Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
An der Schwelle des Orients

Serbien so wichtigen Schweinehandelö war, ist der große durchgehende Verkehr
abgelenkt worden'dadurch, daß nur ein Seitenstraug der Morawabahn hier
"n der Donan ausmündet, während die Europa durchziehende Hauptlinie bei
Belgrad über die Scwe führt und erst bei Peterwardein die Donau überschreitet,
und dadurch, daß erst ziemlich weiter unten bei Bazias wieder eine ungarische
Linie an die Donau herantritt. Trotzdem ist doch auch hier der Verkehr vom
Lande her kein unbedeutender, und während in Belgrad mehr internatio¬
nales Publikum oder wenigstens europäisches städtisches Serbeutum das Schiff
betritt, wird man mit Vergnügen in Semeudria das echte alte Scrbenvolk zum
Teile noch in seiner nationalen Kleidung vor seinen Augen vorüberziehn sehen.
Freilich um diese farbenreiche und schöugemusterte Tracht, die in den einzelnen
Landschaften große Abweichungen, namentlich bei den Frauen, zeigt, ganz
würdigen zu lernen, müßte man sich von der Donan weg ins Innere des
Landes begeben. Immerhin kann man auch hier schon einen guten Eindruck
will der überaus kleidsamen Gewandung dieser Südslawen gewinnen.

Beide Geschlechter bedienen sich ans dem Lande faltiger weißer Lemen-
gewänder, eines breiten Gürtels und brauner oder lichter Obergewänder. Bei

Männern ist der früher getragne Fez. meist ohne Quaste, fast ganz ver¬
schwunden, und auch sonst die westeuropäische Kleidung breit eingedrungen an
Stelle der frühern weiten langen faltigen Beinkleider, des um der Brust ge¬
schlitzten über den Nosen getragnen Hemdes und des roten Wolltuchgürtels,
über dem im Ledergurt Pistolen, Handschar, Taschentuch und Patronentaschen
getragen wurden.

Mehr erhalten hat sich die Nationaltracht bei den Frauen, zum Teil sogar
den Städten wo man vor allem noch oft den reizendem Kopfputz und die
sehr kleidsame Libade bewundern kann, selbst bei Damen der bessern Gesellschaft.
Die Hauptbedeckuug bei ihnen ist ein niedriger kleiner Fez. kokett etwas zurück¬
gesetzt und umwunden von einem schönen dunkelbraunen oder schwarzen ^opf,
der die aus der Mitte des Fez hervorkommende schwarze Seidcnqunfte nntfnßt.
Mädchen aus dein Volke dagegen tragen häufig das Hut.pe unbedeckt oder doch
nur durch ein leichtes Tuch geschützt, meist aber dann hübsch und einer ins
Haar gesteckten leuchtenden Blüte geziert. Die Libade, die mau auch bei den
einfachen Bauernmädchen, Werktags jedoch bei diesen nie sieht, ist eine Obei-
jacke, früher oft von grünem, blauem oder rötlichen schwerem Seidenstoff, heute
weist von schwarzer Ätlasseide. die Ränder mit einer Gold- oder auch Silber¬
borte besetzt, vorn offen und nur an, Hals geschloffen, bis zu den Hu ten
eichend, über denen hinten rechts und links ein .netallbortcnbesetztcr Schlitz
den Schultern zuläuft, bis etwa auf ein Drittel der Höhe des Rückens um
die Taille schlank, die Schultern breit erscheinen zu lasse... Die Ärmel laufen
weit geschlitzt bis zum Ellenbogen breit auseinander, vorfallend bis u. Hohe
des Handgelenks und geben dem .Meidungsstück etwas sehr herrcnmaßiges. An
ihrer Stelle trügt das Bauernmädchen nur ein Umschlagtuch über den Schulter.,
und dem reichgestickten, streifenweise dichter., aber dazwischen fast durchsichtigen


