Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.An der Schwelle des Orients "ut den wenigen in Belgrad gebliebner Türken, die in dürftigen Verhältnissen ^.^ An der Schwelle des Orients "ut den wenigen in Belgrad gebliebner Türken, die in dürftigen Verhältnissen ^.^ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0191" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/232743"/> <fw type="header" place="top"> An der Schwelle des Orients</fw><lb/> <p xml:id="ID_547" prev="#ID_546"> "ut den wenigen in Belgrad gebliebner Türken, die in dürftigen Verhältnissen<lb/> leben, aber auch in diesen sich den Ruf der Anständigkeit. Ehrlichkeit und Zn-<lb/> veMssigkeit erhalten haben, hat man nur eine Moschee gelassen, die schwer<lb/> M entdecken ist. während sich um Stelle des Häusergewirres und der Hütten<lb/> des ehemaligen Dortschol nun eine lange schattenlose Avenue an der Donau<lb/> entlang erstreckt, durch die die elektrischen Wagen der Lune hinstiusen. die<lb/> Zwischen der Stadt und der ihr vorgelagerten Festung am Parke Kalunegdan<lb/> die Höhe übersteigt und jenseits zum Landungsplatz an der save band uhrt^Geblieben ist nur die trümmerhafte, vielumtämpfte Festung Aber auch auf<lb/> ihr herrscht nicht mehr das Leben wie zu türkischer Zeit, Wohl Schutt noch<lb/> Weit ins Land hinaus der weiße Bau des ehemalige» Konaks über die grau¬<lb/> braunen Mauern der obern Festung; aber nur selten weht alte Flagge über<lb/> ihm. der heutigen serbischen Kommandantur, Man sieht dort die milden Ge¬<lb/> stalten der auf der Festung ihre Strafe verbüßenden Verbrecher vielfach mit<lb/> Unger und kraftvollen, teilweise sogar recht ansprechenden Gesichtern wahrend<lb/> unbeachtet daneben eine lange Reihe von Rohren türkischer, österreichischer und<lb/> sicher Geschütze liegt, zum Teil prächtige und sehr alte Stücke die bis in.<lb/> siinfzehnte Jahrhundert zurückreichen, und deren eherner Mund einst em große.<lb/> Wort in der Weltgeschichte angeredet hat. Sonderbar mutet einen aber<lb/> namentlich die Erhaltung von Erdwerken und Kasernements in der untern ein<lb/> der Donau gelegnen Festung an. Bei der Tragweite der heutigem Geschütze<lb/> ist die ganze Anlage völlig veraltet, da mau von der Donau her vollkommen<lb/> sie hineinsehen kann, und in ihr keine anch noch so geringe Bewegung er¬<lb/> sten kann, ohne daß ein Gegner auf österreichischer Seite sie bemerken mühete;<lb/> ewige am .wniadyturm bei Semlin aufgestellte Batterie» würden in kürzester<lb/> Tust alles verwüstet haben, nud so hat die Erhaltung die er Festung.werte<lb/> hole nur noch die eine Folge, daß sie bei dem Ausbruch ernes Kriege» dem<lb/> Gegner das Recht geben, vom ungarischen Donauufer aus die heutige,Haupt¬<lb/> stadt des Serbenreichs als festen Platz in den Grund zu schießen, ^se co<lb/> sckM lMte unverständlich, daß man einen Ort so dicht an der österreichischen<lb/> Grenze als Residenz und Neqieruugszeutrum beibehält, wo ans vielen Gründen<lb/> deren Übertragung nach Risch geboten wäre, wie dies neuerdings denn auch<lb/> thatsächlich von König Milan vorgeschlagen worden ist, so ist es doppelt uu-<lb/> derständlich. daß man Belgrad den Charakter einer Festung läßt, die den. Al.f-<lb/> blühn der Stadt und ihrer Entwicklung zu einem reinen Handelsplatze nur<lb/> Fesseln anlegt. </p><lb/> <p xml:id="ID_548" next="#ID_549"> ^.^<lb/> Freilich für den. der sich mit stummer Andacht in die Vergangenheit zu<lb/> dersenken liebt, wäre es weuiqer erfreulich, wenn sich die serbische Regurui g<lb/> etwas mehr der Gegenwart und Zukunft zuwendete und zu Gunsten deo hente<lb/> ungefähr 80000 Einwohner zählenden, aber armen und geldbedürftigeu Belgrad,<lb/> "wa die alte Festung eingehn ließe. Nie werde ich den Märzabend vergessen<lb/> >w ich zum erstenmal auf der vordersten Spitze der obern Festung stand und<lb/> hinaus schatte über das weithin von Donan und save überschwemmte Land.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0191]
