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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.

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Englische Suprematie in Afrika

Plane vorläufig aufzugeben. Würden die Buren überwunden, so steht eine
englische Übermacht in Afrika in Aussicht, die sich allen Staaten des euro¬
päischen Festlands sehr fühlbar machen würde. Die kolonisatorischen Mittel
Englands an Geld und Menschen sind groß genug, daß sie jede fremde Kon¬
kurrenz auch bei vollkommen gleicher Behandlung aller weit hinter sich lassen
können. Die portugiesischen Besitzungen, auch von den Gold- und Diamnnt-
feldern abgesehen weit begehrenswertere Landstriche als die öden Flächen Trans¬
vaals, würden dann nicht allzulange durch portugiesischen nationalen Stolz
gegen englisches Gold und englische Gewaltsamkeit davor geschützt bleiben, dem.
Schicksale Transvaals zu folgen. Man weiß noch nicht, ob der mysteriöse
englisch-deutsche Vertrag, dessen Veröffentlichung, wenn sie möglich wäre, heute
einer besonders starken Beunruhigung bei uns genug thäte, so gehalten ist,
daß der Löwenanteil diesesmal sehr viel weniger als gewöhnlich auf die eng¬
lische Seite füllt, natürlich vorausgesetzt, daß er überhaupt dieses Fell des
Bären betrifft. Thut er das nicht, so darf man gewiß sein, daß die portu¬
giesischen Besitzungen über kurz oder lang ungeteilt an England kämen, sobald
der Union Jack einmal in Pretoria wehte. Und in jedem Fall würde dann
Laurenzv-Marquez englisch. Diese Aussicht allein müßte die seefahrenden
Nationen zum Eingreifen nötigen, sobald das Kriegsglück die Buren verlassen
sollte. Von Suez bis zum Kap der guten Hoffnung sind Sansibar und
Laurenzv-Marquez die besten, vielleicht die einzigen für diese Küste Afrikas
künftig bedeutsamen Häfen. Sansibar, Aden, Laurenzv-Marquez in derselben
Hand: wer dürfte jenseits Port Said dann auch nnr einen Finger rühren ohne
Englands Zustimmung? Wir dürfen diese Sache nicht von dem Standpunkt,
auf dem unsre Geschäftswelt vielleicht noch steht, betrachten, daß sich unter
englischer Herrschaft die kommerziellen Interessen auch der Fremden am wohlsten
befinden. Es liegt hierin der der kommerziellen Politik eigentümliche Mangel,
daß es dem Geschäftsmann nieist nur darauf ankommt, für einige Zeit oder
für seine Lebensdaner oder auch bloß für ein einmaliges Unternehmen sicher
und bequem seinem Vorteil nachzugehn und die Zukunft der kommenden Gene¬
ration zu überlassen. Vom staatlichen Standpunkt aus müssen wir wünschen,
daß Meere, die unsre Güter zu Milliarden jährlich hin und her tragen, nicht
infolge eines kriegerischen Konflikts, wie es noch eben geschehn ist, nnter die
polizeiliche Willkür von England fallen, oder daß infolge eines Kriegs mit
England unser gesamter Handel, unsre Handels- und Kriegsflotte jenseits des
Suezkanals wie in der Mausefalle zerstört oder gefangen werden können.
Laurenzo-Marquez ist der letzte Hafen, der, in der Hand einer nichtenglischcn
und zur See bewaffneten Macht, nach gehöriger Befestigung den Stützpunkt
bieten kann, von dem aus in diesen Meeren der englischen Flotte ein Gegen¬
gewicht geboten werden könnte. Es ist unmöglich, daß dieser Hafen englisch
wird; es ist unmöglich, daß Afrika von Kairo bis zum Kap britische "Interessen¬
sphäre" und der Indische Ozean ein britischer See wird. Wenn wir Deutschen
Grund haben, die Erhaltung britischer Macht und die Erhaltung unsrer guten


