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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Das Elend? Was für ein Elend könne er nicht mit ansehen? Er war stehn
geblieben und sah mich mit großen Augen an.

Nun, doch das Elend der Frnuenfrage, das dem armen Kinde bevorstehe! Was
soll aus dem armen Kinde werden! jammerte er. Ein armer Beamter wie ich,
den ohnehin die Versicherungsgesellschaften an den Rand des Bettelstabs bringen --
wer wird das arme Kind heiraten? Wer heiratet denn jetzt ein Mädchen ohne
Geld? -- Ich hatte Mühe, ihm wieder ein wenig Lebensmut einzuflößen. Die
Kleine ist übrigens mein Patchen und gedeiht vortrefflich.

Klaus Müller? Was hat denn der mit Versicherungsgesellschaften zu thun?

Ja, wissen Sie, mein Freund Dr. Klaus Müller hat die Eigentümlichkeit, daß er
sich vor allen Agenten und Reisenden geniert. Hat er gerade gar kein Geld übrig,
und es kommt ein Weinreisender, so bestellt er sich ein Mßchen Wein, und seine
Frau hat dann die Not, immer Weinsuppen kochen zu müssen, weil das Zeug nicht
zu trinken ist. Und so versichert er sich auch bei jedem Agenten, der bei ihm
klingelt. Lebensversicherung, Unfallversicherung, Militärversicherung, Aussteuerver-
sicheruug, Diebstahlversicherung -- alles hat er und muß er pünktlich bezahlen.
Neulich war er gerade im Begriff, sich auch noch gegen Hagelschaden zu versichern,
als seine Frau noch glücklich dazwischen kam. Übrigens finde ich es ganz ver¬
nünftig, wenn ein Beamter sich und seine Kinder versichert, wenn es auch jedesmal
schmerzlich ist, wenn dann die Quittungen präsentiert werden. Ich habe mich auch
versichert; mir selbst nützt es ja nichts, aber meinen Nichten wird es doch ein
kleiner Trost in ihrem Schmerz sein, wenn ich einmal das Zeitliche segne.

Sagen Sie mal, Ihre ältere Nichte geht ja wohl auch in das Mädchen¬
gymnasium?

Ja. die Mädchen sind ja alle des Teufels. Es ist chic, daß man sein Ober-
lehrerinueuexamen gemacht hat, wie Fron-Fron und weißlederne Schuhe.

Wenn Sie ein vernünftiger Onkel wären, sagte er grimmig, so hätten Sie
den Blödsinn verhindert. Sucht ein Mädchen ernsthaft eine Lebensstellung zu er¬
ringen durch das Studium, und hat es die Anlage dazu, meinethalben, so mag sie
es thun. Aber rein ans Koketterie den Schwindel mitmachen, da hört doch alles auf!
Hat es denn Ihre Nichte nötig, ihre Gesundheit aufs Spiel zu setzen? Nur einer
Flitze wegen? Wieviele Mädchen halten denn die Anstrengung aus? Fragen Sie
einmal die Ärzte, was die gewöhnlichen Folgen sind. Bleichsucht und Nervenheil¬
anstalt! Statt daß man die Mädchen möglichst schont und sich gesund für den
Beruf entwickeln läßt, der ihnen von der Natur bestimmt ist, läßt man diese
thörichte Eitelkeit gewähren! Mir sagte einmal ein Freund in der Zeit, wo so
viel von der Überbürdungsfrage die Rede war, das hülfe nun alles nichts in unsrer
Zeit, die Ziele müßten hoch gesteckt werden, und die Jungen müßten durch oder
brechen. Er hatte aber selbst keinen Jungen, also war die Kühnheit billig. Nun
mag man ja in Fällen, wo Mädchen durch die Verhältnisse gezwungen werden,
einen Beruf zu ergreifen, sagen, die bittre Not verlange es, sie müßten es ris¬
kieren: durch oder brechen. Aber zwingt denn die Not gerade dazu, daß sie einen
Gelehrtenberuf ergreifen? Das Allerschwerste, wo das Scheitern am sichersten ist?
Aber es ist ja gar nicht wahr, daß die Frauen gezwungen seien, aus Not auf die
gelehrten Berufe hinüberzugreifen. Und doch will ich nicht einmal etwas dagegen
sagen, wenn durch besondre Begabung dazu die Möglichkeit gewährt wird, nur um
diesen edeln Frauenrechtlerinnen die Phrase von der Unterdrückung des Weibes
aus dem Munde zu nehmen. Obgleich z. B. auf dem Gebiet der Medizin auf¬
richtiger Drang nach nützlicher und erwerbgebender Thätigkeit auch wo anders liegt
als in der Rolle des weibliches Arztes. Mich wuuderts immer, daß noch alle
Frauen damit zufrieden find -- auch die gebildetsten und vornehmsten --, daß die
Hebammen aus den untersten und ungebildetsten Schichten der Bevölkerung ge-


