Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Gin U)ort über die preußischen Geiicralkonnnissionen

bildung überhaupt nicht so genau. Die Kommission war eine Art Nothafen
für manche Gutsbesitzer, die nicht weiter konnten. Jetzt verlangt man eine
fünfjährige landwirtschaftliche Thätigkeit und die Absolvierung eines kultur¬
technischen Kursus, Aber ich glaube, daß man auch bellte noch über manche
dieser Bedingungen hinwegsieht. Es wäre hier allgemein eine abgeschlossene
Gymnnsialbildung und eine besondre praktische Vorbereitung recht zu wünschen.
Eine eindringende wissenschaftliche Beschäftigung mit der Nationalökonomie
und den landwirtschaftlichen Nebenfächern und eine größere Vertrautheit mit
landwirtschaftlichen Kleinbetrieben und mit praktischen kulturtechnischen Arbeiten
wäre besonders für die Thätigkeit im Westen dringend notwendig. Das Haupt¬
übel aber liegt darin: es hat sich in dieser Behörde noch keine offizielle Be¬
amtenlaufbahn ausgebildet; ohne persönliche Fürsprache gelangt nur selten
jemand hinein. Und doch ist die Thätigkeit eines Spezialkommiffars so an¬
regend, daß man auch bei den höchsten Anforderungen an eine wissenschaftliche
und praktische Vorbildung genug Anwärter finden würde, wenn man sich ent¬
schließen könnte, der beinahe unbekannten Karriere ein offizielles Gepräge zu
geben, wie bei alleu andern Beamtenkategorien.

Die letzte zahlreichste Beamtenklasfe ist die der Landmesser. Diese sind
augenscheinlich von jeher nur als ein notwendiges Übel betrachtet worden; sie
waren bis vor fünfundzwanzig Jahren mehr Privatunternehmer als Beamte,
die für die ausgeführten Arbeiten teilweise sogar im Akkord bezahlt wurden,
ohne feste Anstellung, ohne Pensionsberechtigung und ohne die geringste eigen¬
tümliche Machtbefugnis. Wegen dieser schlechten Aussichten ließ ihre Vor¬
bildung früher wohl manches zu wünschen übrig und blieb vielfach hinter der
zurück, die andre Behörden von den angestellten Landmessern verlangen. Dies
hat sich nun in der letzten Zeit bedeutend geändert. Die heutigen Vermessnngs-
beamten haben fast durchweg studiert; heute verlangt mau eine abgeschlossene
Gymnasialbildung, ein- bis zweijährige praktische Thätigkeit, mindestens ein
viersemestriges Studium und nach dreijähriger Beschäftigung nochmals die Ab-
legung eines praktischen kulturtechnischen Examens, von dessen Ausfall die feste
Anstellung abhängt.

Solange die Regulierung und Ablösung im Vordergrunde des Interesses
stand, Ware" die Geschäfte der Beamten gleichmäßig verteilt. Die Mitglieder
der Kollegien hatten neben der allgemeinen Aufsicht die zahlreichen Prozesse
zu erledigen, die Kommissare hatten an Ort und Stelle die meist recht un¬
klaren und verwickelten Rechtsverhältnisse aufzuklären, als eine Art von Unter¬
suchungsrichtern die Prozesse vorzubereiten und für die zahlreichen Sachen die
Rezefse ^Schlußurkunden) aufzustellen, die Feldmesser waren in ihren technischen
Dingen, die den rechtlichen gegenüber von geringer Bedeutung waren, wenn
auch nicht gesetzlich, so doch thatsächlich ziemlich unabhängig. Das änderte sich
jedoch, sobald die "Zusammenlegung" die Hauptaufgabe unsrer Behörde wurde.