Englische Suprematie in Afrika

Plane vorläufig aufzugeben. Würden die Buren überwunden, so steht eine
englische Übermacht in Afrika in Aussicht, die sich allen Staaten des euro¬
päischen Festlands sehr fühlbar machen würde. Die kolonisatorischen Mittel
Englands an Geld und Menschen sind groß genug, daß sie jede fremde Kon¬
kurrenz auch bei vollkommen gleicher Behandlung aller weit hinter sich lassen
können. Die portugiesischen Besitzungen, auch von den Gold- und Diamnnt-
feldern abgesehen weit begehrenswertere Landstriche als die öden Flächen Trans¬
vaals, würden dann nicht allzulange durch portugiesischen nationalen Stolz
gegen englisches Gold und englische Gewaltsamkeit davor geschützt bleiben, dem.
Schicksale Transvaals zu folgen. Man weiß noch nicht, ob der mysteriöse
englisch-deutsche Vertrag, dessen Veröffentlichung, wenn sie möglich wäre, heute
einer besonders starken Beunruhigung bei uns genug thäte, so gehalten ist,
daß der Löwenanteil diesesmal sehr viel weniger als gewöhnlich auf die eng¬
lische Seite füllt, natürlich vorausgesetzt, daß er überhaupt dieses Fell des
Bären betrifft. Thut er das nicht, so darf man gewiß sein, daß die portu¬
giesischen Besitzungen über kurz oder lang ungeteilt an England kämen, sobald
der Union Jack einmal in Pretoria wehte. Und in jedem Fall würde dann
Laurenzv-Marquez englisch. Diese Aussicht allein müßte die seefahrenden
Nationen zum Eingreifen nötigen, sobald das Kriegsglück die Buren verlassen
sollte. Von Suez bis zum Kap der guten Hoffnung sind Sansibar und
Laurenzv-Marquez die besten, vielleicht die einzigen für diese Küste Afrikas
künftig bedeutsamen Häfen. Sansibar, Aden, Laurenzv-Marquez in derselben
Hand: wer dürfte jenseits Port Said dann auch nnr einen Finger rühren ohne
Englands Zustimmung? Wir dürfen diese Sache nicht von dem Standpunkt,
auf dem unsre Geschäftswelt vielleicht noch steht, betrachten, daß sich unter
englischer Herrschaft die kommerziellen Interessen auch der Fremden am wohlsten
befinden. Es liegt hierin der der kommerziellen Politik eigentümliche Mangel,
daß es dem Geschäftsmann nieist nur darauf ankommt, für einige Zeit oder
für seine Lebensdaner oder auch bloß für ein einmaliges Unternehmen sicher
und bequem seinem Vorteil nachzugehn und die Zukunft der kommenden Gene¬
ration zu überlassen. Vom staatlichen Standpunkt aus müssen wir wünschen,
daß Meere, die unsre Güter zu Milliarden jährlich hin und her tragen, nicht
infolge eines kriegerischen Konflikts, wie es noch eben geschehn ist, nnter die
polizeiliche Willkür von England fallen, oder daß infolge eines Kriegs mit
England unser gesamter Handel, unsre Handels- und Kriegsflotte jenseits des
Suezkanals wie in der Mausefalle zerstört oder gefangen werden können.
Laurenzo-Marquez ist der letzte Hafen, der, in der Hand einer nichtenglischcn
und zur See bewaffneten Macht, nach gehöriger Befestigung den Stützpunkt
bieten kann, von dem aus in diesen Meeren der englischen Flotte ein Gegen¬
gewicht geboten werden könnte. Es ist unmöglich, daß dieser Hafen englisch
wird; es ist unmöglich, daß Afrika von Kairo bis zum Kap britische „Interessen¬
sphäre" und der Indische Ozean ein britischer See wird. Wenn wir Deutschen
Grund haben, die Erhaltung britischer Macht und die Erhaltung unsrer guten


