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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.

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Polnisch": Politik

fertiges Kontinent zur Ergänzung des preußischen Heeres/') dessen Mitwirkung
diesem um so wertvoller ist. als es gut bekannt ist sowohl mit der Topographie
des Landes als auch mit allen seineu Besonderheiten. Aus diesen Einwandrern
werden sich ohne Zweifel alle örtlichen administrativ-polizeilichen Gewalten
rekrutieren im Falle eines Eindringens des deutschen Heeres in unsre Grenzen.
In den Grenzorten weisen die Einwohner schon jetzt auf die Deutschen hin,
die bestimmt seien, die Ämter ihrer Bürgermeister und Polizeimeister zu über¬
nehmen.

"Das Verbot der Verpachtung von Landgütern an fremde Unterthauen
in den Weichselgubernien, sowie der Verwaltung durch sie als Bevollmächtig^oder Verwalter von Grundeigentum, das außerhalb der Städte liegt, hat such
in Wirklichkeit als fast erfolglos erwiesen- die Arrendatoren und Berwa ter
sind durch untergeschobne deutsche Personen ersetzt worden, die die russische
Unterthanschaft erlangt haben, die Leitung der Geschäfte aber ist thatsächlich
in den Händen der frühern Verwalter geblieben. Diese Güter werden erst auf¬
hören, Pflanzstätten der deutschen Kolonisation zu sein von der Zeit an. wo
sie in die Hände der Landeseinwohner werden übergehn, was unvermeidlich
geschehn muß bei strenger Beobachtung des Gesetzes vom 14. März 1887. das
ihre Erhaltung in den banden der Erben der jetzigen Eigentümer für den ,M
verboten hat. daß diese sich erst nach Erscheinen jenes Gesetzes ni Rußland
niederließen.

"Ein beliebtes Schlupfloch der Besitzer der ländlichen Grundstücke, ans denen
sich große industrielle Anstalten finden, ist deren Umwandlung ni nuonyme
Aktiengesellschaften, deren Aktien in den Händen ihrer Gründer bleiben und
nachher frei in die Hände ihrer Erben übergehn. Das einzige Mittel gegen
diese offne Umgebung des Gesetzes ist die Einfügung der Bedingung in die
Statute,, solcher Gesellschaften, daß ihre Teilhaber nur russische Unterthanen
sein dürfen.

"Übrigens kann man uicht sagen, daß die fremden Einwandrer des Weichsel-
lmides ihre angeborne Unterthanschaft zu bewahren strebten. Im Gegenteil
bemühen sie sich alle, um ihre Lage zu ordnen, in die Zahl der rassischen
Unterthanen überzugehn. was natürlich bei ihnen nicht verbunden ist mit einer
Lossagung von ihrer nationalen Gesinnung. Trotz der bedeutenden Schwierig¬
keiten, mit denen jetzt der Eintritt in die russische Unterthanschaft verknüpft ist.
wird er doch in den meisten Fällen von den Nachsnchern erlangt.

"Nach den durch das Übereinkommen Rußlands und Deutschlands vom
19- August 1872 festgesetzten Regeln über die gegenseitige Aufnahme russischer
und preußischer-'--') Unterthanen verlieren diese, wenn sie im Laufe vou zehn
Jahren nicht in ihrer Heimat erschienen oder ihre nationalen Dokumente Nicht
erneuert haben, das Recht der deutschen Unterthanschaft und werden von den




D. h. für den Kriegsfall.
Mich wohl heisze" "deutscher."
Polnisch«: Politik

fertiges Kontinent zur Ergänzung des preußischen Heeres/') dessen Mitwirkung
diesem um so wertvoller ist. als es gut bekannt ist sowohl mit der Topographie
des Landes als auch mit allen seineu Besonderheiten. Aus diesen Einwandrern
werden sich ohne Zweifel alle örtlichen administrativ-polizeilichen Gewalten
rekrutieren im Falle eines Eindringens des deutschen Heeres in unsre Grenzen.
In den Grenzorten weisen die Einwohner schon jetzt auf die Deutschen hin,
die bestimmt seien, die Ämter ihrer Bürgermeister und Polizeimeister zu über¬
nehmen.

„Das Verbot der Verpachtung von Landgütern an fremde Unterthauen
in den Weichselgubernien, sowie der Verwaltung durch sie als Bevollmächtig^oder Verwalter von Grundeigentum, das außerhalb der Städte liegt, hat such
in Wirklichkeit als fast erfolglos erwiesen- die Arrendatoren und Berwa ter
sind durch untergeschobne deutsche Personen ersetzt worden, die die russische
Unterthanschaft erlangt haben, die Leitung der Geschäfte aber ist thatsächlich
in den Händen der frühern Verwalter geblieben. Diese Güter werden erst auf¬
hören, Pflanzstätten der deutschen Kolonisation zu sein von der Zeit an. wo
sie in die Hände der Landeseinwohner werden übergehn, was unvermeidlich
geschehn muß bei strenger Beobachtung des Gesetzes vom 14. März 1887. das
ihre Erhaltung in den banden der Erben der jetzigen Eigentümer für den ,M
verboten hat. daß diese sich erst nach Erscheinen jenes Gesetzes ni Rußland
niederließen.