Die deutsche Dorsverfaffung mit ihrer stückweise ausgeführten Urbar¬
machung der Dorfmark bringt es mit sich, daß der Landbesitz des Einzelnen


Gin U)ort über die preußischen Geiicralkonnnissionen

bildung überhaupt nicht so genau. Die Kommission war eine Art Nothafen
für manche Gutsbesitzer, die nicht weiter konnten. Jetzt verlangt man eine
fünfjährige landwirtschaftliche Thätigkeit und die Absolvierung eines kultur¬
technischen Kursus, Aber ich glaube, daß man auch bellte noch über manche
dieser Bedingungen hinwegsieht. Es wäre hier allgemein eine abgeschlossene
Gymnnsialbildung und eine besondre praktische Vorbereitung recht zu wünschen.
Eine eindringende wissenschaftliche Beschäftigung mit der Nationalökonomie
und den landwirtschaftlichen Nebenfächern und eine größere Vertrautheit mit
landwirtschaftlichen Kleinbetrieben und mit praktischen kulturtechnischen Arbeiten
wäre besonders für die Thätigkeit im Westen dringend notwendig. Das Haupt¬
übel aber liegt darin: es hat sich in dieser Behörde noch keine offizielle Be¬
amtenlaufbahn ausgebildet; ohne persönliche Fürsprache gelangt nur selten
jemand hinein. Und doch ist die Thätigkeit eines Spezialkommiffars so an¬
regend, daß man auch bei den höchsten Anforderungen an eine wissenschaftliche
und praktische Vorbildung genug Anwärter finden würde, wenn man sich ent¬
schließen könnte, der beinahe unbekannten Karriere ein offizielles Gepräge zu
geben, wie bei alleu andern Beamtenkategorien.

Die letzte zahlreichste Beamtenklasfe ist die der Landmesser. Diese sind
augenscheinlich von jeher nur als ein notwendiges Übel betrachtet worden; sie
waren bis vor fünfundzwanzig Jahren mehr Privatunternehmer als Beamte,
die für die ausgeführten Arbeiten teilweise sogar im Akkord bezahlt wurden,
ohne feste Anstellung, ohne Pensionsberechtigung und ohne die geringste eigen¬
tümliche Machtbefugnis. Wegen dieser schlechten Aussichten ließ ihre Vor¬
bildung früher wohl manches zu wünschen übrig und blieb vielfach hinter der
zurück, die andre Behörden von den angestellten Landmessern verlangen. Dies
hat sich nun in der letzten Zeit bedeutend geändert. Die heutigen Vermessnngs-
beamten haben fast durchweg studiert; heute verlangt mau eine abgeschlossene
Gymnasialbildung, ein- bis zweijährige praktische Thätigkeit, mindestens ein
viersemestriges Studium und nach dreijähriger Beschäftigung nochmals die Ab-
legung eines praktischen kulturtechnischen Examens, von dessen Ausfall die feste
Anstellung abhängt.

Solange die Regulierung und Ablösung im Vordergrunde des Interesses
stand, Ware» die Geschäfte der Beamten gleichmäßig verteilt. Die Mitglieder
der Kollegien hatten neben der allgemeinen Aufsicht die zahlreichen Prozesse
zu erledigen, die Kommissare hatten an Ort und Stelle die meist recht un¬
klaren und verwickelten Rechtsverhältnisse aufzuklären, als eine Art von Unter¬
suchungsrichtern die Prozesse vorzubereiten und für die zahlreichen Sachen die
Rezefse ^Schlußurkunden) aufzustellen, die Feldmesser waren in ihren technischen
Dingen, die den rechtlichen gegenüber von geringer Bedeutung waren, wenn
auch nicht gesetzlich, so doch thatsächlich ziemlich unabhängig. Das änderte sich
jedoch, sobald die „Zusammenlegung" die Hauptaufgabe unsrer Behörde wurde.