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[0324] Englische Suprematie in Afrika Plane vorläufig aufzugeben. Würden die Buren überwunden, so steht eine englische Übermacht in Afrika in Aussicht, die sich allen Staaten des euro¬ päischen Festlands sehr fühlbar machen würde. Die kolonisatorischen Mittel Englands an Geld und Menschen sind groß genug, daß sie jede fremde Kon¬ kurrenz auch bei vollkommen gleicher Behandlung aller weit hinter sich lassen können. Die portugiesischen Besitzungen, auch von den Gold- und Diamnnt- feldern abgesehen weit begehrenswertere Landstriche als die öden Flächen Trans¬ vaals, würden dann nicht allzulange durch portugiesischen nationalen Stolz gegen englisches Gold und englische Gewaltsamkeit davor geschützt bleiben, dem. Schicksale Transvaals zu folgen. Man weiß noch nicht, ob der mysteriöse englisch-deutsche Vertrag, dessen Veröffentlichung, wenn sie möglich wäre, heute einer besonders starken Beunruhigung bei uns genug thäte, so gehalten ist, daß der Löwenanteil diesesmal sehr viel weniger als gewöhnlich auf die eng¬ lische Seite füllt, natürlich vorausgesetzt, daß er überhaupt dieses Fell des Bären betrifft. Thut er das nicht, so darf man gewiß sein, daß die portu¬ giesischen Besitzungen über kurz oder lang ungeteilt an England kämen, sobald der Union Jack einmal in Pretoria wehte. Und in jedem Fall würde dann Laurenzv-Marquez englisch. Diese Aussicht allein müßte die seefahrenden Nationen zum Eingreifen nötigen, sobald das Kriegsglück die Buren verlassen sollte. Von Suez bis zum Kap der guten Hoffnung sind Sansibar und Laurenzv-Marquez die besten, vielleicht die einzigen für diese Küste Afrikas künftig bedeutsamen Häfen. Sansibar, Aden, Laurenzv-Marquez in derselben Hand: wer dürfte jenseits Port Said dann auch nnr einen Finger rühren ohne Englands Zustimmung? Wir dürfen diese Sache nicht von dem Standpunkt, auf dem unsre Geschäftswelt vielleicht noch steht, betrachten, daß sich unter englischer Herrschaft die kommerziellen Interessen auch der Fremden am wohlsten befinden. Es liegt hierin der der kommerziellen Politik eigentümliche Mangel, daß es dem Geschäftsmann nieist nur darauf ankommt, für einige Zeit oder für seine Lebensdaner oder auch bloß für ein einmaliges Unternehmen sicher und bequem seinem Vorteil nachzugehn und die Zukunft der kommenden Gene¬ ration zu überlassen. Vom staatlichen Standpunkt aus müssen wir wünschen, daß Meere, die unsre Güter zu Milliarden jährlich hin und her tragen, nicht infolge eines kriegerischen Konflikts, wie es noch eben geschehn ist, nnter die polizeiliche Willkür von England fallen, oder daß infolge eines Kriegs mit England unser gesamter Handel, unsre Handels- und Kriegsflotte jenseits des Suezkanals wie in der Mausefalle zerstört oder gefangen werden können. Laurenzo-Marquez ist der letzte Hafen, der, in der Hand einer nichtenglischcn und zur See bewaffneten Macht, nach gehöriger Befestigung den Stützpunkt bieten kann, von dem aus in diesen Meeren der englischen Flotte ein Gegen¬ gewicht geboten werden könnte. Es ist unmöglich, daß dieser Hafen englisch wird; es ist unmöglich, daß Afrika von Kairo bis zum Kap britische „Interessen¬ sphäre" und der Indische Ozean ein britischer See wird. Wenn wir Deutschen Grund haben, die Erhaltung britischer Macht und die Erhaltung unsrer guten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551/324>, abgerufen am 04.07.2024.