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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.

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Line Pilgerfahrt nach Stratford am Avon

überschatten wird -- wohin verlegt er am liebsten seine Szenen? Draußen
aus die Straßen und freien Plätze, vor die Wirtshäuser und Paläste, ans
das Feld und in die Wälder, in die Heide und nu deu Meeresstand.

Ich ging durch das Museum und die Bibliothek, in der ein Gelehrter,
tue w -i uns trsn^ roUwA-, in eine.u Berg van Büchern und Hand¬
schriften saß. und eilte auf die Straße, Von den Raritäten des Museums
hatte besonders das Schild des Wirtshauses zum Falken aus dem Dorfe
Bedford. wo Shakespeare als junger Bursche mit guten Freunden se.ne Ge¬
lage abhielt, meine Phantasie lebhaft beschäftigt. So wie dieses Schild dachte
"h nur. wird nun, auch daS Wirtshauszeichen "Zum weißen Roß' in (Stützer-
bach. wo Goethe mit seinen Freunden getollt hat. dereinst im Frankfurter
Goethemuseum aufbewahren, vielleicht much uoch die Schulter "us andern
Orten, wenn sie sich wie das StüUerlmcher erhalten haben. Ähnlich wie
Goethe in den Luftiger von Weimar fingt: Donnerstag "ach Belvedere,
Freitag gehts nach Jena fort: denn das ist. bei .meiner Ehre, doch em aller¬
liebster Ort! Samstag ist. woraus wir zielen. Sonntag rutscht man auf das
Land; Zwäzeu. Burgau. Schneidemühlen sind uns allen wohl be anne -
nhulich hat auch Shakespeare die von ihm besuchten, um Stratford liegenden
Bierdörfer in den Versen aufgezählt:


^ixiitA t?ston,'et, üknoiug' NiU'ktnii,
Narmtsä Wlldro', lning^ "r-vtton,
vtiäging ILxwII, xaxist ^loi?8forÄ,
l'-vM^ri^ I'Ziviv!" !,i.n>I "lrnMivn l^äkurä.

Es wird auch jett noch in Stratford erzählt, daß Shakespeare in seinen
Wgen Jahr,., ein trunkfester Zecher gewesen sei. und daß er e.mes Abends
die ganze z^owimry von Bedford unter den Tisch getrunken habe; anf ferner
Heimkehr nach Stratford aber seien ihm die Beine doch schwach geworden, und
er habe die Nacht unter einen. Holzapselbanm geschlafen. Einen Ableger von
diesem Holzapfelbanm soll es noch geben, ich habe ihn aber leider acht mehr
finden können. Niemand hat die Psychologie der Trunkenheit so gründlich
studiert und diesen Seelenzustand in allen Stadien, von der weltumarmenden
Seligkeit bis zum tierischen Stumpfsinn so treffend geschildert wie Shakespeare,
Er muß auch wohl diese Studien a" sich und andern praktisch gemacht haben.
Der alte Stratsorder Pfarrer John Ward erzählt in seinem ans dein Jahre 1b61
stammenden Tagebuche: Ldg.1cosxog.r, or^wu ana Lor ^noirsou, kennt a nrorr)-
msstwZ, Me, i'et 8oc>urs äraick wo n^ra, lor LKickoLp'Zirr äioä ol s. tsavour
tllero oontrg.otoä.

Von Shakespeares Werken könnte man in mancher Beziehung dasselbe
sagen, was Goethe von feinen sagt, sie seien Bruchstücke einer großen Konfession.
Shakespeare hat zwar keine "Dichtung und Wahrheit" hinterlassen, aber es
wäre nicht schwer, ein ähnliches Buch aus seinen Schriften zu konstruieren.
Es ist mir immer aufgefallen, daß Goethe, abgesehen von dem Kindertheater,
so wenig von seinen Jugendspielen erzählt. Hat Goethe anch ^antreibe"


Grenzboten I 1900
Line Pilgerfahrt nach Stratford am Avon

überschatten wird — wohin verlegt er am liebsten seine Szenen? Draußen
aus die Straßen und freien Plätze, vor die Wirtshäuser und Paläste, ans
das Feld und in die Wälder, in die Heide und nu deu Meeresstand.

