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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.

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Lin Wort über die preußischen Getteralkommissionen

maxime und einem sehr weitgehende" Kontumnzialv erfahren eingeführte Diese
Grundsätze gelten trotz einiger Abänderungen in Äußerlichkeiten noch heute.
Die bei allen andern Gerichtshöfen herrschenden Grundsätze der Öffentlichkeit,
Mindlichl'eit und Unmittelbarkeit scheinen für die Generalkonunission noch nicht
entdeckt zu sein. Derselbe Kommissar, der nach dem Gesetz den Verteilungs¬
plan gemacht hat, nimmt auch die Einwendungen dagegen zu Protokoll, macht
dagegen sein Gutachten, und auf Grund dieses Materials giebt dann das
Kollegium der Generalkommission, von der meist keins der Mitglieder über die
örtlichen Verhältnisse informiert ist, sein Urteil in geheimer Sitzung ab. Es
wird ja freilich selten einem Unrecht geschehn, denn auch bei der General-
kommission verleugnet sich schließlich der preußische Beamte nicht. Der Bauer
ist aber eben an ein andres gerichtliches Verfahren gewöhnt, er versteht die
eigentümliche Rechtspflege der Genernlkommissivn ebenso wenig wie andre ver¬
nünftige Menschen und wird infolgedessen mißtrauisch. Gerade das muß aber,
da der Erfolg des ganzen Verfahrens nur von dem Maße des ihm entgegen¬
gebrachten Vertrauens abhängt, nach Kräften vermieden werden. Schließlich
handelt es sich bei den Prozessen fast immer um landwirtschaftliche Fragen,
und da ist ein Schiedsgericht von Fachleuten, die sich unbefangen örtlich
informieren können, wie es z. B. in Bayern geschieht, das einzig Richtige.
Überhaupt ist es notwendig, daß dem Laienelement, dem Landwirt, ein ma߬
gebender Einfluß in unsrer Behörde eingeräumt wird. Nur läßt sich das ohne
durchgreifende Reform nicht erzielen, da sich sonst der Geschäftsgang bis ins
Unendliche verlöre, andrerseits der jetzige gesetzliche Zustand der Behörde zu
viel Mittel an die Hand giebt, jeden unbequemen Einfluß einfach matt zu setzen.

Faßt man alle die erwähnten Umstände zusammen, die zweckwidrige Zu¬
sammensetzung des Beamtenkörpers, den unendlich schwerfälligen Instanzenzug,
die Ausnahmeprozeßordnung mit ihren mangelnden Rechtsgarantien und über¬
haupt die ganze, für durchaus andre Verhältnisse zugcschnittne Prozeßordnung,
so wird man für das, was trotzdem geleistet wird, den ausführenden Beamten
die Anerkennung nicht versagen können. Daß freilich dasselbe mit weitaus
geringern Kosten für Staat und Beteiligte und in zweckentsprechenderer Weise
geleistet werden könnte, wenn das System sich änderte, ist zweifellos. In der
Politik der kleinen Mittel, wie sie zum Schutze der Landwirtschaft proklamiert
Wird, ist die Wirksamkeit der Generalkommission so ziemlich das Einzige, was
dem kleinen Landwirt des Westens unmittelbar zu gute kommt. Sorge man
dafür, daß gerade in den nächsten Jahrzehnten, wo die ürmern Gemarkungen
des Westens zur Verkovplung kommen werden, diesen die Wohlthat nicht unnütz
verkürzt wird.




Lin Wort über die preußischen Getteralkommissionen

maxime und einem sehr weitgehende» Kontumnzialv erfahren eingeführte Diese
Grundsätze gelten trotz einiger Abänderungen in Äußerlichkeiten noch heute.
Die bei allen andern Gerichtshöfen herrschenden Grundsätze der Öffentlichkeit,
Mindlichl'eit und Unmittelbarkeit scheinen für die Generalkonunission noch nicht
entdeckt zu sein. Derselbe Kommissar, der nach dem Gesetz den Verteilungs¬
plan gemacht hat, nimmt auch die Einwendungen dagegen zu Protokoll, macht
dagegen sein Gutachten, und auf Grund dieses Materials giebt dann das
Kollegium der Generalkommission, von der meist keins der Mitglieder über die
örtlichen Verhältnisse informiert ist, sein Urteil in geheimer Sitzung ab. Es
wird ja freilich selten einem Unrecht geschehn, denn auch bei der General-
kommission verleugnet sich schließlich der preußische Beamte nicht. Der Bauer
ist aber eben an ein andres gerichtliches Verfahren gewöhnt, er versteht die
eigentümliche Rechtspflege der Genernlkommissivn ebenso wenig wie andre ver¬
nünftige Menschen und wird infolgedessen mißtrauisch. Gerade das muß aber,
da der Erfolg des ganzen Verfahrens nur von dem Maße des ihm entgegen¬
gebrachten Vertrauens abhängt, nach Kräften vermieden werden. Schließlich
handelt es sich bei den Prozessen fast immer um landwirtschaftliche Fragen,
und da ist ein Schiedsgericht von Fachleuten, die sich unbefangen örtlich
informieren können, wie es z. B. in Bayern geschieht, das einzig Richtige.
Überhaupt ist es notwendig, daß dem Laienelement, dem Landwirt, ein ma߬
gebender Einfluß in unsrer Behörde eingeräumt wird. Nur läßt sich das ohne
durchgreifende Reform nicht erzielen, da sich sonst der Geschäftsgang bis ins
Unendliche verlöre, andrerseits der jetzige gesetzliche Zustand der Behörde zu
viel Mittel an die Hand giebt, jeden unbequemen Einfluß einfach matt zu setzen.

Faßt man alle die erwähnten Umstände zusammen, die zweckwidrige Zu¬
sammensetzung des Beamtenkörpers, den unendlich schwerfälligen Instanzenzug,
die Ausnahmeprozeßordnung mit ihren mangelnden Rechtsgarantien und über¬
haupt die ganze, für durchaus andre Verhältnisse zugcschnittne Prozeßordnung,
so wird man für das, was trotzdem geleistet wird, den ausführenden Beamten
die Anerkennung nicht versagen können. Daß freilich dasselbe mit weitaus
geringern Kosten für Staat und Beteiligte und in zweckentsprechenderer Weise
geleistet werden könnte, wenn das System sich änderte, ist zweifellos. In der
Politik der kleinen Mittel, wie sie zum Schutze der Landwirtschaft proklamiert
Wird, ist die Wirksamkeit der Generalkommission so ziemlich das Einzige, was
dem kleinen Landwirt des Westens unmittelbar zu gute kommt. Sorge man
dafür, daß gerade in den nächsten Jahrzehnten, wo die ürmern Gemarkungen
des Westens zur Verkovplung kommen werden, diesen die Wohlthat nicht unnütz
verkürzt wird.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551/235>, abgerufen am 01.07.2024.