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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.

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Ein Wort über die preußischen Geueralkommissionen

Mitglieder der Zentralbehörde selbst für regierungsrätliche Begriffe sehr wenig
zu thun haben, so macht sich das Bedürfnis nach Vereinfachung des Geschäfts¬
gangs auch innerhalb des verwickelten Mechanismus in keiner Weise geltend.
Es herrscht eine Zentralisierung, die bis ins lächerliche geht. Wird doch selbst
der Vertrag mit der Scheuerfrau, die draußen in der Provinz allwöchentlich
die Landmesserbüreaus reinigt, dem Präsidenten zur Genehmigung vorgelegt, ob
auch dem hohen Kollegium, entzieht sich der Kenntnis meines Gewährsmanns.

Noch schlimmer ist es in Kassensachen. Von Pauschquauteu, wie sie bei
andern Behörden üblich sind, wird fast gar kein Gebrauch gemacht, jede kleine
Ausgabe, mag sie "och so oft und regelmäßig wiederkehren, muß einzeln
liquidiert werden und wird erst, nachdem sie zehn bis zwanzig Personen ge¬
prüft und begutachtet haben, dem Beamten erstattet. So wird großes und
kleines mit derselben büreaukratischen Feierlichkeit behandelt, und es ist nicht
zu verwundern, wenn sich vielfach ganz das Gefühl für das Maß der Dinge
verliert. Natürlich bleibt eine derartige Behandlung der Geschäfte nicht ohne
Einfluß auf den Verlauf des Verfahrens. Bei den vielen Beamten, die mit¬
zureden haben, ist es unvermeidlich, daß eine ganze Anzahl Umänderungen
an den Plänen getroffen werden, und daß sich noch im letzten Augenblick die
getroffnen Dispositionen ganz ändern, wodurch sowohl die Kosten für die ört-
lichen Arbeiten anschwellen, als auch häufig recht wesentliche Verzögerungen
eintreten. Auch das Gefühl der persönlichen Verantwortung leidet selbstver¬
ständlich darunter. Man kann es schließlich dem Landmesser gar nicht übel
nehmen, wenn er das von ihm. als richtig erkannte gegen die vielen unkontrollier¬
baren Einflüsse häufig nicht mit der nötigen Wärme versieht. Denn meist hilft es
doch nichts, und außerdem liebt die etwas diktatorisch angehauchte Behörde auch
sachlich begründete selbständige Ansichten ihrer technischen Beamten durchaus
nicht und stellt solche Elemente gern kalt. Hat nun der Techniker mehr
Schlauheit als Interesse für die Sache, so macht er sie eben nicht so, wie sie
ihm am besten scheint, sondern so, daß bei der Revision an der Zentralbehörde
möglichst wenig Erinnerungen äußerlicher Natur gezogen werden können und
ein möglichst glattes Kartenbild herauskommt. Er verwendet eben dann auf
die Ausführung der rein vcrmessungstechnischen Arbeiten, auch wenn sie pro¬
visorischer Natur sind, mehr Zeit und Sorgfalt, als es notwendig und im
Interesse des Kostenpunkts wünschenswert wäre. Daß dabei die Wünsche der
Interessenten, wenn sie zufällig nicht in das Schema ? passen, häufig nicht
genügend berücksichtigt werden, liegt auf der Hand. Kurz, es treten bei den
Zusammenlegungen alle die Mängel schroff zu Tage, die immer dann beobachtet
werden, wenn individuell zu behandelnde Sachen bureaukratisch und schematisch
behandelt werden.

Dazu wird das ganze Verfahren obendrein noch nach einer völlig ver¬
alteten Prozeßordnung betrieben, die als Antiquität eigentlich eine besondre
Beleuchtung verdiente. Durch die Verordnung von 1817 sind hierfür die
Grundsätze der allgemeinen Gerichtsordnung mit der Offiziell- und Jnstruktions-


Ein Wort über die preußischen Geueralkommissionen

Mitglieder der Zentralbehörde selbst für regierungsrätliche Begriffe sehr wenig
zu thun haben, so macht sich das Bedürfnis nach Vereinfachung des Geschäfts¬
gangs auch innerhalb des verwickelten Mechanismus in keiner Weise geltend.
Es herrscht eine Zentralisierung, die bis ins lächerliche geht. Wird doch selbst
der Vertrag mit der Scheuerfrau, die draußen in der Provinz allwöchentlich
die Landmesserbüreaus reinigt, dem Präsidenten zur Genehmigung vorgelegt, ob
auch dem hohen Kollegium, entzieht sich der Kenntnis meines Gewährsmanns.