„Ein beliebtes Schlupfloch der Besitzer der ländlichen Grundstücke, ans denen
sich große industrielle Anstalten finden, ist deren Umwandlung ni nuonyme
Aktiengesellschaften, deren Aktien in den Händen ihrer Gründer bleiben und
nachher frei in die Hände ihrer Erben übergehn. Das einzige Mittel gegen
diese offne Umgebung des Gesetzes ist die Einfügung der Bedingung in die
Statute,, solcher Gesellschaften, daß ihre Teilhaber nur russische Unterthanen
sein dürfen.

„Übrigens kann man uicht sagen, daß die fremden Einwandrer des Weichsel-
lmides ihre angeborne Unterthanschaft zu bewahren strebten. Im Gegenteil
bemühen sie sich alle, um ihre Lage zu ordnen, in die Zahl der rassischen
Unterthanen überzugehn. was natürlich bei ihnen nicht verbunden ist mit einer
Lossagung von ihrer nationalen Gesinnung. Trotz der bedeutenden Schwierig¬
keiten, mit denen jetzt der Eintritt in die russische Unterthanschaft verknüpft ist.
wird er doch in den meisten Fällen von den Nachsnchern erlangt.

„Nach den durch das Übereinkommen Rußlands und Deutschlands vom
19- August 1872 festgesetzten Regeln über die gegenseitige Aufnahme russischer
und preußischer-'--') Unterthanen verlieren diese, wenn sie im Laufe vou zehn
Jahren nicht in ihrer Heimat erschienen oder ihre nationalen Dokumente Nicht
erneuert haben, das Recht der deutschen Unterthanschaft und werden von den




D. h. für den Kriegsfall.
Mich wohl heisze» „deutscher."
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[0023] Polnisch«: Politik fertiges Kontinent zur Ergänzung des preußischen Heeres/') dessen Mitwirkung diesem um so wertvoller ist. als es gut bekannt ist sowohl mit der Topographie des Landes als auch mit allen seineu Besonderheiten. Aus diesen Einwandrern werden sich ohne Zweifel alle örtlichen administrativ-polizeilichen Gewalten rekrutieren im Falle eines Eindringens des deutschen Heeres in unsre Grenzen. In den Grenzorten weisen die Einwohner schon jetzt auf die Deutschen hin, die bestimmt seien, die Ämter ihrer Bürgermeister und Polizeimeister zu über¬ nehmen. „Das Verbot der Verpachtung von Landgütern an fremde Unterthauen in den Weichselgubernien, sowie der Verwaltung durch sie als Bevollmächtig^oder Verwalter von Grundeigentum, das außerhalb der Städte liegt, hat such in Wirklichkeit als fast erfolglos erwiesen- die Arrendatoren und Berwa ter sind durch untergeschobne deutsche Personen ersetzt worden, die die russische Unterthanschaft erlangt haben, die Leitung der Geschäfte aber ist thatsächlich in den Händen der frühern Verwalter geblieben. Diese Güter werden erst auf¬ hören, Pflanzstätten der deutschen Kolonisation zu sein von der Zeit an. wo sie in die Hände der Landeseinwohner werden übergehn, was unvermeidlich geschehn muß bei strenger Beobachtung des Gesetzes vom 14. März 1887. das ihre Erhaltung in den banden der Erben der jetzigen Eigentümer für den ,M verboten hat. daß diese sich erst nach Erscheinen jenes Gesetzes ni Rußland niederließen. „Ein beliebtes Schlupfloch der Besitzer der ländlichen Grundstücke, ans denen sich große industrielle Anstalten finden, ist deren Umwandlung ni nuonyme Aktiengesellschaften, deren Aktien in den Händen ihrer Gründer bleiben und nachher frei in die Hände ihrer Erben übergehn. Das einzige Mittel gegen diese offne Umgebung des Gesetzes ist die Einfügung der Bedingung in die Statute,, solcher Gesellschaften, daß ihre Teilhaber nur russische Unterthanen sein dürfen. „Übrigens kann man uicht sagen, daß die fremden Einwandrer des Weichsel- lmides ihre angeborne Unterthanschaft zu bewahren strebten. Im Gegenteil bemühen sie sich alle, um ihre Lage zu ordnen, in die Zahl der rassischen Unterthanen überzugehn. was natürlich bei ihnen nicht verbunden ist mit einer Lossagung von ihrer nationalen Gesinnung. Trotz der bedeutenden Schwierig¬ keiten, mit denen jetzt der Eintritt in die russische Unterthanschaft verknüpft ist. wird er doch in den meisten Fällen von den Nachsnchern erlangt. „Nach den durch das Übereinkommen Rußlands und Deutschlands vom 19- August 1872 festgesetzten Regeln über die gegenseitige Aufnahme russischer und preußischer-'--') Unterthanen verlieren diese, wenn sie im Laufe vou zehn Jahren nicht in ihrer Heimat erschienen oder ihre nationalen Dokumente Nicht erneuert haben, das Recht der deutschen Unterthanschaft und werden von den D. h. für den Kriegsfall. Mich wohl heisze» „deutscher."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551/23>, abgerufen am 30.06.2024.