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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.

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Böhmische Wirren

n Meinungsäußerungen fehlt es über diesen Gegenstand nicht.
Man muß hoffen, daß sie alle mehr oder Nieniger dazu beige-
tragen haben werden, die endliche Lösung der Frage zu zeitigen.
Ein Samenkorn zur Reife zu bringen, bedarf es manches Regen-
und Tautropfens, der entgegengesetztesten Luftströmungen, des
steten Wechsels von Sonnenlicht und nächtlichen? Dunkel.

Die Zeitungen berichten, daß in Prag von gegenseitigem Entgegenkommen
und gütlichen Vereinbarungen die Rede sei. Um so besser. Wenn man, wie
mitunter behauptet wird, die Erbitterung der beiden sich in Böhmen befehdenden
Parteien als den Hauptgrund des drohenden Stillstands der österreichischen
Stantsmnschiue anzusehen Hütte, so wäre es in der That die höchste Zeit, daß
die gehoffte Versöhnung einträte.

Man wäre im Irrtum, wenn man glaubte, mit dem gegenwärtigen nicht
von der Stelle kommen sei nichts verloren, und solange uicht das ganze ziemlich
künstliche Gefüge des Staats aus den Fugen gehe, habe dieser Stillstand nichts
zu sagen. Ein solcher Irrtum würde in der That zu der Zahl derer gehören,
deren schwerwiegende Bedeutung man erst nach einiger Zeit gewahr werden
wird, wenn das Auge den Weg ermessen kann, der -- wührend man seine
Zeit mit nichtigen Hündeln vergeudete -- von audern zurückgelegt worden ist.
Man wird sich dann sagen müssen, daß man unter günstigern Verhältnissen
recht gut den Wettlauf mit ihnen hätte aufnehmen können, nur wird es leider
nicht mehr Zeit sein, den einmal Verlornen Vorsprung wieder einzubringen.
Allerdings giebt es im Staatsleben innere Kämpfe, die eine Klärung der Lage
herbeiführen und dadurch einen Fortschritt veranlassen können. Wir glauben
nicht, daß die böhmischen Wirren zu dieser Kategorie gehören; es handelt sich
dabei zu ausschließlich um Chikanen, Äußerlichkeiten und Utopien, als daß sie
wirklich etwas segensreiches zu Tage fördern könnten. Der Kampf ist weder
in den Versammlungen noch außerhalb in besonders erbaulicher Weise geführt'


Groinbotcn I 190027


Böhmische Wirren

n Meinungsäußerungen fehlt es über diesen Gegenstand nicht.
Man muß hoffen, daß sie alle mehr oder Nieniger dazu beige-
tragen haben werden, die endliche Lösung der Frage zu zeitigen.
Ein Samenkorn zur Reife zu bringen, bedarf es manches Regen-
und Tautropfens, der entgegengesetztesten Luftströmungen, des
steten Wechsels von Sonnenlicht und nächtlichen? Dunkel.

Die Zeitungen berichten, daß in Prag von gegenseitigem Entgegenkommen
und gütlichen Vereinbarungen die Rede sei. Um so besser. Wenn man, wie
mitunter behauptet wird, die Erbitterung der beiden sich in Böhmen befehdenden
Parteien als den Hauptgrund des drohenden Stillstands der österreichischen
Stantsmnschiue anzusehen Hütte, so wäre es in der That die höchste Zeit, daß
die gehoffte Versöhnung einträte.

Man wäre im Irrtum, wenn man glaubte, mit dem gegenwärtigen nicht
von der Stelle kommen sei nichts verloren, und solange uicht das ganze ziemlich
künstliche Gefüge des Staats aus den Fugen gehe, habe dieser Stillstand nichts
zu sagen. Ein solcher Irrtum würde in der That zu der Zahl derer gehören,
deren schwerwiegende Bedeutung man erst nach einiger Zeit gewahr werden
wird, wenn das Auge den Weg ermessen kann, der — wührend man seine
Zeit mit nichtigen Hündeln vergeudete — von audern zurückgelegt worden ist.
Man wird sich dann sagen müssen, daß man unter günstigern Verhältnissen
recht gut den Wettlauf mit ihnen hätte aufnehmen können, nur wird es leider
nicht mehr Zeit sein, den einmal Verlornen Vorsprung wieder einzubringen.
Allerdings giebt es im Staatsleben innere Kämpfe, die eine Klärung der Lage
herbeiführen und dadurch einen Fortschritt veranlassen können. Wir glauben
nicht, daß die böhmischen Wirren zu dieser Kategorie gehören; es handelt sich
dabei zu ausschließlich um Chikanen, Äußerlichkeiten und Utopien, als daß sie
wirklich etwas segensreiches zu Tage fördern könnten. Der Kampf ist weder
in den Versammlungen noch außerhalb in besonders erbaulicher Weise geführt'


Groinbotcn I 190027
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[0217] [Abbildung] Böhmische Wirren n Meinungsäußerungen fehlt es über diesen Gegenstand nicht. Man muß hoffen, daß sie alle mehr oder Nieniger dazu beige- tragen haben werden, die endliche Lösung der Frage zu zeitigen. Ein Samenkorn zur Reife zu bringen, bedarf es manches Regen- und Tautropfens, der entgegengesetztesten Luftströmungen, des steten Wechsels von Sonnenlicht und nächtlichen? Dunkel. Die Zeitungen berichten, daß in Prag von gegenseitigem Entgegenkommen und gütlichen Vereinbarungen die Rede sei. Um so besser. Wenn man, wie mitunter behauptet wird, die Erbitterung der beiden sich in Böhmen befehdenden Parteien als den Hauptgrund des drohenden Stillstands der österreichischen Stantsmnschiue anzusehen Hütte, so wäre es in der That die höchste Zeit, daß die gehoffte Versöhnung einträte. Man wäre im Irrtum, wenn man glaubte, mit dem gegenwärtigen nicht von der Stelle kommen sei nichts verloren, und solange uicht das ganze ziemlich künstliche Gefüge des Staats aus den Fugen gehe, habe dieser Stillstand nichts zu sagen. Ein solcher Irrtum würde in der That zu der Zahl derer gehören, deren schwerwiegende Bedeutung man erst nach einiger Zeit gewahr werden wird, wenn das Auge den Weg ermessen kann, der — wührend man seine Zeit mit nichtigen Hündeln vergeudete — von audern zurückgelegt worden ist. Man wird sich dann sagen müssen, daß man unter günstigern Verhältnissen recht gut den Wettlauf mit ihnen hätte aufnehmen können, nur wird es leider nicht mehr Zeit sein, den einmal Verlornen Vorsprung wieder einzubringen. Allerdings giebt es im Staatsleben innere Kämpfe, die eine Klärung der Lage herbeiführen und dadurch einen Fortschritt veranlassen können. Wir glauben nicht, daß die böhmischen Wirren zu dieser Kategorie gehören; es handelt sich dabei zu ausschließlich um Chikanen, Äußerlichkeiten und Utopien, als daß sie wirklich etwas segensreiches zu Tage fördern könnten. Der Kampf ist weder in den Versammlungen noch außerhalb in besonders erbaulicher Weise geführt' Groinbotcn I 190027

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551/217>, abgerufen am 02.07.2024.