Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.Die deutsche Weltpolitik die Romanen mit Weltreichen, in denen die Sonne nicht untergeht, die Deutschen Was beweist dieses Eingeständnis? Daß die Bildung das deutsche Volk Die deutsche Weltpolitik die Romanen mit Weltreichen, in denen die Sonne nicht untergeht, die Deutschen Was beweist dieses Eingeständnis? Daß die Bildung das deutsche Volk <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0331" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/232883"/> <fw type="header" place="top"> Die deutsche Weltpolitik</fw><lb/> <p xml:id="ID_1025" prev="#ID_1024"> die Romanen mit Weltreichen, in denen die Sonne nicht untergeht, die Deutschen<lb/> 'Nüssen sie erschließen, und das gewaltige Albion? Es schickt seiue Spione in<lb/> deutsche Fabrikein Wer tan» es ermessen, was der deutsche „Kulturdünger"<lb/> den andern Völkern war! Warum prahlen die ?)anlees mit ihrem Reichtum<lb/> und schauen höhnisch herüber zu dem „altersschwachen" Erdteil Europa? Sie<lb/> würden heute noch Büffel jagen und Sklaven peitschen, hätten deutsche Staats¬<lb/> genossen sie nicht etwas besseres gelehrt. Es fürchtet die Welt jetzt die deutschen<lb/> Dichter und Denker, einst spottet sie ihrer. „Der Deutsche ist ein Pädagoge<lb/> in Wasserstiefeln," sagt der Engländer geringschätzig, aber ihm versagt der Hoch-<lb/> mut, wen» er in dem Hasten des Weltverkehrs das inaäo in 6<n'inimy liest,<lb/> "ut die Sehnsucht nach deutscher Bildung wird in ihm wach. Der geistvollste<lb/> der englischen Staatsmänner, Lord Rosebery, sah sich in einer jüngst zu Chatham<lb/> gehnltnen Rede genötigt, auf die Lehren hinweisend, die der gegenwärtige Krieg<lb/> seinem Vaterlande bringe, den Mangel an methodischer und wissenschaftlicher<lb/> Schulung als einen Hauptmangel Englands zu kennzeichnen und dagegen<lb/> deutsche Wissenschaftlichkeit als nachahmenswerten Borzug hinzustellen. „Deutsch¬<lb/> land ist unendlich fleißiger und wissenschaftlicher in seinen Methoden als wir,"<lb/> sagte er nach einem Bericht der Kölnischen Zeitung, und diese Methodik,<lb/> d- h. unser Schulwesen, hat sich bekanntlich bei unserm großen Krieg ebenso<lb/> wirksam gezeigt, wie das englische durch den gegenwärtigen Krieg sich als un¬<lb/> zulänglich erweist.</p><lb/> <p xml:id="ID_1026" next="#ID_1027"> Was beweist dieses Eingeständnis? Daß die Bildung das deutsche Volk<lb/> stark macht. Und was lehrt es? Daß das deutsche Volk sich diese Bildung<lb/> bewahren muß, daß die Lehr- und Lernfreiheit dein deutschen Volke nicht ge¬<lb/> schmälert werden darf, daß es geistig frei bleiben muß um seiner Lebens¬<lb/> interessen willen. Wer die deutsche Weltpolitik für notwendig erachtet, um den,<lb/> deutschen Volke den Weltmarkt offen zu halten, der muß auch dafür kämpfen,<lb/> daß das deutsche Volk die geistige Weltmacht bleibe immerdar. Wer die<lb/> Wissenschaft und die Bildungsmöglichkeit des deutschen Volks beschränkt, schädigt<lb/> auch die praktische Arbeit. Die Gelehrten, die in der Natur forschen, welche<lb/> neue Dienste sie der Menschheit zu leisten imstande ist, verringern die Gefahr,<lb/> daß die wachsende Menschheit einmal darben müsse. Wer ans den Geist schlägt,<lb/> l^sse um Ende den Magen. Und der Arbeiter, der sich der mechanischen Hilfs¬<lb/> kräfte bedienen soll, die der Gelehrte ihm erfand, bedarf geistiger Bildung,<lb/> seine Thätigkeit vollbringen zu können. Ein Arbeiter, der nicht deuten gelernt<lb/> hat, dessen Verstand nicht geweckt ist, kann unmöglich den hohen Anfordrungen,<lb/> die die weitgehende moderne Arbeitsteilung an ihn stellt, gerecht werden. Wo<lb/> das Volk in Verdummung erhalten wird, kann leine edlere Industrie erblühn.<lb/> Rußland macht die größten Anstrengungen, eine nationale Industrie zu schaffen,<lb/> ^ hat sich als unmöglich erwiesen; das arbeitende Volk ist unfähig, feinere<lb/> Arbeit z>, liefern.' In den Landen, wo der katholische Klerus herrscht, hat<lb/> keine edlere Industrie Platz greifen können, weil in allen diesen Ländern das<lb/> ^oll vom Klerus auf einer niedern Bildungsstufe erhalten wird. Alle diese</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0331]
