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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.

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nachdem dus Land in ihre Hand gekommen war, Fürst Milosch es wenigstens
U'ehe nehmen, im Orte Golnbaz Han und Moschee zu zerstören.

Daß ein geschichtlich so namhafter Platz wie dieser hier, nu dem die
Phantasie schon angeregt wird durch deu Eintritt des Stroms aus lachender
Ebene zwischen drohende Felsriffe und dunkle Waldberge, auch der Sage zum
Schauplatz dienen mußte, ist Wohl verständlich, doppelt, wo hier die sagen- und
liederreichen Serben sitzen, denen selbst die Golubazer Fliege aus dem Kopfe
eines giftigen Drachen entsteht, den der heilige Georg ihm abgehauen und in
eme Höhle geworfen hat. Ans dein Namen Golubaz, Taubenschlag, der auch ins
Türkische als Gögerdschinlik übernommen worden war, entwickelte sich Wohl für
die Volkseinbildnng die Geschichte von einer serbischen oder türkischen Prinzessin,
bie das Schloß zum Stelldichein ihrer zahlreichen Liebhaber gemacht haben
soll, und vielleicht ist eben diese Ungetreue, die dann von ihrem eifersüchtigen
bemahl auf dem einsamen Babaknhfelsen, dem Stein "Bereue," ausgesetzt wurde
und so den Anlaß gab zu dem von Lenaus Schwager A. H, Schurz in seinen
Donausagen mitgeteilten Liede von dieser Donaulorelci, das freilich unter
etwas gewaltsamer Behandlung der deutschen Sprache von ihm übersetzt
worden ist:

[Beginn Spaltensatz] Eine Frau goldgelber Hnare
Untreu ward befunden;
Ihr Geliebter, ein Magyare,
Aber war verschwunden;
Noch sein Haupt ein Janitschare
Brandes in wenig Stunden,
Und als Schmuck ward -- o Barbars!
Es ihr umgebunden --
Babakay! [Spaltenumbruch] In der Donau steht ein Felsen,
Babakau nun heißt er;
Kaum erstiegen ihn die Geisen
Ein so lotsteil dreister;
Unten oft umscherzt von Welsen,
O, die sind Schwimmmeister,
Wellen auch giebts mit Schwanenhälsen
Auf dran, schaumbeweisztcr
Babakay.
eetreue[Ende Spaltensatz]
Auf den Fels di Ung
Ließ der Aga bringen,
Da nun mag ohn alle Scheue
Sie das Haupt umschlingen
Und ihm stets aufs neue
Wonnegirrend singen,
Oder aber, fühlt sie Neue,
In die Donau springen!
Babakay!

Unter den Türmen und Mauern der Feste Golubaz, die sich bis ans
Wasser herunter erstrecken, vorüber trug die stille aber starke Strömung des
hier tiefen Flusses den ruhig gehenden Dampfer, hinein in die majestätische
Bergwelt, die teils in schroffen Felsenriffen und öden steilen Erdadstürzen, teils
überdeckt vom üppigen Grün der Waldungen dicht an den Strom heran¬
tritt, der sich in sanften Windungen durch sie hindurch Bahn bricht. Immer
neue Bilder und entzückendere Ansichten bot die Landschaft mit den senkrecht
zum Fluß heranlaufenden Bergrücken, deren Absturz sich perspektivisch hinter¬
einander staffelt, und bald vor-, bald zurückschauend ward das Auge nicht müde


Grenzboten I 1900 30

nachdem dus Land in ihre Hand gekommen war, Fürst Milosch es wenigstens
U'ehe nehmen, im Orte Golnbaz Han und Moschee zu zerstören.

Daß ein geschichtlich so namhafter Platz wie dieser hier, nu dem die
Phantasie schon angeregt wird durch deu Eintritt des Stroms aus lachender
Ebene zwischen drohende Felsriffe und dunkle Waldberge, auch der Sage zum
Schauplatz dienen mußte, ist Wohl verständlich, doppelt, wo hier die sagen- und
liederreichen Serben sitzen, denen selbst die Golubazer Fliege aus dem Kopfe
eines giftigen Drachen entsteht, den der heilige Georg ihm abgehauen und in
eme Höhle geworfen hat. Ans dein Namen Golubaz, Taubenschlag, der auch ins
Türkische als Gögerdschinlik übernommen worden war, entwickelte sich Wohl für
die Volkseinbildnng die Geschichte von einer serbischen oder türkischen Prinzessin,
bie das Schloß zum Stelldichein ihrer zahlreichen Liebhaber gemacht haben
soll, und vielleicht ist eben diese Ungetreue, die dann von ihrem eifersüchtigen
bemahl auf dem einsamen Babaknhfelsen, dem Stein „Bereue," ausgesetzt wurde
und so den Anlaß gab zu dem von Lenaus Schwager A. H, Schurz in seinen
Donausagen mitgeteilten Liede von dieser Donaulorelci, das freilich unter
etwas gewaltsamer Behandlung der deutschen Sprache von ihm übersetzt
worden ist:

[Beginn Spaltensatz] Eine Frau goldgelber Hnare
Untreu ward befunden;
Ihr Geliebter, ein Magyare,
Aber war verschwunden;
Noch sein Haupt ein Janitschare
Brandes in wenig Stunden,
Und als Schmuck ward — o Barbars!
Es ihr umgebunden —
Babakay! [Spaltenumbruch] In der Donau steht ein Felsen,
Babakau nun heißt er;
Kaum erstiegen ihn die Geisen
Ein so lotsteil dreister;
Unten oft umscherzt von Welsen,
O, die sind Schwimmmeister,
Wellen auch giebts mit Schwanenhälsen
Auf dran, schaumbeweisztcr
Babakay.
eetreue[Ende Spaltensatz]
Auf den Fels di Ung
Ließ der Aga bringen,
Da nun mag ohn alle Scheue
Sie das Haupt umschlingen
Und ihm stets aufs neue
Wonnegirrend singen,
Oder aber, fühlt sie Neue,
In die Donau springen!
Babakay!

Unter den Türmen und Mauern der Feste Golubaz, die sich bis ans
Wasser herunter erstrecken, vorüber trug die stille aber starke Strömung des
hier tiefen Flusses den ruhig gehenden Dampfer, hinein in die majestätische
Bergwelt, die teils in schroffen Felsenriffen und öden steilen Erdadstürzen, teils
überdeckt vom üppigen Grün der Waldungen dicht an den Strom heran¬
tritt, der sich in sanften Windungen durch sie hindurch Bahn bricht. Immer
neue Bilder und entzückendere Ansichten bot die Landschaft mit den senkrecht
zum Fluß heranlaufenden Bergrücken, deren Absturz sich perspektivisch hinter¬
einander staffelt, und bald vor-, bald zurückschauend ward das Auge nicht müde


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551/241>, abgerufen am 02.07.2024.