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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

mich vorläufig nicht nenne, weil ich noch nicht fest angestellt bin. Vielleicht könnte
es meinem Weiterkommen hinderlich sein, wenn ich öffentlich über eine Sache spreche,
deren Beurteilung eigentlich den Direktoren und Schulrttteu zukommt. Ich habe
aber mit dem Ordinarius von Obertertia, der Gymuasinlprofessor und Rat vierter
Klasse ist, Rücksprache genommen, dieser teilt meine Ansichten und billigt mein Vor-
gehn. Ich d^rf also annehmen, daß meine Mitteilung nicht ganz unnütz sein wird.

Ihr wunderlicher Freund ist ohne Frage ein geistvoller Herr, beobachtend und
zwar mit der ganzen Seele, nicht bloß mit seinem scharfen Verstände. Aber eins
fehlt ihm, die Kenntnis der Sache. Er weiß nicht, was der französische Unterricht
der Gymnasien, den er tadelt, in der That leisten muß und erreichen will. Wenn er
das lehren wollte, was die Oberkellner brauche", was der gebildete Jüngling mit
seinem Gil Blas und einem Wörterbuch hinter oder nach der Schule in einem Jahre
lernt, und was jede französische Bonne lehren kauu, dann hätten es die Gymnasial¬
lehrer wahrlich leichter. Aber es soll ja gar nicht das wirkliche, moderne und praktisch
verwendbare Französisch gelernt werden, sondern etwas besseres und höheres: das
wissenschaftliche Französisch! Wenn Ihr verehrter wunderlicher Freund einen Blick
in die Vorlesungsverzeichnisse unsrer Universitäten thun wollte, so würde er sehen,
daß man mich da dem modernen Französisch den mindeste" Raum giebt; dafür siud
hauptsächlich die Lektoren da, die männlichen Bonnen -- "Bons" müßte man wohl
eigentlich sagen, aber verzeihen Sie, ich werde witzig --, die Professoren dagegen
lesen z. V. über das Adamslied, das Rolaudslied, die Troubadours, und dazu ge¬
hört natürlich altfranzösische und provenzalische Grammatik, ferner auch vergleichende
Grammatik der romanischen Sprachen. Auf diese Weise ist ja die romanische Philologie
entstanden, von der Ihr wunderlicher Freund noch nichts gehört zu haben scheint!
Es ist doch nun aber sonnenklar, daß wenn der Gymnasialunterricht hierauf vor¬
bereiten soll, er uicht die flüchtige Praxis der Oberkellner und Gouvernanten anwenden
darf, sondern den methodischen, an den alten Sprachen erprobten grammatischen Gang,
dessen Erfolge nicht so leicht wahrnehmbar sind und leider, das darf nicht verschwiegen
werden, oft auch ganz ausbleiben. So kommt es denn freilich, daß, wenn Ihr
wunderlicher Freund eiuen praktischen Juristen oder Mediziner französisch anredet, er
keine Antwort erhält. Meint er denn aber, daß sie gesprächig würden, wenn er
sie lateinisch oder griechisch anredete? Warum soll denn also das Gymnasium nicht
das Französische ebenso verarbeiten wie die alten Sprachen? Auf unsrer Anstalt
waren bis vor kurzem zwei amerikanische Jungen, die nahm ihr Vater bei seinem
letzten Aufenthalt in Deutschland wieder weg, gerade weil er sich beklagte, daß
sie keinen Brocken richtiges Französisch gelernt hätten, vom Englische" gar nicht zu
reden. Er dachte also ebenso wie Ihr Freund und würde, wenn wir ihn auf den
Zweck unsers Lehrgangs in der oben von mir angedeuteten Richtung hätten hin¬
weisen wollen, vermutlich entgegnet haben: Auf die romanische Philologie Pfeife ich!
Aber das ist eben Amerikanismus, und mein vorgesetzter Ordinarius, der Professor
und Rat vierter Klasse, sagt, es sei für den Stand der Gymnasiallehrer, nachdem
er uun in der Rangordnung gehoben worden sei, von der größten Bedeutung, daß
auch in seiner Beschäftigung, also dem Unterricht, sich diese Höhe ausdrücke, dazu
gehöre aber dieses wissenschaftliche Französisch. Wenn es anch wirklich praktisch nichts
rechtes nützen sollte, meint er, so seien ja auch zwei wöchentliche Stunden uicht
dick, und der Schade sei nicht so groß. Die, die später romanische Philologie
studieren wollten, würden sich vielleicht besondre Mühe geben und wenigstens etwas
lernen. Anders ginge es jedenfalls nicht zu machen.