Die deutsche Dorsverfaffung mit ihrer stückweise ausgeführten Urbar¬
machung der Dorfmark bringt es mit sich, daß der Landbesitz des Einzelnen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0230" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/232782"/>
          <fw type="header" place="top"> Gin U)ort über die preußischen Geiicralkonnnissionen</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_708" prev="#ID_707"> bildung überhaupt nicht so genau. Die Kommission war eine Art Nothafen<lb/>
für manche Gutsbesitzer, die nicht weiter konnten. Jetzt verlangt man eine<lb/>
fünfjährige landwirtschaftliche Thätigkeit und die Absolvierung eines kultur¬<lb/>
technischen Kursus, Aber ich glaube, daß man auch bellte noch über manche<lb/>
dieser Bedingungen hinwegsieht. Es wäre hier allgemein eine abgeschlossene<lb/>
Gymnnsialbildung und eine besondre praktische Vorbereitung recht zu wünschen.<lb/>
Eine eindringende wissenschaftliche Beschäftigung mit der Nationalökonomie<lb/>
und den landwirtschaftlichen Nebenfächern und eine größere Vertrautheit mit<lb/>
landwirtschaftlichen Kleinbetrieben und mit praktischen kulturtechnischen Arbeiten<lb/>
wäre besonders für die Thätigkeit im Westen dringend notwendig. Das Haupt¬<lb/>
übel aber liegt darin: es hat sich in dieser Behörde noch keine offizielle Be¬<lb/>
amtenlaufbahn ausgebildet; ohne persönliche Fürsprache gelangt nur selten<lb/>
jemand hinein. Und doch ist die Thätigkeit eines Spezialkommiffars so an¬<lb/>
regend, daß man auch bei den höchsten Anforderungen an eine wissenschaftliche<lb/>
und praktische Vorbildung genug Anwärter finden würde, wenn man sich ent¬<lb/>
schließen könnte, der beinahe unbekannten Karriere ein offizielles Gepräge zu<lb/>
geben, wie bei alleu andern Beamtenkategorien.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_709"> Die letzte zahlreichste Beamtenklasfe ist die der Landmesser. Diese sind<lb/>
augenscheinlich von jeher nur als ein notwendiges Übel betrachtet worden; sie<lb/>
waren bis vor fünfundzwanzig Jahren mehr Privatunternehmer als Beamte,<lb/>
die für die ausgeführten Arbeiten teilweise sogar im Akkord bezahlt wurden,<lb/>
ohne feste Anstellung, ohne Pensionsberechtigung und ohne die geringste eigen¬<lb/>
tümliche Machtbefugnis. Wegen dieser schlechten Aussichten ließ ihre Vor¬<lb/>
bildung früher wohl manches zu wünschen übrig und blieb vielfach hinter der<lb/>
zurück, die andre Behörden von den angestellten Landmessern verlangen. Dies<lb/>
hat sich nun in der letzten Zeit bedeutend geändert. Die heutigen Vermessnngs-<lb/>
beamten haben fast durchweg studiert; heute verlangt mau eine abgeschlossene<lb/>
Gymnasialbildung, ein- bis zweijährige praktische Thätigkeit, mindestens ein<lb/>
viersemestriges Studium und nach dreijähriger Beschäftigung nochmals die Ab-<lb/>
legung eines praktischen kulturtechnischen Examens, von dessen Ausfall die feste<lb/>
Anstellung abhängt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_710"> Solange die Regulierung und Ablösung im Vordergrunde des Interesses<lb/>
stand, Ware» die Geschäfte der Beamten gleichmäßig verteilt. Die Mitglieder<lb/>
der Kollegien hatten neben der allgemeinen Aufsicht die zahlreichen Prozesse<lb/>
zu erledigen, die Kommissare hatten an Ort und Stelle die meist recht un¬<lb/>
klaren und verwickelten Rechtsverhältnisse aufzuklären, als eine Art von Unter¬<lb/>
suchungsrichtern die Prozesse vorzubereiten und für die zahlreichen Sachen die<lb/>
Rezefse ^Schlußurkunden) aufzustellen, die Feldmesser waren in ihren technischen<lb/>
Dingen, die den rechtlichen gegenüber von geringer Bedeutung waren, wenn<lb/>
auch nicht gesetzlich, so doch thatsächlich ziemlich unabhängig. Das änderte sich<lb/>