Ich ging durch das Museum und die Bibliothek, in der ein Gelehrter,
tue w -i uns trsn^ roUwA-, in eine.u Berg van Büchern und Hand¬
schriften saß. und eilte auf die Straße, Von den Raritäten des Museums
hatte besonders das Schild des Wirtshauses zum Falken aus dem Dorfe
Bedford. wo Shakespeare als junger Bursche mit guten Freunden se.ne Ge¬
lage abhielt, meine Phantasie lebhaft beschäftigt. So wie dieses Schild dachte
"h nur. wird nun, auch daS Wirtshauszeichen „Zum weißen Roß' in (Stützer-
bach. wo Goethe mit seinen Freunden getollt hat. dereinst im Frankfurter
Goethemuseum aufbewahren, vielleicht much uoch die Schulter »us andern
Orten, wenn sie sich wie das StüUerlmcher erhalten haben. Ähnlich wie
Goethe in den Luftiger von Weimar fingt: Donnerstag »ach Belvedere,
Freitag gehts nach Jena fort: denn das ist. bei .meiner Ehre, doch em aller¬
liebster Ort! Samstag ist. woraus wir zielen. Sonntag rutscht man auf das
Land; Zwäzeu. Burgau. Schneidemühlen sind uns allen wohl be anne -
nhulich hat auch Shakespeare die von ihm besuchten, um Stratford liegenden
Bierdörfer in den Versen aufgezählt:


^ixiitA t?ston,'et, üknoiug' NiU'ktnii,
Narmtsä Wlldro', lning^ «r-vtton,
vtiäging ILxwII, xaxist ^loi?8forÄ,
l'-vM^ri^ I'Ziviv!» !,i.n>I «lrnMivn l^äkurä.

Es wird auch jett noch in Stratford erzählt, daß Shakespeare in seinen
Wgen Jahr,., ein trunkfester Zecher gewesen sei. und daß er e.mes Abends
die ganze z^owimry von Bedford unter den Tisch getrunken habe; anf ferner
Heimkehr nach Stratford aber seien ihm die Beine doch schwach geworden, und
er habe die Nacht unter einen. Holzapselbanm geschlafen. Einen Ableger von
diesem Holzapfelbanm soll es noch geben, ich habe ihn aber leider acht mehr
finden können. Niemand hat die Psychologie der Trunkenheit so gründlich
studiert und diesen Seelenzustand in allen Stadien, von der weltumarmenden
Seligkeit bis zum tierischen Stumpfsinn so treffend geschildert wie Shakespeare,
Er muß auch wohl diese Studien a» sich und andern praktisch gemacht haben.
Der alte Stratsorder Pfarrer John Ward erzählt in seinem ans dein Jahre 1b61
stammenden Tagebuche: Ldg.1cosxog.r, or^wu ana Lor ^noirsou, kennt a nrorr)-
msstwZ, Me, i'et 8oc>urs äraick wo n^ra, lor LKickoLp'Zirr äioä ol s. tsavour
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Von Shakespeares Werken könnte man in mancher Beziehung dasselbe
sagen, was Goethe von feinen sagt, sie seien Bruchstücke einer großen Konfession.
Shakespeare hat zwar keine „Dichtung und Wahrheit" hinterlassen, aber es
wäre nicht schwer, ein ähnliches Buch aus seinen Schriften zu konstruieren.
Es ist mir immer aufgefallen, daß Goethe, abgesehen von dem Kindertheater,
so wenig von seinen Jugendspielen erzählt. Hat Goethe anch ^antreibe»