Denn, wen" man auch wollte, die Gymnasiallehrer hätten eben auf den Universi¬
täten kein wirkliches Französisch gelernt, sonder" uur die mühsame wissenschaftliche
Grammatik, und die Universitätsprofessoren sprächen selber kein Französisch und
wäre" nun eiumnl ganz auf die romanische Philologie eingeschossen (wozu wären


Maßgebliches und Unmaßgebliches

mich vorläufig nicht nenne, weil ich noch nicht fest angestellt bin. Vielleicht könnte
es meinem Weiterkommen hinderlich sein, wenn ich öffentlich über eine Sache spreche,
deren Beurteilung eigentlich den Direktoren und Schulrttteu zukommt. Ich habe
aber mit dem Ordinarius von Obertertia, der Gymuasinlprofessor und Rat vierter
Klasse ist, Rücksprache genommen, dieser teilt meine Ansichten und billigt mein Vor-
gehn. Ich d^rf also annehmen, daß meine Mitteilung nicht ganz unnütz sein wird.

Ihr wunderlicher Freund ist ohne Frage ein geistvoller Herr, beobachtend und
zwar mit der ganzen Seele, nicht bloß mit seinem scharfen Verstände. Aber eins
fehlt ihm, die Kenntnis der Sache. Er weiß nicht, was der französische Unterricht
der Gymnasien, den er tadelt, in der That leisten muß und erreichen will. Wenn er
das lehren wollte, was die Oberkellner brauche», was der gebildete Jüngling mit
seinem Gil Blas und einem Wörterbuch hinter oder nach der Schule in einem Jahre
lernt, und was jede französische Bonne lehren kauu, dann hätten es die Gymnasial¬
lehrer wahrlich leichter. Aber es soll ja gar nicht das wirkliche, moderne und praktisch
verwendbare Französisch gelernt werden, sondern etwas besseres und höheres: das
wissenschaftliche Französisch! Wenn Ihr verehrter wunderlicher Freund einen Blick
in die Vorlesungsverzeichnisse unsrer Universitäten thun wollte, so würde er sehen,
daß man mich da dem modernen Französisch den mindeste» Raum giebt; dafür siud
hauptsächlich die Lektoren da, die männlichen Bonnen — „Bons" müßte man wohl
eigentlich sagen, aber verzeihen Sie, ich werde witzig —, die Professoren dagegen
lesen z. V. über das Adamslied, das Rolaudslied, die Troubadours, und dazu ge¬
hört natürlich altfranzösische und provenzalische Grammatik, ferner auch vergleichende
Grammatik der romanischen Sprachen. Auf diese Weise ist ja die romanische Philologie
entstanden, von der Ihr wunderlicher Freund noch nichts gehört zu haben scheint!
Es ist doch nun aber sonnenklar, daß wenn der Gymnasialunterricht hierauf vor¬
bereiten soll, er uicht die flüchtige Praxis der Oberkellner und Gouvernanten anwenden
darf, sondern den methodischen, an den alten Sprachen erprobten grammatischen Gang,
dessen Erfolge nicht so leicht wahrnehmbar sind und leider, das darf nicht verschwiegen
werden, oft auch ganz ausbleiben. So kommt es denn freilich, daß, wenn Ihr
wunderlicher Freund eiuen praktischen Juristen oder Mediziner französisch anredet, er
keine Antwort erhält. Meint er denn aber, daß sie gesprächig würden, wenn er
sie lateinisch oder griechisch anredete? Warum soll denn also das Gymnasium nicht
das Französische ebenso verarbeiten wie die alten Sprachen? Auf unsrer Anstalt
waren bis vor kurzem zwei amerikanische Jungen, die nahm ihr Vater bei seinem
letzten Aufenthalt in Deutschland wieder weg, gerade weil er sich beklagte, daß
sie keinen Brocken richtiges Französisch gelernt hätten, vom Englische« gar nicht zu
reden. Er dachte also ebenso wie Ihr Freund und würde, wenn wir ihn auf den
Zweck unsers Lehrgangs in der oben von mir angedeuteten Richtung hätten hin¬
weisen wollen, vermutlich entgegnet haben: Auf die romanische Philologie Pfeife ich!
Aber das ist eben Amerikanismus, und mein vorgesetzter Ordinarius, der Professor
und Rat vierter Klasse, sagt, es sei für den Stand der Gymnasiallehrer, nachdem
er uun in der Rangordnung gehoben worden sei, von der größten Bedeutung, daß
auch in seiner Beschäftigung, also dem Unterricht, sich diese Höhe ausdrücke, dazu
gehöre aber dieses wissenschaftliche Französisch. Wenn es anch wirklich praktisch nichts
rechtes nützen sollte, meint er, so seien ja auch zwei wöchentliche Stunden uicht
dick, und der Schade sei nicht so groß. Die, die später romanische Philologie
studieren wollten, würden sich vielleicht besondre Mühe geben und wenigstens etwas
lernen. Anders ginge es jedenfalls nicht zu machen.

