, das Höchste auszudrücken, muß die Dichtkunst herbei, um ihr Worte zu verleihen, und da sie nicht vermag, das Innerlichste des Seelenlebens darzustellen, tritt die Musik hinzu und schüttelt die Seele vollends aus. Er ging eine Weile mit znsammengezognen Brauen neben mir her. Nein, sagte er plötzlich; ich könnte Ihnen höchstens zugeben, daß keinem wirklich harmonisch gebildeten Menschen die Herrschaft über alle fünf Sinne erlassen sein kann. Ein Mensch, der nicht für Dichtkunst, Musik und bildende Künste gleich empfänglich ist und kein selbständiges Urteil in diesen Dingen hat, ist überhaupt, ich möchte sagen, kein vollständiger Mensch, und wenn er im übrigen Minister des Äußern oder des Immer» oder der Finanzen ist. Denn das ist Prämisse: nicht die Beherrschung Praktischer Gegenstände macht den Menschen zum Menschen — es macht ihn nur zum mehr oder minder praktischen Manne; sondern sein Verhältnis zum höchsten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551/422>, abgerufen am 03.07.2024.