Grenzboten I 1900
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[0041] Line Pilgerfahrt nach Stratford am Avon überschatten wird — wohin verlegt er am liebsten seine Szenen? Draußen aus die Straßen und freien Plätze, vor die Wirtshäuser und Paläste, ans das Feld und in die Wälder, in die Heide und nu deu Meeresstand. Ich ging durch das Museum und die Bibliothek, in der ein Gelehrter, tue w -i uns trsn^ roUwA-, in eine.u Berg van Büchern und Hand¬ schriften saß. und eilte auf die Straße, Von den Raritäten des Museums hatte besonders das Schild des Wirtshauses zum Falken aus dem Dorfe Bedford. wo Shakespeare als junger Bursche mit guten Freunden se.ne Ge¬ lage abhielt, meine Phantasie lebhaft beschäftigt. So wie dieses Schild dachte "h nur. wird nun, auch daS Wirtshauszeichen „Zum weißen Roß' in (Stützer- bach. wo Goethe mit seinen Freunden getollt hat. dereinst im Frankfurter Goethemuseum aufbewahren, vielleicht much uoch die Schulter »us andern Orten, wenn sie sich wie das StüUerlmcher erhalten haben. Ähnlich wie Goethe in den Luftiger von Weimar fingt: Donnerstag »ach Belvedere, Freitag gehts nach Jena fort: denn das ist. bei .meiner Ehre, doch em aller¬ liebster Ort! Samstag ist. woraus wir zielen. Sonntag rutscht man auf das Land; Zwäzeu. Burgau. Schneidemühlen sind uns allen wohl be anne - nhulich hat auch Shakespeare die von ihm besuchten, um Stratford liegenden Bierdörfer in den Versen aufgezählt: ^ixiitA t?ston,'et, üknoiug' NiU'ktnii, Narmtsä Wlldro', lning^ «r-vtton, vtiäging ILxwII, xaxist ^loi?8forÄ, l'-vM^ri^ I'Ziviv!» !,i.n>I «lrnMivn l^äkurä. Es wird auch jett noch in Stratford erzählt, daß Shakespeare in seinen Wgen Jahr,., ein trunkfester Zecher gewesen sei. und daß er e.mes Abends die ganze z^owimry von Bedford unter den Tisch getrunken habe; anf ferner Heimkehr nach Stratford aber seien ihm die Beine doch schwach geworden, und er habe die Nacht unter einen. Holzapselbanm geschlafen. Einen Ableger von diesem Holzapfelbanm soll es noch geben, ich habe ihn aber leider acht mehr finden können. Niemand hat die Psychologie der Trunkenheit so gründlich studiert und diesen Seelenzustand in allen Stadien, von der weltumarmenden Seligkeit bis zum tierischen Stumpfsinn so treffend geschildert wie Shakespeare, Er muß auch wohl diese Studien a» sich und andern praktisch gemacht haben. Der alte Stratsorder Pfarrer John Ward erzählt in seinem ans dein Jahre 1b61 stammenden Tagebuche: Ldg.1cosxog.r, or^wu ana Lor ^noirsou, kennt a nrorr)- msstwZ, Me, i'et 8oc>urs äraick wo n^ra, lor LKickoLp'Zirr äioä ol s. tsavour tllero oontrg.otoä. Von Shakespeares Werken könnte man in mancher Beziehung dasselbe sagen, was Goethe von feinen sagt, sie seien Bruchstücke einer großen Konfession. Shakespeare hat zwar keine „Dichtung und Wahrheit" hinterlassen, aber es wäre nicht schwer, ein ähnliches Buch aus seinen Schriften zu konstruieren. Es ist mir immer aufgefallen, daß Goethe, abgesehen von dem Kindertheater, so wenig von seinen Jugendspielen erzählt. Hat Goethe anch ^antreibe» Grenzboten I 1900

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551/41>, abgerufen am 30.06.2024.