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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.

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Polnische Politik

Arbeitskraft zu stellen. So sind in Lodz, zum Teil unter dem Druck der
Verwaltung, von 1553 Arbeitern, die dort im Jahre 1885 waren, gegenwärtig
weniger als hundert übriggeblieben, während sie in Sosnowizc über 25 Prozent
der Arbeitermenge ausmachen, obwohl es auch hier den Anstrengungen der
russischen Herrschaft zu Anfang der neunziger Jahre gelang, ihre Zahl zu be¬
schränken.

"Bedauerlicherweise hat sich das germanische Element nicht nur in dem
Industrie- und Fabrikgebiet unsrer Greuzguberuieu festgesetzt; schon seit
der Mitte dieses Jahrhunderts richtete es sein Augenmerk, wie bekannt, mit
nicht geringerer Kraft auf deu Landbesitz und die Landwirtschaft, indem es sich
ungehemmt und ununterbrochen mehrte bis zum Erscheinen des Gesetzes vom
14. März 1887, das weitere Erwerbung von Landeigentum längs unsrer
Westgrenze durch neue Einwandrer abschnitt." -- Der Verfasser giebt eine uns
Grund der Verhältnisse von 1881 zusammengestellte Tabelle, aus der hervor¬
geht, daß damals in den Händen von Ausländern ans dein Boden des König¬
reichs 13529 Grundstücke waren im Werte von sust 300 Millionen Rubel, die
von mehr als 100000 Leuten fremden Ursprungs bewohnt waren. Von ihnen
waren Grundeigentümer 37085 Personen. Außer diesen großen und kleinen
Kolonisten waren noch 88000 Fremde im Lande verstreut als Händler, Hand-
werker, Fabrikarb eiter.

"Weitaus die Mehrheit dieses fremden Heeres waren preußische Einwandrer,
und zwar 82 Prozent, Österreicher 16 Prozent, andrer Nationalität 2 Prozent.
Zwei Drittel dieser Einwandrer hatten um jene Zeit die russische Unterthan¬
schaft angenommen. Während im ganzen Gebiet die Fremden 5,15 Prozent
der Bevölkerung ausmachten, stieg das Verhältnis im Gubernium Petrikau auf
22 Prozent. Dabei waren diese Einwandrer im Besitz von des gesamten
Weichselgebiets, obwohl sie nur der Bevölkerung darstellten. Ihr Besitz
umfaßte über 1883000 polnische Morgen (etwa 941000 Hektar). Man dürfe
annehmen, daß sich bis zum Erscheinen des Gesetzes vom 14. März 1887 der
Grundbesitz der Fremden in der bisherigen Weise, d. h. um 1 Prozent in 5 Jahren
mehrte und also schon um 1887 etwa 2 Millionen Morgen oder 1 Million
Hektar betrug, d. h. 11 Prozent des Weichselgebicts. Wenn aber der Grund¬
besitz in fremden Händen seit 1887 nicht gewachsen ist, so hat doch die Zahl
der Fremden im ganzen erstaunlich zugenommen, nicht bloß durch natürlichen
Zuwachs, sondern auch durch Zuwandrung. So stieg diese Zahl der Fremden
im Gubernium Warschau (ohne die Stadt Warschau) von 1881 bis 1893 ans
das Doppelte, nämlich von 20000 uns 39000; im Gubernium Plotzk sogar
von 10000 auf 45000. Sogar in dem sonst am wenigsten von Fremden
durchsetzten Gubernium Lvmsha hat sich ihre Zahl in der genannten Periode
von 3691 auf 9544 gehoben.

"Aber, heißt es weiter, eine besondre Bedeutung gewinnt diese teutonische
Besitznahlue eines großen Territoriums des Wcichsellandes im Hinblick darauf,
daß sie hauptsächlich auf einige bestimmte Orte konzentriert ist, die sich auf


Polnische Politik

Arbeitskraft zu stellen. So sind in Lodz, zum Teil unter dem Druck der
Verwaltung, von 1553 Arbeitern, die dort im Jahre 1885 waren, gegenwärtig
weniger als hundert übriggeblieben, während sie in Sosnowizc über 25 Prozent
der Arbeitermenge ausmachen, obwohl es auch hier den Anstrengungen der
russischen Herrschaft zu Anfang der neunziger Jahre gelang, ihre Zahl zu be¬
schränken.

„Bedauerlicherweise hat sich das germanische Element nicht nur in dem
Industrie- und Fabrikgebiet unsrer Greuzguberuieu festgesetzt; schon seit
der Mitte dieses Jahrhunderts richtete es sein Augenmerk, wie bekannt, mit
nicht geringerer Kraft auf deu Landbesitz und die Landwirtschaft, indem es sich
ungehemmt und ununterbrochen mehrte bis zum Erscheinen des Gesetzes vom
14. März 1887, das weitere Erwerbung von Landeigentum längs unsrer
Westgrenze durch neue Einwandrer abschnitt." — Der Verfasser giebt eine uns
Grund der Verhältnisse von 1881 zusammengestellte Tabelle, aus der hervor¬
geht, daß damals in den Händen von Ausländern ans dein Boden des König¬
reichs 13529 Grundstücke waren im Werte von sust 300 Millionen Rubel, die
von mehr als 100000 Leuten fremden Ursprungs bewohnt waren. Von ihnen
waren Grundeigentümer 37085 Personen. Außer diesen großen und kleinen
Kolonisten waren noch 88000 Fremde im Lande verstreut als Händler, Hand-
werker, Fabrikarb eiter.

„Weitaus die Mehrheit dieses fremden Heeres waren preußische Einwandrer,
und zwar 82 Prozent, Österreicher 16 Prozent, andrer Nationalität 2 Prozent.
Zwei Drittel dieser Einwandrer hatten um jene Zeit die russische Unterthan¬
schaft angenommen. Während im ganzen Gebiet die Fremden 5,15 Prozent
der Bevölkerung ausmachten, stieg das Verhältnis im Gubernium Petrikau auf
22 Prozent. Dabei waren diese Einwandrer im Besitz von des gesamten
Weichselgebiets, obwohl sie nur der Bevölkerung darstellten. Ihr Besitz
umfaßte über 1883000 polnische Morgen (etwa 941000 Hektar). Man dürfe
annehmen, daß sich bis zum Erscheinen des Gesetzes vom 14. März 1887 der
Grundbesitz der Fremden in der bisherigen Weise, d. h. um 1 Prozent in 5 Jahren
mehrte und also schon um 1887 etwa 2 Millionen Morgen oder 1 Million
Hektar betrug, d. h. 11 Prozent des Weichselgebicts. Wenn aber der Grund¬
besitz in fremden Händen seit 1887 nicht gewachsen ist, so hat doch die Zahl
der Fremden im ganzen erstaunlich zugenommen, nicht bloß durch natürlichen
Zuwachs, sondern auch durch Zuwandrung. So stieg diese Zahl der Fremden
im Gubernium Warschau (ohne die Stadt Warschau) von 1881 bis 1893 ans
das Doppelte, nämlich von 20000 uns 39000; im Gubernium Plotzk sogar
von 10000 auf 45000. Sogar in dem sonst am wenigsten von Fremden
durchsetzten Gubernium Lvmsha hat sich ihre Zahl in der genannten Periode
von 3691 auf 9544 gehoben.

„Aber, heißt es weiter, eine besondre Bedeutung gewinnt diese teutonische
Besitznahlue eines großen Territoriums des Wcichsellandes im Hinblick darauf,
daß sie hauptsächlich auf einige bestimmte Orte konzentriert ist, die sich auf


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551/20>, abgerufen am 30.06.2024.