Die deutsche Weltpolitik
die Romanen mit Weltreichen, in denen die Sonne nicht untergeht, die Deutschen
'Nüssen sie erschließen, und das gewaltige Albion? Es schickt seiue Spione in
deutsche Fabrikein Wer tan» es ermessen, was der deutsche „Kulturdünger"
den andern Völkern war! Warum prahlen die ?)anlees mit ihrem Reichtum
und schauen höhnisch herüber zu dem „altersschwachen" Erdteil Europa? Sie
würden heute noch Büffel jagen und Sklaven peitschen, hätten deutsche Staats¬
genossen sie nicht etwas besseres gelehrt. Es fürchtet die Welt jetzt die deutschen
Dichter und Denker, einst spottet sie ihrer. „Der Deutsche ist ein Pädagoge
in Wasserstiefeln," sagt der Engländer geringschätzig, aber ihm versagt der Hoch-
mut, wen» er in dem Hasten des Weltverkehrs das inaäo in 6<n'inimy liest,
"ut die Sehnsucht nach deutscher Bildung wird in ihm wach. Der geistvollste
der englischen Staatsmänner, Lord Rosebery, sah sich in einer jüngst zu Chatham
gehnltnen Rede genötigt, auf die Lehren hinweisend, die der gegenwärtige Krieg
seinem Vaterlande bringe, den Mangel an methodischer und wissenschaftlicher
Schulung als einen Hauptmangel Englands zu kennzeichnen und dagegen
deutsche Wissenschaftlichkeit als nachahmenswerten Borzug hinzustellen. „Deutsch¬
land ist unendlich fleißiger und wissenschaftlicher in seinen Methoden als wir,"
sagte er nach einem Bericht der Kölnischen Zeitung, und diese Methodik,
d- h. unser Schulwesen, hat sich bekanntlich bei unserm großen Krieg ebenso
wirksam gezeigt, wie das englische durch den gegenwärtigen Krieg sich als un¬
zulänglich erweist.
Was beweist dieses Eingeständnis? Daß die Bildung das deutsche Volk
stark macht. Und was lehrt es? Daß das deutsche Volk sich diese Bildung
bewahren muß, daß die Lehr- und Lernfreiheit dein deutschen Volke nicht ge¬
schmälert werden darf, daß es geistig frei bleiben muß um seiner Lebens¬
interessen willen. Wer die deutsche Weltpolitik für notwendig erachtet, um den,
deutschen Volke den Weltmarkt offen zu halten, der muß auch dafür kämpfen,
daß das deutsche Volk die geistige Weltmacht bleibe immerdar. Wer die
Wissenschaft und die Bildungsmöglichkeit des deutschen Volks beschränkt, schädigt
auch die praktische Arbeit. Die Gelehrten, die in der Natur forschen, welche
neue Dienste sie der Menschheit zu leisten imstande ist, verringern die Gefahr,
daß die wachsende Menschheit einmal darben müsse. Wer ans den Geist schlägt,
l^sse um Ende den Magen. Und der Arbeiter, der sich der mechanischen Hilfs¬
kräfte bedienen soll, die der Gelehrte ihm erfand, bedarf geistiger Bildung,
seine Thätigkeit vollbringen zu können. Ein Arbeiter, der nicht deuten gelernt
hat, dessen Verstand nicht geweckt ist, kann unmöglich den hohen Anfordrungen,
die die weitgehende moderne Arbeitsteilung an ihn stellt, gerecht werden. Wo
das Volk in Verdummung erhalten wird, kann leine edlere Industrie erblühn.
Rußland macht die größten Anstrengungen, eine nationale Industrie zu schaffen,
^ hat sich als unmöglich erwiesen; das arbeitende Volk ist unfähig, feinere
Arbeit z>, liefern.' In den Landen, wo der katholische Klerus herrscht, hat
keine edlere Industrie Platz greifen können, weil in allen diesen Ländern das
^oll vom Klerus auf einer niedern Bildungsstufe erhalten wird. Alle diese
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