Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.Kanonier Abraham unserm ganzen sehnlicher. Aber über die Quarta hinaus ging es mit dem Sally Damit war die Laufbahn für Sally vorgeschrieben. Der alte Abraham hatte, Auch Frau Abraham verstand die Kunst, zur rechten Zeit und deu rechten Da kam die unglückselige Aushebungskommission, und obgleich der alte Abraham Aber im Grunde seines Herzens wünschte er das ganze Militär zum Teufel. Kanonier Abraham unserm ganzen sehnlicher. Aber über die Quarta hinaus ging es mit dem Sally Damit war die Laufbahn für Sally vorgeschrieben. Der alte Abraham hatte, Auch Frau Abraham verstand die Kunst, zur rechten Zeit und deu rechten Da kam die unglückselige Aushebungskommission, und obgleich der alte Abraham Aber im Grunde seines Herzens wünschte er das ganze Militär zum Teufel. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0358" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/232910"/> <fw type="header" place="top"> Kanonier Abraham</fw><lb/> <p xml:id="ID_1100" prev="#ID_1099"> unserm ganzen sehnlicher. Aber über die Quarta hinaus ging es mit dem Sally<lb/> doch nicht. Der Vater tröstete sich bald und sagte: Nu, der Sally wird sie noch<lb/> alle einstecken. Ich habe Leute kennen gelernt, die waren halb meschngge und<lb/> haben doch ne halbe Million verdient und sind bedeutende Leute geworden, ein¬<lb/> flußreiche Leute geworden. Wird er auch kein Sanitätsrat oder Rechtsanwalt, so<lb/> kann er doch studieren Kommerzienrat, und das kann er in meinem Geschäft lernen.<lb/> Komm Sally, wir fahren heute zum Herrn Baron nach Kaselow.</p><lb/> <p xml:id="ID_1101"> Damit war die Laufbahn für Sally vorgeschrieben. Der alte Abraham hatte,<lb/> als er aus Polen nach meiner pommerschen Vaterstadt gezogen war, zuerst mit<lb/> einem Eier- und Buttergeschäft angefangen, um mit den Gutsbesitzern des Kreises<lb/> Fühlung zu gewinnen; er hatte sich dann auf die Gäuseschlächterei gelegt, um seinen<lb/> Namen auch außerhalb der Umgegend in den großen Städte» bekannt zu machen,<lb/> hatte dann einen schwunghafte» Pferdehandel betrieben und war schließlich zu der<lb/> Erkenntnis gekommen, daß das Getreidegeschäft doch noch nobler, ergiebiger und<lb/> gewissermaßen auch hoffähig sei. Er hatte sich im Kreise nach und nach zu einer<lb/> gewissen Vertrauensstellung emporgeschwungen. Er zog die Schlinge nur zu, wo<lb/> es sich um schüchterne, ängstliche Menschen handelte, von denen er nichts zu fürchten<lb/> hatte, aber er ließ die Schlinge locker, wenn er an einen Kampfhahn geraten war,<lb/> dessen Krähen ihn in seiner stillen Arbeit hätte stören können. Diese Leute, die<lb/> in seiner Schlinge saßen, denen er aber aus Klugheit nichts anthat, schimpften<lb/> zwar im allgemeinen auf die Juden, aber auf Abraham ließen sie nichts kommen:<lb/> Abraham sei ein anständiger Mensch, ein kulanter Geschäftsmann, ein zuverlässiger<lb/> Charakter.</p><lb/> <p xml:id="ID_1102"> Auch Frau Abraham verstand die Kunst, zur rechten Zeit und deu rechten<lb/> Personen Wohlthaten zu erweisen. Die armen Weiber, deren Mundwerk gefürchtet<lb/> war, wurden von ihr bevorzugt. So kam es, daß Abrahams in dem Städtchen<lb/> keine schlechte Rolle spielten, und daß sie bei ihrem beständig wachsenden Wohl¬<lb/> stande bald ein gewisses Ansehen genossen. Um so leichter war das Fortkommen<lb/> für Sally. Er war bald „hoffähig" geworden, kleidete sich modern, mit weiten<lb/> Hosen, um seine etwas nach außen geschweiften Beine zu drapieren, und trug einen<lb/> Cylinderhut. Ja, es kam vor, daß er bei den Geschäftsreisen aufs Land zuweilen<lb/> aufgefordert wurde, ius Gutshaus oder sogar aufs Schloß zu kommen, um dort<lb/> das Geschäft bei einem Glase Wein zu besprechen. Das hob sein Selbstbewußtsein,<lb/> er wurde eitel und fühlte sich als Persönlichkeit, von der jn nach der Meinung<lb/> eitler Menschen alles im Leben abhängen soll; es zeigten sich in ihm Sympathien<lb/> für das feinere Gesellschaftsleben, und er fühlte sich höher als die kleinen Bürgers¬<lb/> söhne der Stadt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1103"> Da kam die unglückselige Aushebungskommission, und obgleich der alte Abraham<lb/> keinen Schritt versäumt hatte, das Unglück von Sally abzuwenden, so wurde er<lb/> doch für brauchbar erklärt und zum Kanonier bestimmt. Hätte er Einjähriger sein<lb/> können, so wäre die Sache nicht schlimm gewesen, aber drei Jahre, wenn es gut<lb/> ging zwei Jahre dienen als ganz gewöhnlicher Kanonier, das war für Sally ein<lb/> schwerer Schlag. Der alte Abraham tröstete sich zwar und sagte: Nu, Artillerie<lb/> is immer noch besser als Infanterie, es ist die Waffe der Intelligenz. Man muß<lb/> als guter Patriot dem König das Opfer bringen. Es ist eine Ehre, Soldat<lb/> zu sein.</p><lb/> <p xml:id="ID_1104"> Aber im Grunde seines Herzens wünschte er das ganze Militär zum Teufel.<lb/> Wozu brauchen wir soviel Soldaten? sagte er zu Frau Abraham. Spielzeug für<lb/> die hohe» Herren, weiter nichts; dazu ist Sally zu schade. Verlust über Verlust;<lb/> nu, ich will Gott dem Gerechten danken, wenn der Sally aus der verdammten<lb/> Kanonenschießerei mit heilen Knochen wiederkommt.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0358]
Kanonier Abraham
unserm ganzen sehnlicher. Aber über die Quarta hinaus ging es mit dem Sally
doch nicht. Der Vater tröstete sich bald und sagte: Nu, der Sally wird sie noch
alle einstecken. Ich habe Leute kennen gelernt, die waren halb meschngge und
haben doch ne halbe Million verdient und sind bedeutende Leute geworden, ein¬
flußreiche Leute geworden. Wird er auch kein Sanitätsrat oder Rechtsanwalt, so
kann er doch studieren Kommerzienrat, und das kann er in meinem Geschäft lernen.