An der Schwelle des Orients
"ut den wenigen in Belgrad gebliebner Türken, die in dürftigen Verhältnissen
leben, aber auch in diesen sich den Ruf der Anständigkeit. Ehrlichkeit und Zn-
veMssigkeit erhalten haben, hat man nur eine Moschee gelassen, die schwer
M entdecken ist. während sich um Stelle des Häusergewirres und der Hütten
des ehemaligen Dortschol nun eine lange schattenlose Avenue an der Donau
entlang erstreckt, durch die die elektrischen Wagen der Lune hinstiusen. die
Zwischen der Stadt und der ihr vorgelagerten Festung am Parke Kalunegdan
die Höhe übersteigt und jenseits zum Landungsplatz an der save band uhrt^Geblieben ist nur die trümmerhafte, vielumtämpfte Festung Aber auch auf
ihr herrscht nicht mehr das Leben wie zu türkischer Zeit, Wohl Schutt noch
Weit ins Land hinaus der weiße Bau des ehemalige» Konaks über die grau¬
braunen Mauern der obern Festung; aber nur selten weht alte Flagge über
ihm. der heutigen serbischen Kommandantur, Man sieht dort die milden Ge¬
stalten der auf der Festung ihre Strafe verbüßenden Verbrecher vielfach mit
Unger und kraftvollen, teilweise sogar recht ansprechenden Gesichtern wahrend
unbeachtet daneben eine lange Reihe von Rohren türkischer, österreichischer und
sicher Geschütze liegt, zum Teil prächtige und sehr alte Stücke die bis in.
siinfzehnte Jahrhundert zurückreichen, und deren eherner Mund einst em große.
Wort in der Weltgeschichte angeredet hat. Sonderbar mutet einen aber
namentlich die Erhaltung von Erdwerken und Kasernements in der untern ein
der Donau gelegnen Festung an. Bei der Tragweite der heutigem Geschütze
ist die ganze Anlage völlig veraltet, da mau von der Donau her vollkommen
sie hineinsehen kann, und in ihr keine anch noch so geringe Bewegung er¬
sten kann, ohne daß ein Gegner auf österreichischer Seite sie bemerken mühete;
ewige am .wniadyturm bei Semlin aufgestellte Batterie» würden in kürzester
Tust alles verwüstet haben, nud so hat die Erhaltung die er Festung.werte
hole nur noch die eine Folge, daß sie bei dem Ausbruch ernes Kriege» dem
Gegner das Recht geben, vom ungarischen Donauufer aus die heutige,Haupt¬
stadt des Serbenreichs als festen Platz in den Grund zu schießen, ^se co
sckM lMte unverständlich, daß man einen Ort so dicht an der österreichischen
Grenze als Residenz und Neqieruugszeutrum beibehält, wo ans vielen Gründen
deren Übertragung nach Risch geboten wäre, wie dies neuerdings denn auch
thatsächlich von König Milan vorgeschlagen worden ist, so ist es doppelt uu-
derständlich. daß man Belgrad den Charakter einer Festung läßt, die den. Al.f-
blühn der Stadt und ihrer Entwicklung zu einem reinen Handelsplatze nur
Fesseln anlegt.
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Freilich für den. der sich mit stummer Andacht in die Vergangenheit zu
dersenken liebt, wäre es weuiqer erfreulich, wenn sich die serbische Regurui g
etwas mehr der Gegenwart und Zukunft zuwendete und zu Gunsten deo hente
ungefähr 80000 Einwohner zählenden, aber armen und geldbedürftigeu Belgrad,
"wa die alte Festung eingehn ließe. Nie werde ich den Märzabend vergessen
>w ich zum erstenmal auf der vordersten Spitze der obern Festung stand und
hinaus schatte über das weithin von Donan und save überschwemmte Land.
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