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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.

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Polnische Politik

Einfluß der Juden auf die Zustünde des Landes und besonders des niedern
Landvolks erörtert und erklärt hat, "das einzige Element im Weichsellande,
das dem auf Kosten dieses Landes betriebnen räuberischen Erwerbe der Juden
einen ernstlichen Widerstand entgegensetze," sei das deutsche Element, fährt er
in Kapitel 8 also fort:

"Die deutschen Einwaudrer im Weichsellande setzen nicht nur allen Ver¬
suchen der Juden, sie auszubeuten, einen zähen Widerstand entgegen, sondern
konkurrieren sogar mit ihnen auf dem Gebiet des Handels, während sie sich
die industrielle Sphäre völlig unterworfen haben. Wenn sich unter dem Ein¬
fluß administrativer Verordnungen die Zahl der fremdländischen Meister stark
vermindert, so führt doch die Zahl der Besitzer von Fnbrikunteruehmeu fremd¬
ländischen Ursprungs fort zu wachsen. Das Gesetz vom 14. März 1887, das
fremden Unterthanen den Erlverb von Immobilien zu Eigentum in den Grenz-
gubernien nur außerhalb der Stadtgrenzen untersagte, ließ ihnen die volle
Möglichkeit, auch künftig ihre Thätigkeit in dieser Richtung zu entfalten, da
sie sich gerade in den Städten konzentriert. Das Aufhören ihrer Thätigkeit
ist übrigens auch nicht wünschenswert. Bei der Trägheit des polnischen Kapitals,
der geringen Unternehmungslust seiner Besitzer muß man einräumen, daß in
der industriellen Thätigkeit der fremden Einwandrer der gesamte fernere Erfolg
des Fortschreitens dieser Sache im Lande wurzelt. Es genügt, daß man einen
ganz oberflächlichen Blick uns die Geschichte des Entstehens des Mannfaktnr-
gewerbes wirft, um sich zu überzeugen, daß es sein Erscheinen und seine schnelle
Entwicklung ausschließlich fremdländischen Kräften verdankt, die im Hnndelsgebiet
der frühern Republik Polen schon seit dem fünfzehnten Jahrhundert zugleich
mit den Juden erschienen. Die örtlichen Kräfte waren in Polen von alters
her ausschließlich auf den Landbau gerichtet, und auch die künstliche Anpflanzung
von Fabriken unter Stanislaus August, als sich viele Magnaten, dem Beispiel
des Königs folgend, an die Errichtung von Manufakturen machten, endete mit
einem völligen Fehlschlag. Diese Manufakturen, die übrigens ausschließlich
Gegenstände des Luxus und sogar der Kunst erzeugten, wie teures Porzellan,
Spiegel, Gobelinteppiche, erhielten sich nur sehr kurze Zeit und verschwanden,
ohne dem Lande die geringste Lust sie fortzusetzen eingeimpft zu haben. Eine
sichere Grundlage des Fabrikwesens wurde erst gelegt, nachdem das Gebiet
seine politische Selbständigkeit verloren hatte."

Der Verfasser führt uun die großen Wirkungen an, die für die Industrie
von der ini Jahre 1828 gegründeten Polnischen Bank in Warschau ausgingen.
Sehe man aber, sagt er, genauer zu, wer denn die Leute waren, die mit Hilfe
der Bank all die vielen industriellen Anlagen pflanzten, so finde man, die land¬
wirtschaftliche Zuckersiederei etwa nnsgenommen, nur Ausländer. "Die Bank
war genötigt, künstlich die benachbarten Deutschen herbeizuziehn, um der Pro¬
duktion des Gebiets einen Anstoß zu geben." Als die Bank 1870 ihre Thätig¬
keit einstellen mußte, wurde dadurch weder das Wachstum der Industrie, noch
das Zuströmen deutscher Kräfte unterbrochen, und beides erhielt einen neuen