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Das Elend? Was für ein Elend könne er nicht mit ansehen? Er war stehn
geblieben und sah mich mit großen Augen an.

Nun, doch das Elend der Frnuenfrage, das dem armen Kinde bevorstehe! Was
soll aus dem armen Kinde werden! jammerte er. Ein armer Beamter wie ich,
den ohnehin die Versicherungsgesellschaften an den Rand des Bettelstabs bringen —
wer wird das arme Kind heiraten? Wer heiratet denn jetzt ein Mädchen ohne
Geld? — Ich hatte Mühe, ihm wieder ein wenig Lebensmut einzuflößen. Die
Kleine ist übrigens mein Patchen und gedeiht vortrefflich.

Klaus Müller? Was hat denn der mit Versicherungsgesellschaften zu thun?

Ja, wissen Sie, mein Freund Dr. Klaus Müller hat die Eigentümlichkeit, daß er
sich vor allen Agenten und Reisenden geniert. Hat er gerade gar kein Geld übrig,
und es kommt ein Weinreisender, so bestellt er sich ein Mßchen Wein, und seine
Frau hat dann die Not, immer Weinsuppen kochen zu müssen, weil das Zeug nicht
zu trinken ist. Und so versichert er sich auch bei jedem Agenten, der bei ihm
klingelt. Lebensversicherung, Unfallversicherung, Militärversicherung, Aussteuerver-
sicheruug, Diebstahlversicherung — alles hat er und muß er pünktlich bezahlen.
Neulich war er gerade im Begriff, sich auch noch gegen Hagelschaden zu versichern,
als seine Frau noch glücklich dazwischen kam. Übrigens finde ich es ganz ver¬
nünftig, wenn ein Beamter sich und seine Kinder versichert, wenn es auch jedesmal
schmerzlich ist, wenn dann die Quittungen präsentiert werden. Ich habe mich auch
versichert; mir selbst nützt es ja nichts, aber meinen Nichten wird es doch ein
kleiner Trost in ihrem Schmerz sein, wenn ich einmal das Zeitliche segne.

Sagen Sie mal, Ihre ältere Nichte geht ja wohl auch in das Mädchen¬
gymnasium?

Ja. die Mädchen sind ja alle des Teufels. Es ist chic, daß man sein Ober-
lehrerinueuexamen gemacht hat, wie Fron-Fron und weißlederne Schuhe.