An der Schwelle des Orients

Serbien so wichtigen Schweinehandelö war, ist der große durchgehende Verkehr
abgelenkt worden'dadurch, daß nur ein Seitenstraug der Morawabahn hier
"n der Donan ausmündet, während die Europa durchziehende Hauptlinie bei
Belgrad über die Scwe führt und erst bei Peterwardein die Donau überschreitet,
und dadurch, daß erst ziemlich weiter unten bei Bazias wieder eine ungarische
Linie an die Donau herantritt. Trotzdem ist doch auch hier der Verkehr vom
Lande her kein unbedeutender, und während in Belgrad mehr internatio¬
nales Publikum oder wenigstens europäisches städtisches Serbeutum das Schiff
betritt, wird man mit Vergnügen in Semeudria das echte alte Scrbenvolk zum
Teile noch in seiner nationalen Kleidung vor seinen Augen vorüberziehn sehen.
Freilich um diese farbenreiche und schöugemusterte Tracht, die in den einzelnen
Landschaften große Abweichungen, namentlich bei den Frauen, zeigt, ganz
würdigen zu lernen, müßte man sich von der Donan weg ins Innere des
Landes begeben. Immerhin kann man auch hier schon einen guten Eindruck
will der überaus kleidsamen Gewandung dieser Südslawen gewinnen.

Beide Geschlechter bedienen sich ans dem Lande faltiger weißer Lemen-
gewänder, eines breiten Gürtels und brauner oder lichter Obergewänder. Bei

Männern ist der früher getragne Fez. meist ohne Quaste, fast ganz ver¬
schwunden, und auch sonst die westeuropäische Kleidung breit eingedrungen an
Stelle der frühern weiten langen faltigen Beinkleider, des um der Brust ge¬
schlitzten über den Nosen getragnen Hemdes und des roten Wolltuchgürtels,
über dem im Ledergurt Pistolen, Handschar, Taschentuch und Patronentaschen
getragen wurden.