Polnische Politik

Einfluß der Juden auf die Zustünde des Landes und besonders des niedern
Landvolks erörtert und erklärt hat, „das einzige Element im Weichsellande,
das dem auf Kosten dieses Landes betriebnen räuberischen Erwerbe der Juden
einen ernstlichen Widerstand entgegensetze," sei das deutsche Element, fährt er
in Kapitel 8 also fort:

„Die deutschen Einwaudrer im Weichsellande setzen nicht nur allen Ver¬
suchen der Juden, sie auszubeuten, einen zähen Widerstand entgegen, sondern
konkurrieren sogar mit ihnen auf dem Gebiet des Handels, während sie sich
die industrielle Sphäre völlig unterworfen haben. Wenn sich unter dem Ein¬
fluß administrativer Verordnungen die Zahl der fremdländischen Meister stark
vermindert, so führt doch die Zahl der Besitzer von Fnbrikunteruehmeu fremd¬
ländischen Ursprungs fort zu wachsen. Das Gesetz vom 14. März 1887, das
fremden Unterthanen den Erlverb von Immobilien zu Eigentum in den Grenz-
gubernien nur außerhalb der Stadtgrenzen untersagte, ließ ihnen die volle
Möglichkeit, auch künftig ihre Thätigkeit in dieser Richtung zu entfalten, da
sie sich gerade in den Städten konzentriert. Das Aufhören ihrer Thätigkeit
ist übrigens auch nicht wünschenswert. Bei der Trägheit des polnischen Kapitals,
der geringen Unternehmungslust seiner Besitzer muß man einräumen, daß in
der industriellen Thätigkeit der fremden Einwandrer der gesamte fernere Erfolg
des Fortschreitens dieser Sache im Lande wurzelt. Es genügt, daß man einen
ganz oberflächlichen Blick uns die Geschichte des Entstehens des Mannfaktnr-
gewerbes wirft, um sich zu überzeugen, daß es sein Erscheinen und seine schnelle
Entwicklung ausschließlich fremdländischen Kräften verdankt, die im Hnndelsgebiet
der frühern Republik Polen schon seit dem fünfzehnten Jahrhundert zugleich
mit den Juden erschienen. Die örtlichen Kräfte waren in Polen von alters
her ausschließlich auf den Landbau gerichtet, und auch die künstliche Anpflanzung
von Fabriken unter Stanislaus August, als sich viele Magnaten, dem Beispiel
des Königs folgend, an die Errichtung von Manufakturen machten, endete mit
einem völligen Fehlschlag. Diese Manufakturen, die übrigens ausschließlich
Gegenstände des Luxus und sogar der Kunst erzeugten, wie teures Porzellan,
Spiegel, Gobelinteppiche, erhielten sich nur sehr kurze Zeit und verschwanden,
ohne dem Lande die geringste Lust sie fortzusetzen eingeimpft zu haben. Eine
sichere Grundlage des Fabrikwesens wurde erst gelegt, nachdem das Gebiet
seine politische Selbständigkeit verloren hatte."

Der Verfasser führt uun die großen Wirkungen an, die für die Industrie
von der ini Jahre 1828 gegründeten Polnischen Bank in Warschau ausgingen.
Sehe man aber, sagt er, genauer zu, wer denn die Leute waren, die mit Hilfe
der Bank all die vielen industriellen Anlagen pflanzten, so finde man, die land¬
wirtschaftliche Zuckersiederei etwa nnsgenommen, nur Ausländer. „Die Bank
war genötigt, künstlich die benachbarten Deutschen herbeizuziehn, um der Pro¬
duktion des Gebiets einen Anstoß zu geben." Als die Bank 1870 ihre Thätig¬
keit einstellen mußte, wurde dadurch weder das Wachstum der Industrie, noch
das Zuströmen deutscher Kräfte unterbrochen, und beides erhielt einen neuen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551/18>, abgerufen am 30.06.2024.