Noch schlimmer ist es in Kassensachen. Von Pauschquauteu, wie sie bei
andern Behörden üblich sind, wird fast gar kein Gebrauch gemacht, jede kleine
Ausgabe, mag sie »och so oft und regelmäßig wiederkehren, muß einzeln
liquidiert werden und wird erst, nachdem sie zehn bis zwanzig Personen ge¬
prüft und begutachtet haben, dem Beamten erstattet. So wird großes und
kleines mit derselben büreaukratischen Feierlichkeit behandelt, und es ist nicht
zu verwundern, wenn sich vielfach ganz das Gefühl für das Maß der Dinge
verliert. Natürlich bleibt eine derartige Behandlung der Geschäfte nicht ohne
Einfluß auf den Verlauf des Verfahrens. Bei den vielen Beamten, die mit¬
zureden haben, ist es unvermeidlich, daß eine ganze Anzahl Umänderungen
an den Plänen getroffen werden, und daß sich noch im letzten Augenblick die
getroffnen Dispositionen ganz ändern, wodurch sowohl die Kosten für die ört-
lichen Arbeiten anschwellen, als auch häufig recht wesentliche Verzögerungen
eintreten. Auch das Gefühl der persönlichen Verantwortung leidet selbstver¬
ständlich darunter. Man kann es schließlich dem Landmesser gar nicht übel
nehmen, wenn er das von ihm. als richtig erkannte gegen die vielen unkontrollier¬
baren Einflüsse häufig nicht mit der nötigen Wärme versieht. Denn meist hilft es
doch nichts, und außerdem liebt die etwas diktatorisch angehauchte Behörde auch
sachlich begründete selbständige Ansichten ihrer technischen Beamten durchaus
nicht und stellt solche Elemente gern kalt. Hat nun der Techniker mehr
Schlauheit als Interesse für die Sache, so macht er sie eben nicht so, wie sie
ihm am besten scheint, sondern so, daß bei der Revision an der Zentralbehörde
möglichst wenig Erinnerungen äußerlicher Natur gezogen werden können und
ein möglichst glattes Kartenbild herauskommt. Er verwendet eben dann auf
die Ausführung der rein vcrmessungstechnischen Arbeiten, auch wenn sie pro¬
visorischer Natur sind, mehr Zeit und Sorgfalt, als es notwendig und im
Interesse des Kostenpunkts wünschenswert wäre. Daß dabei die Wünsche der
Interessenten, wenn sie zufällig nicht in das Schema ? passen, häufig nicht
genügend berücksichtigt werden, liegt auf der Hand. Kurz, es treten bei den
Zusammenlegungen alle die Mängel schroff zu Tage, die immer dann beobachtet
werden, wenn individuell zu behandelnde Sachen bureaukratisch und schematisch
behandelt werden.

Dazu wird das ganze Verfahren obendrein noch nach einer völlig ver¬
alteten Prozeßordnung betrieben, die als Antiquität eigentlich eine besondre
Beleuchtung verdiente. Durch die Verordnung von 1817 sind hierfür die
Grundsätze der allgemeinen Gerichtsordnung mit der Offiziell- und Jnstruktions-


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[0234] Ein Wort über die preußischen Geueralkommissionen Mitglieder der Zentralbehörde selbst für regierungsrätliche Begriffe sehr wenig zu thun haben, so macht sich das Bedürfnis nach Vereinfachung des Geschäfts¬ gangs auch innerhalb des verwickelten Mechanismus in keiner Weise geltend. Es herrscht eine Zentralisierung, die bis ins lächerliche geht. Wird doch selbst der Vertrag mit der Scheuerfrau, die draußen in der Provinz allwöchentlich die Landmesserbüreaus reinigt, dem Präsidenten zur Genehmigung vorgelegt, ob auch dem hohen Kollegium, entzieht sich der Kenntnis meines Gewährsmanns. Noch schlimmer ist es in Kassensachen. Von Pauschquauteu, wie sie bei andern Behörden üblich sind, wird fast gar kein Gebrauch gemacht, jede kleine Ausgabe, mag sie »och so oft und regelmäßig wiederkehren, muß einzeln liquidiert werden und wird erst, nachdem sie zehn bis zwanzig Personen ge¬ prüft und begutachtet haben, dem Beamten erstattet. So wird großes und kleines mit derselben büreaukratischen Feierlichkeit behandelt, und es ist nicht zu verwundern, wenn sich vielfach ganz das Gefühl für das Maß der Dinge verliert. Natürlich bleibt eine derartige Behandlung der Geschäfte nicht ohne Einfluß auf den Verlauf des Verfahrens. Bei den vielen Beamten, die mit¬ zureden haben, ist es unvermeidlich, daß eine ganze Anzahl Umänderungen an den Plänen getroffen werden, und daß sich noch im letzten Augenblick die getroffnen Dispositionen ganz ändern, wodurch sowohl die Kosten für die ört- lichen Arbeiten anschwellen, als auch häufig recht wesentliche Verzögerungen eintreten. Auch das Gefühl der persönlichen Verantwortung leidet selbstver¬ ständlich darunter. Man kann es schließlich dem Landmesser gar nicht übel nehmen, wenn er das von ihm. als richtig erkannte gegen die vielen unkontrollier¬ baren Einflüsse häufig nicht mit der nötigen Wärme versieht. Denn meist hilft es doch nichts, und außerdem liebt die etwas diktatorisch angehauchte Behörde auch sachlich begründete selbständige Ansichten ihrer technischen Beamten durchaus nicht und stellt solche Elemente gern kalt. Hat nun der Techniker mehr Schlauheit als Interesse für die Sache, so macht er sie eben nicht so, wie sie ihm am besten scheint, sondern so, daß bei der Revision an der Zentralbehörde möglichst wenig Erinnerungen äußerlicher Natur gezogen werden können und ein möglichst glattes Kartenbild herauskommt. Er verwendet eben dann auf die Ausführung der rein vcrmessungstechnischen Arbeiten, auch wenn sie pro¬ visorischer Natur sind, mehr Zeit und Sorgfalt, als es notwendig und im Interesse des Kostenpunkts wünschenswert wäre. Daß dabei die Wünsche der Interessenten, wenn sie zufällig nicht in das Schema ? passen, häufig nicht genügend berücksichtigt werden, liegt auf der Hand. Kurz, es treten bei den Zusammenlegungen alle die Mängel schroff zu Tage, die immer dann beobachtet werden, wenn individuell zu behandelnde Sachen bureaukratisch und schematisch behandelt werden. Dazu wird das ganze Verfahren obendrein noch nach einer völlig ver¬ alteten Prozeßordnung betrieben, die als Antiquität eigentlich eine besondre Beleuchtung verdiente. Durch die Verordnung von 1817 sind hierfür die Grundsätze der allgemeinen Gerichtsordnung mit der Offiziell- und Jnstruktions-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551/234>, abgerufen am 02.07.2024.