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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.

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kommen -- kein Wunder, dn Großbritannien jährlich für 53 Millionen Pfund
Sterling Getreide einführt, Z" Shakespeares Zeiten ist natürlich Weizen viel
gebaut worden. Nach den Angaben eines Kulturhistorikers war damals ont/
onsiourtb. ok tue Zara unclor oultivation. Huz rsmainäer oousisteä ok korests,
irtvZses, vonunons. Aber die Wälder sind, wie fast überall in England,
auch um Stratford verschlvlinden. Damit ist dem Engländer auch die Poesie
des Waldes verloren gegangen. Jeder echte deutsche Junge hat einmal den
Wunsch, Förster zu werden; dieses Ideal keimt der englische Junge nicht. In
England giebt es keinen einzigen Oberförster und natürlich auch keine einzige
Forstakademie -- das ist für einen echten deutschen Manu schwer begreiflich.
Das Wild wird in England größtenteils in den Parks aufgezogen, aber die
Füchse sind so selten geworden, daß nun die armen Kerle vom Festlande her¬
holt und sie dann aus den englischen Feldern zu Tode hetzt. Wie anders zu
Shakespeares Zeit, wo sich durch Warwickshire weite Wälder zogen, in denen
das Jagdhorn lustig hallte und das Gekläff der Meute an das Ohr des jagd-
lustigen Jünglings drang. So läßt er Hippolyte im Sommernachtstraum sagen:


Nicht die Haine nur,
Das Firmament, die Quellen, die Reviere,
Sie schienen all Ein Ruf und Gegenruf.
Nie hört ich so harmonschen Zwist der Töne,
So hellen Donner,

Der Zug hielt in Stratford; wir verließen den Bahnhof und eilten in
das Städtchen. Wer etwa gelesen hat, daß Shakespeares Vater einst bestraft
wurde, weil er vor seinem Hanse einen Misthaufen zu lange hatte liegen lassen
-- Ltör^uinarium, wie es in dem Latein der alten Chronik heißt --, und wer
daraus deu Schluß zieht, daß es in Stratford wohl keine holländische Rein¬
lichkeit gäbe, der wird gleich bei dem Betreten des Städtchens angenehm ent¬
täuscht sein. Die Wege und Straßen sind sehr sauber und in gutem Zustande;
an der linken Seite des Alcester Road fesseln uns freundliche Anlagen, in
deren Mitte sich das neue Hospital, ein großer Backsteinbau im englischen
Renaissancestil, erhebt. Die nächste Straße, Orssnnill-strsöt, hat noch einige
kleine altertümliche Häuschen mit Fachbau; einige haben als Gruß für die
Gäste Fahnenschmuck angelegt, anch das amerikanische Banner sieht man; denn
die Strntfordcr wissen, daß ein großer Teil der dreißigtausend Fremden, die
jährlich Shakespeares Geburtsort aufsuchen, Amerikaner sind. Auch für be¬
geisterte Schwärmer mit schmalem Beutel scheint gesorgt zu sein, deun der
Besitzer eines kleinen Theehauses steht am Wege, verteilt Reklamen für seine
Wirtschaft und preist die Tasse Thee für einen Penny an.

Wir wandern die Straße hinunter, die uus auf einen kleinen Platz führt,
in den fünf Straßen münden, und stehn vor dem ersten Denkmal des Dichters.
Es ist ein merkwürdiges Bmiwerk, ein spitzkegliger Turm?, der voll zwei unter¬
einander stehenden Reihen von Kcgeltürmchen umschlossen wird. Der untere


kommen — kein Wunder, dn Großbritannien jährlich für 53 Millionen Pfund
Sterling Getreide einführt, Z» Shakespeares Zeiten ist natürlich Weizen viel
gebaut worden. Nach den Angaben eines Kulturhistorikers war damals ont/
onsiourtb. ok tue Zara unclor oultivation. Huz rsmainäer oousisteä ok korests,
irtvZses, vonunons. Aber die Wälder sind, wie fast überall in England,
auch um Stratford verschlvlinden. Damit ist dem Engländer auch die Poesie
des Waldes verloren gegangen. Jeder echte deutsche Junge hat einmal den
Wunsch, Förster zu werden; dieses Ideal keimt der englische Junge nicht. In
England giebt es keinen einzigen Oberförster und natürlich auch keine einzige
Forstakademie — das ist für einen echten deutschen Manu schwer begreiflich.
Das Wild wird in England größtenteils in den Parks aufgezogen, aber die
Füchse sind so selten geworden, daß nun die armen Kerle vom Festlande her¬
holt und sie dann aus den englischen Feldern zu Tode hetzt. Wie anders zu
Shakespeares Zeit, wo sich durch Warwickshire weite Wälder zogen, in denen
das Jagdhorn lustig hallte und das Gekläff der Meute an das Ohr des jagd-
lustigen Jünglings drang. So läßt er Hippolyte im Sommernachtstraum sagen:


Nicht die Haine nur,
Das Firmament, die Quellen, die Reviere,
Sie schienen all Ein Ruf und Gegenruf.
Nie hört ich so harmonschen Zwist der Töne,
So hellen Donner,

Der Zug hielt in Stratford; wir verließen den Bahnhof und eilten in
das Städtchen. Wer etwa gelesen hat, daß Shakespeares Vater einst bestraft
wurde, weil er vor seinem Hanse einen Misthaufen zu lange hatte liegen lassen
— Ltör^uinarium, wie es in dem Latein der alten Chronik heißt —, und wer
daraus deu Schluß zieht, daß es in Stratford wohl keine holländische Rein¬
lichkeit gäbe, der wird gleich bei dem Betreten des Städtchens angenehm ent¬
täuscht sein. Die Wege und Straßen sind sehr sauber und in gutem Zustande;
an der linken Seite des Alcester Road fesseln uns freundliche Anlagen, in
deren Mitte sich das neue Hospital, ein großer Backsteinbau im englischen
Renaissancestil, erhebt. Die nächste Straße, Orssnnill-strsöt, hat noch einige
kleine altertümliche Häuschen mit Fachbau; einige haben als Gruß für die
Gäste Fahnenschmuck angelegt, anch das amerikanische Banner sieht man; denn
die Strntfordcr wissen, daß ein großer Teil der dreißigtausend Fremden, die
jährlich Shakespeares Geburtsort aufsuchen, Amerikaner sind. Auch für be¬
geisterte Schwärmer mit schmalem Beutel scheint gesorgt zu sein, deun der
Besitzer eines kleinen Theehauses steht am Wege, verteilt Reklamen für seine
Wirtschaft und preist die Tasse Thee für einen Penny an.

Wir wandern die Straße hinunter, die uus auf einen kleinen Platz führt,
in den fünf Straßen münden, und stehn vor dem ersten Denkmal des Dichters.
Es ist ein merkwürdiges Bmiwerk, ein spitzkegliger Turm?, der voll zwei unter¬
einander stehenden Reihen von Kcgeltürmchen umschlossen wird. Der untere


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551/38>, abgerufen am 30.06.2024.