Mehr erhalten hat sich die Nationaltracht bei den Frauen, zum Teil sogar
den Städten wo man vor allem noch oft den reizendem Kopfputz und die
sehr kleidsame Libade bewundern kann, selbst bei Damen der bessern Gesellschaft.
Die Hauptbedeckuug bei ihnen ist ein niedriger kleiner Fez. kokett etwas zurück¬
gesetzt und umwunden von einem schönen dunkelbraunen oder schwarzen ^opf,
der die aus der Mitte des Fez hervorkommende schwarze Seidcnqunfte nntfnßt.
Mädchen aus dein Volke dagegen tragen häufig das Hut.pe unbedeckt oder doch
nur durch ein leichtes Tuch geschützt, meist aber dann hübsch und einer ins
Haar gesteckten leuchtenden Blüte geziert. Die Libade, die mau auch bei den
einfachen Bauernmädchen, Werktags jedoch bei diesen nie sieht, ist eine Obei-
jacke, früher oft von grünem, blauem oder rötlichen schwerem Seidenstoff, heute
weist von schwarzer Ätlasseide. die Ränder mit einer Gold- oder auch Silber¬
borte besetzt, vorn offen und nur an, Hals geschloffen, bis zu den Hu ten
eichend, über denen hinten rechts und links ein .netallbortcnbesetztcr Schlitz
den Schultern zuläuft, bis etwa auf ein Drittel der Höhe des Rückens um
die Taille schlank, die Schultern breit erscheinen zu lasse... Die Ärmel laufen
weit geschlitzt bis zum Ellenbogen breit auseinander, vorfallend bis u. Hohe
des Handgelenks und geben dem .Meidungsstück etwas sehr herrcnmaßiges. An
ihrer Stelle trügt das Bauernmädchen nur ein Umschlagtuch über den Schulter.,
und dem reichgestickten, streifenweise dichter., aber dazwischen fast durchsichtigen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0195" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/232747"/>
          <fw type="header" place="top"> An der Schwelle des Orients</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_556" prev="#ID_555"> Serbien so wichtigen Schweinehandelö war, ist der große durchgehende Verkehr<lb/>
abgelenkt worden'dadurch, daß nur ein Seitenstraug der Morawabahn hier<lb/>
"n der Donan ausmündet, während die Europa durchziehende Hauptlinie bei<lb/>
Belgrad über die Scwe führt und erst bei Peterwardein die Donau überschreitet,<lb/>
und dadurch, daß erst ziemlich weiter unten bei Bazias wieder eine ungarische<lb/>
Linie an die Donau herantritt. Trotzdem ist doch auch hier der Verkehr vom<lb/>
Lande her kein unbedeutender, und während in Belgrad mehr internatio¬<lb/>
nales Publikum oder wenigstens europäisches städtisches Serbeutum das Schiff<lb/>
betritt, wird man mit Vergnügen in Semeudria das echte alte Scrbenvolk zum<lb/>
Teile noch in seiner nationalen Kleidung vor seinen Augen vorüberziehn sehen.<lb/>
Freilich um diese farbenreiche und schöugemusterte Tracht, die in den einzelnen<lb/>
Landschaften große Abweichungen, namentlich bei den Frauen, zeigt, ganz<lb/>
würdigen zu lernen, müßte man sich von der Donan weg ins Innere des<lb/>
Landes begeben. Immerhin kann man auch hier schon einen guten Eindruck<lb/>
will der überaus kleidsamen Gewandung dieser Südslawen gewinnen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_557"> Beide Geschlechter bedienen sich ans dem Lande faltiger weißer Lemen-<lb/>
gewänder, eines breiten Gürtels und brauner oder lichter Obergewänder. Bei</p><lb/>
          <p xml:id="ID_558"> Männern ist der früher getragne Fez. meist ohne Quaste, fast ganz ver¬<lb/>
schwunden, und auch sonst die westeuropäische Kleidung breit eingedrungen an<lb/>
Stelle der frühern weiten langen faltigen Beinkleider, des um der Brust ge¬<lb/>
schlitzten über den Nosen getragnen Hemdes und des roten Wolltuchgürtels,<lb/>
über dem im Ledergurt Pistolen, Handschar, Taschentuch und Patronentaschen<lb/>
getragen wurden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_559" next="#ID_560"> Mehr erhalten hat sich die Nationaltracht bei den Frauen, zum Teil sogar<lb/>
den Städten wo man vor allem noch oft den reizendem Kopfputz und die<lb/>
sehr kleidsame Libade bewundern kann, selbst bei Damen der bessern Gesellschaft.<lb/>
Die Hauptbedeckuug bei ihnen ist ein niedriger kleiner Fez. kokett etwas zurück¬<lb/>
gesetzt und umwunden von einem schönen dunkelbraunen oder schwarzen ^opf,<lb/>
der die aus der Mitte des Fez hervorkommende schwarze Seidcnqunfte nntfnßt.<lb/>
Mädchen aus dein Volke dagegen tragen häufig das Hut.pe unbedeckt oder doch<lb/>
nur durch ein leichtes Tuch geschützt, meist aber dann hübsch und einer ins<lb/>