jedoch, sobald die &#x201E;Zusammenlegung" die Hauptaufgabe unsrer Behörde wurde.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_711" next="#ID_712"> Die deutsche Dorsverfaffung mit ihrer stückweise ausgeführten Urbar¬<lb/>
machung der Dorfmark bringt es mit sich, daß der Landbesitz des Einzelnen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0230] Gin U)ort über die preußischen Geiicralkonnnissionen bildung überhaupt nicht so genau. Die Kommission war eine Art Nothafen für manche Gutsbesitzer, die nicht weiter konnten. Jetzt verlangt man eine fünfjährige landwirtschaftliche Thätigkeit und die Absolvierung eines kultur¬ technischen Kursus, Aber ich glaube, daß man auch bellte noch über manche dieser Bedingungen hinwegsieht. Es wäre hier allgemein eine abgeschlossene Gymnnsialbildung und eine besondre praktische Vorbereitung recht zu wünschen. Eine eindringende wissenschaftliche Beschäftigung mit der Nationalökonomie und den landwirtschaftlichen Nebenfächern und eine größere Vertrautheit mit landwirtschaftlichen Kleinbetrieben und mit praktischen kulturtechnischen Arbeiten wäre besonders für die Thätigkeit im Westen dringend notwendig. Das Haupt¬ übel aber liegt darin: es hat sich in dieser Behörde noch keine offizielle Be¬ amtenlaufbahn ausgebildet; ohne persönliche Fürsprache gelangt nur selten jemand hinein. Und doch ist die Thätigkeit eines Spezialkommiffars so an¬ regend, daß man auch bei den höchsten Anforderungen an eine wissenschaftliche und praktische Vorbildung genug Anwärter finden würde, wenn man sich ent¬ schließen könnte, der beinahe unbekannten Karriere ein offizielles Gepräge zu geben, wie bei alleu andern Beamtenkategorien. Die letzte zahlreichste Beamtenklasfe ist die der Landmesser. Diese sind augenscheinlich von jeher nur als ein notwendiges Übel betrachtet worden; sie waren bis vor fünfundzwanzig Jahren mehr Privatunternehmer als Beamte, die für die ausgeführten Arbeiten teilweise sogar im Akkord bezahlt wurden, ohne feste Anstellung, ohne Pensionsberechtigung und ohne die geringste eigen¬ tümliche Machtbefugnis. Wegen dieser schlechten Aussichten ließ ihre Vor¬ bildung früher wohl manches zu wünschen übrig und blieb vielfach hinter der zurück, die andre Behörden von den angestellten Landmessern verlangen. Dies hat sich nun in der letzten Zeit bedeutend geändert. Die heutigen Vermessnngs- beamten haben fast durchweg studiert; heute verlangt mau eine abgeschlossene Gymnasialbildung, ein- bis zweijährige praktische Thätigkeit, mindestens ein viersemestriges Studium und nach dreijähriger Beschäftigung nochmals die Ab- legung eines praktischen kulturtechnischen Examens, von dessen Ausfall die feste Anstellung abhängt. Solange die Regulierung und Ablösung im Vordergrunde des Interesses stand, Ware» die Geschäfte der Beamten gleichmäßig verteilt. Die Mitglieder der Kollegien hatten neben der allgemeinen Aufsicht die zahlreichen Prozesse zu erledigen, die Kommissare hatten an Ort und Stelle die meist recht un¬ klaren und verwickelten Rechtsverhältnisse aufzuklären, als eine Art von Unter¬ suchungsrichtern die Prozesse vorzubereiten und für die zahlreichen Sachen die Rezefse ^Schlußurkunden) aufzustellen, die Feldmesser waren in ihren technischen Dingen, die den rechtlichen gegenüber von geringer Bedeutung waren, wenn auch nicht gesetzlich, so doch thatsächlich ziemlich unabhängig. Das änderte sich jedoch, sobald die „Zusammenlegung" die Hauptaufgabe unsrer Behörde wurde. Die deutsche Dorsverfaffung mit ihrer stückweise ausgeführten Urbar¬ machung der Dorfmark bringt es mit sich, daß der Landbesitz des Einzelnen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551/230
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551/230>, abgerufen am 02.07.2024.