Komm Sally, wir fahren heute zum Herrn Baron nach Kaselow.
Damit war die Laufbahn für Sally vorgeschrieben. Der alte Abraham hatte,
als er aus Polen nach meiner pommerschen Vaterstadt gezogen war, zuerst mit
einem Eier- und Buttergeschäft angefangen, um mit den Gutsbesitzern des Kreises
Fühlung zu gewinnen; er hatte sich dann auf die Gäuseschlächterei gelegt, um seinen
Namen auch außerhalb der Umgegend in den großen Städte» bekannt zu machen,
hatte dann einen schwunghafte» Pferdehandel betrieben und war schließlich zu der
Erkenntnis gekommen, daß das Getreidegeschäft doch noch nobler, ergiebiger und
gewissermaßen auch hoffähig sei. Er hatte sich im Kreise nach und nach zu einer
gewissen Vertrauensstellung emporgeschwungen. Er zog die Schlinge nur zu, wo
es sich um schüchterne, ängstliche Menschen handelte, von denen er nichts zu fürchten
hatte, aber er ließ die Schlinge locker, wenn er an einen Kampfhahn geraten war,
dessen Krähen ihn in seiner stillen Arbeit hätte stören können. Diese Leute, die
in seiner Schlinge saßen, denen er aber aus Klugheit nichts anthat, schimpften
zwar im allgemeinen auf die Juden, aber auf Abraham ließen sie nichts kommen:
Abraham sei ein anständiger Mensch, ein kulanter Geschäftsmann, ein zuverlässiger
Charakter.
Auch Frau Abraham verstand die Kunst, zur rechten Zeit und deu rechten
Personen Wohlthaten zu erweisen. Die armen Weiber, deren Mundwerk gefürchtet
war, wurden von ihr bevorzugt. So kam es, daß Abrahams in dem Städtchen
keine schlechte Rolle spielten, und daß sie bei ihrem beständig wachsenden Wohl¬
stande bald ein gewisses Ansehen genossen. Um so leichter war das Fortkommen
für Sally. Er war bald „hoffähig" geworden, kleidete sich modern, mit weiten
Hosen, um seine etwas nach außen geschweiften Beine zu drapieren, und trug einen
Cylinderhut. Ja, es kam vor, daß er bei den Geschäftsreisen aufs Land zuweilen
aufgefordert wurde, ius Gutshaus oder sogar aufs Schloß zu kommen, um dort
das Geschäft bei einem Glase Wein zu besprechen. Das hob sein Selbstbewußtsein,
er wurde eitel und fühlte sich als Persönlichkeit, von der jn nach der Meinung
eitler Menschen alles im Leben abhängen soll; es zeigten sich in ihm Sympathien
für das feinere Gesellschaftsleben, und er fühlte sich höher als die kleinen Bürgers¬
söhne der Stadt.
Da kam die unglückselige Aushebungskommission, und obgleich der alte Abraham
keinen Schritt versäumt hatte, das Unglück von Sally abzuwenden, so wurde er
doch für brauchbar erklärt und zum Kanonier bestimmt. Hätte er Einjähriger sein
können, so wäre die Sache nicht schlimm gewesen, aber drei Jahre, wenn es gut
ging zwei Jahre dienen als ganz gewöhnlicher Kanonier, das war für Sally ein
schwerer Schlag. Der alte Abraham tröstete sich zwar und sagte: Nu, Artillerie
is immer noch besser als Infanterie, es ist die Waffe der Intelligenz. Man muß
als guter Patriot dem König das Opfer bringen. Es ist eine Ehre, Soldat
zu sein.
Aber im Grunde seines Herzens wünschte er das ganze Militär zum Teufel.
Wozu brauchen wir soviel Soldaten? sagte er zu Frau Abraham. Spielzeug für
die hohe» Herren, weiter nichts; dazu ist Sally zu schade. Verlust über Verlust;
nu, ich will Gott dem Gerechten danken, wenn der Sally aus der verdammten
Kanonenschießerei mit heilen Knochen wiederkommt.
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