Haar gesteckten leuchtenden Blüte geziert. Die Libade, die mau auch bei den<lb/>
einfachen Bauernmädchen, Werktags jedoch bei diesen nie sieht, ist eine Obei-<lb/>
jacke, früher oft von grünem, blauem oder rötlichen schwerem Seidenstoff, heute<lb/>
weist von schwarzer Ätlasseide. die Ränder mit einer Gold- oder auch Silber¬<lb/>
borte besetzt, vorn offen und nur an, Hals geschloffen, bis zu den Hu ten<lb/>
eichend, über denen hinten rechts und links ein .netallbortcnbesetztcr Schlitz<lb/>
den Schultern zuläuft, bis etwa auf ein Drittel der Höhe des Rückens um<lb/>
die Taille schlank, die Schultern breit erscheinen zu lasse... Die Ärmel laufen<lb/>
weit geschlitzt bis zum Ellenbogen breit auseinander, vorfallend bis u. Hohe<lb/>
des Handgelenks und geben dem .Meidungsstück etwas sehr herrcnmaßiges. An<lb/>
ihrer Stelle trügt das Bauernmädchen nur ein Umschlagtuch über den Schulter.,<lb/>
und dem reichgestickten, streifenweise dichter., aber dazwischen fast durchsichtigen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0195] An der Schwelle des Orients Serbien so wichtigen Schweinehandelö war, ist der große durchgehende Verkehr abgelenkt worden'dadurch, daß nur ein Seitenstraug der Morawabahn hier "n der Donan ausmündet, während die Europa durchziehende Hauptlinie bei Belgrad über die Scwe führt und erst bei Peterwardein die Donau überschreitet, und dadurch, daß erst ziemlich weiter unten bei Bazias wieder eine ungarische Linie an die Donau herantritt. Trotzdem ist doch auch hier der Verkehr vom Lande her kein unbedeutender, und während in Belgrad mehr internatio¬ nales Publikum oder wenigstens europäisches städtisches Serbeutum das Schiff betritt, wird man mit Vergnügen in Semeudria das echte alte Scrbenvolk zum Teile noch in seiner nationalen Kleidung vor seinen Augen vorüberziehn sehen. Freilich um diese farbenreiche und schöugemusterte Tracht, die in den einzelnen Landschaften große Abweichungen, namentlich bei den Frauen, zeigt, ganz würdigen zu lernen, müßte man sich von der Donan weg ins Innere des Landes begeben. Immerhin kann man auch hier schon einen guten Eindruck will der überaus kleidsamen Gewandung dieser Südslawen gewinnen. Beide Geschlechter bedienen sich ans dem Lande faltiger weißer Lemen- gewänder, eines breiten Gürtels und brauner oder lichter Obergewänder. Bei Männern ist der früher getragne Fez. meist ohne Quaste, fast ganz ver¬ schwunden, und auch sonst die westeuropäische Kleidung breit eingedrungen an Stelle der frühern weiten langen faltigen Beinkleider, des um der Brust ge¬ schlitzten über den Nosen getragnen Hemdes und des roten Wolltuchgürtels, über dem im Ledergurt Pistolen, Handschar, Taschentuch und Patronentaschen getragen wurden. Mehr erhalten hat sich die Nationaltracht bei den Frauen, zum Teil sogar den Städten wo man vor allem noch oft den reizendem Kopfputz und die sehr kleidsame Libade bewundern kann, selbst bei Damen der bessern Gesellschaft. Die Hauptbedeckuug bei ihnen ist ein niedriger kleiner Fez. kokett etwas zurück¬ gesetzt und umwunden von einem schönen dunkelbraunen oder schwarzen ^opf, der die aus der Mitte des Fez hervorkommende schwarze Seidcnqunfte nntfnßt. Mädchen aus dein Volke dagegen tragen häufig das Hut.pe unbedeckt oder doch nur durch ein leichtes Tuch geschützt, meist aber dann hübsch und einer ins Haar gesteckten leuchtenden Blüte geziert. Die Libade, die mau auch bei den einfachen Bauernmädchen, Werktags jedoch bei diesen nie sieht, ist eine Obei- jacke, früher oft von grünem, blauem oder rötlichen schwerem Seidenstoff, heute weist von schwarzer Ätlasseide. die Ränder mit einer Gold- oder auch Silber¬ borte besetzt, vorn offen und nur an, Hals geschloffen, bis zu den Hu ten eichend, über denen hinten rechts und links ein .netallbortcnbesetztcr Schlitz den Schultern zuläuft, bis etwa auf ein Drittel der Höhe des Rückens um die Taille schlank, die Schultern breit erscheinen zu lasse... Die Ärmel laufen weit geschlitzt bis zum Ellenbogen breit auseinander, vorfallend bis u. Hohe des Handgelenks und geben dem .Meidungsstück etwas sehr herrcnmaßiges. An ihrer Stelle trügt das Bauernmädchen nur ein Umschlagtuch über den Schulter., und dem reichgestickten, streifenweise dichter., aber dazwischen fast durchsichtigen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551/195
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551/195>, abgerufen am 02.07.2024.