Denn, wen« man auch wollte, die Gymnasiallehrer hätten eben auf den Universi¬
täten kein wirkliches Französisch gelernt, sonder» uur die mühsame wissenschaftliche
Grammatik, und die Universitätsprofessoren sprächen selber kein Französisch und
wäre» nun eiumnl ganz auf die romanische Philologie eingeschossen (wozu wären


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[0215] Maßgebliches und Unmaßgebliches mich vorläufig nicht nenne, weil ich noch nicht fest angestellt bin. Vielleicht könnte es meinem Weiterkommen hinderlich sein, wenn ich öffentlich über eine Sache spreche, deren Beurteilung eigentlich den Direktoren und Schulrttteu zukommt. Ich habe aber mit dem Ordinarius von Obertertia, der Gymuasinlprofessor und Rat vierter Klasse ist, Rücksprache genommen, dieser teilt meine Ansichten und billigt mein Vor- gehn. Ich d^rf also annehmen, daß meine Mitteilung nicht ganz unnütz sein wird. Ihr wunderlicher Freund ist ohne Frage ein geistvoller Herr, beobachtend und zwar mit der ganzen Seele, nicht bloß mit seinem scharfen Verstände. Aber eins fehlt ihm, die Kenntnis der Sache. Er weiß nicht, was der französische Unterricht der Gymnasien, den er tadelt, in der That leisten muß und erreichen will. Wenn er das lehren wollte, was die Oberkellner brauche», was der gebildete Jüngling mit seinem Gil Blas und einem Wörterbuch hinter oder nach der Schule in einem Jahre lernt, und was jede französische Bonne lehren kauu, dann hätten es die Gymnasial¬ lehrer wahrlich leichter. Aber es soll ja gar nicht das wirkliche, moderne und praktisch verwendbare Französisch gelernt werden, sondern etwas besseres und höheres: das wissenschaftliche Französisch! Wenn Ihr verehrter wunderlicher Freund einen Blick in die Vorlesungsverzeichnisse unsrer Universitäten thun wollte, so würde er sehen, daß man mich da dem modernen Französisch den mindeste» Raum giebt; dafür siud hauptsächlich die Lektoren da, die männlichen Bonnen — „Bons" müßte man wohl eigentlich sagen, aber verzeihen Sie, ich werde witzig —, die Professoren dagegen lesen z. V. über das Adamslied, das Rolaudslied, die Troubadours, und dazu ge¬ hört natürlich altfranzösische und provenzalische Grammatik, ferner auch vergleichende Grammatik der romanischen Sprachen. Auf diese Weise ist ja die romanische Philologie entstanden, von der Ihr wunderlicher Freund noch nichts gehört zu haben scheint! Es ist doch nun aber sonnenklar, daß wenn der Gymnasialunterricht hierauf vor¬ bereiten soll, er uicht die flüchtige Praxis der Oberkellner und Gouvernanten anwenden darf, sondern den methodischen, an den alten Sprachen erprobten grammatischen Gang, dessen Erfolge nicht so leicht wahrnehmbar sind und leider, das darf nicht verschwiegen werden, oft auch ganz ausbleiben. So kommt es denn freilich, daß, wenn Ihr wunderlicher Freund eiuen praktischen Juristen oder Mediziner französisch anredet, er keine Antwort erhält. Meint er denn aber, daß sie gesprächig würden, wenn er sie lateinisch oder griechisch anredete? Warum soll denn also das Gymnasium nicht das Französische ebenso verarbeiten wie die alten Sprachen? Auf unsrer Anstalt waren bis vor kurzem zwei amerikanische Jungen, die nahm ihr Vater bei seinem letzten Aufenthalt in Deutschland wieder weg, gerade weil er sich beklagte, daß sie keinen Brocken richtiges Französisch gelernt hätten, vom Englische« gar nicht zu reden. Er dachte also ebenso wie Ihr Freund und würde, wenn wir ihn auf den Zweck unsers Lehrgangs in der oben von mir angedeuteten Richtung hätten hin¬ weisen wollen, vermutlich entgegnet haben: Auf die romanische Philologie Pfeife ich! Aber das ist eben Amerikanismus, und mein vorgesetzter Ordinarius, der Professor und Rat vierter Klasse, sagt, es sei für den Stand der Gymnasiallehrer, nachdem er uun in der Rangordnung gehoben worden sei, von der größten Bedeutung, daß auch in seiner Beschäftigung, also dem Unterricht, sich diese Höhe ausdrücke, dazu gehöre aber dieses wissenschaftliche Französisch. Wenn es anch wirklich praktisch nichts rechtes nützen sollte, meint er, so seien ja auch zwei wöchentliche Stunden uicht dick, und der Schade sei nicht so groß. Die, die später romanische Philologie studieren wollten, würden sich vielleicht besondre Mühe geben und wenigstens etwas lernen. Anders ginge es jedenfalls nicht zu machen. Denn, wen« man auch wollte, die Gymnasiallehrer hätten eben auf den Universi¬ täten kein wirkliches Französisch gelernt, sonder» uur die mühsame wissenschaftliche Grammatik, und die Universitätsprofessoren sprächen selber kein Französisch und wäre» nun eiumnl ganz auf die romanische Philologie eingeschossen (wozu wären

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551/215>, abgerufen am 02.07.2024.