Wenn Sie ein vernünftiger Onkel wären, sagte er grimmig, so hätten Sie
den Blödsinn verhindert. Sucht ein Mädchen ernsthaft eine Lebensstellung zu er¬
ringen durch das Studium, und hat es die Anlage dazu, meinethalben, so mag sie
es thun. Aber rein ans Koketterie den Schwindel mitmachen, da hört doch alles auf!
Hat es denn Ihre Nichte nötig, ihre Gesundheit aufs Spiel zu setzen? Nur einer
Flitze wegen? Wieviele Mädchen halten denn die Anstrengung aus? Fragen Sie
einmal die Ärzte, was die gewöhnlichen Folgen sind. Bleichsucht und Nervenheil¬
anstalt! Statt daß man die Mädchen möglichst schont und sich gesund für den
Beruf entwickeln läßt, der ihnen von der Natur bestimmt ist, läßt man diese
thörichte Eitelkeit gewähren! Mir sagte einmal ein Freund in der Zeit, wo so
viel von der Überbürdungsfrage die Rede war, das hülfe nun alles nichts in unsrer
Zeit, die Ziele müßten hoch gesteckt werden, und die Jungen müßten durch oder
brechen. Er hatte aber selbst keinen Jungen, also war die Kühnheit billig. Nun
mag man ja in Fällen, wo Mädchen durch die Verhältnisse gezwungen werden,
einen Beruf zu ergreifen, sagen, die bittre Not verlange es, sie müßten es ris¬
kieren: durch oder brechen. Aber zwingt denn die Not gerade dazu, daß sie einen
Gelehrtenberuf ergreifen? Das Allerschwerste, wo das Scheitern am sichersten ist?
Aber es ist ja gar nicht wahr, daß die Frauen gezwungen seien, aus Not auf die
gelehrten Berufe hinüberzugreifen. Und doch will ich nicht einmal etwas dagegen
sagen, wenn durch besondre Begabung dazu die Möglichkeit gewährt wird, nur um
diesen edeln Frauenrechtlerinnen die Phrase von der Unterdrückung des Weibes
aus dem Munde zu nehmen. Obgleich z. B. auf dem Gebiet der Medizin auf¬
richtiger Drang nach nützlicher und erwerbgebender Thätigkeit auch wo anders liegt
als in der Rolle des weibliches Arztes. Mich wuuderts immer, daß noch alle
Frauen damit zufrieden find — auch die gebildetsten und vornehmsten —, daß die
Hebammen aus den untersten und ungebildetsten Schichten der Bevölkerung ge-


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[0160] Maßgebliches und Unmaßgebliches Das Elend? Was für ein Elend könne er nicht mit ansehen? Er war stehn geblieben und sah mich mit großen Augen an. Nun, doch das Elend der Frnuenfrage, das dem armen Kinde bevorstehe! Was soll aus dem armen Kinde werden! jammerte er. Ein armer Beamter wie ich, den ohnehin die Versicherungsgesellschaften an den Rand des Bettelstabs bringen — wer wird das arme Kind heiraten? Wer heiratet denn jetzt ein Mädchen ohne Geld? — Ich hatte Mühe, ihm wieder ein wenig Lebensmut einzuflößen. Die Kleine ist übrigens mein Patchen und gedeiht vortrefflich. Klaus Müller? Was hat denn der mit Versicherungsgesellschaften zu thun? Ja, wissen Sie, mein Freund Dr. Klaus Müller hat die Eigentümlichkeit, daß er sich vor allen Agenten und Reisenden geniert. Hat er gerade gar kein Geld übrig, und es kommt ein Weinreisender, so bestellt er sich ein Mßchen Wein, und seine Frau hat dann die Not, immer Weinsuppen kochen zu müssen, weil das Zeug nicht zu trinken ist. Und so versichert er sich auch bei jedem Agenten, der bei ihm klingelt. Lebensversicherung, Unfallversicherung, Militärversicherung, Aussteuerver- sicheruug, Diebstahlversicherung — alles hat er und muß er pünktlich bezahlen. Neulich war er gerade im Begriff, sich auch noch gegen Hagelschaden zu versichern, als seine Frau noch glücklich dazwischen kam. Übrigens finde ich es ganz ver¬ nünftig, wenn ein Beamter sich und seine Kinder versichert, wenn es auch jedesmal schmerzlich ist, wenn dann die Quittungen präsentiert werden. Ich habe mich auch versichert; mir selbst nützt es ja nichts, aber meinen Nichten wird es doch ein kleiner Trost in ihrem Schmerz sein, wenn ich einmal das Zeitliche segne. Sagen Sie mal, Ihre ältere Nichte geht ja wohl auch in das Mädchen¬ gymnasium? Ja. die Mädchen sind ja alle des Teufels. Es ist chic, daß man sein Ober- lehrerinueuexamen gemacht hat, wie Fron-Fron und weißlederne Schuhe. Wenn Sie ein vernünftiger Onkel wären, sagte er grimmig, so hätten Sie den Blödsinn verhindert. Sucht ein Mädchen ernsthaft eine Lebensstellung zu er¬ ringen durch das Studium, und hat es die Anlage dazu, meinethalben, so mag sie es thun. Aber rein ans Koketterie den Schwindel mitmachen, da hört doch alles auf! Hat es denn Ihre Nichte nötig, ihre Gesundheit aufs Spiel zu setzen? Nur einer Flitze wegen? Wieviele Mädchen halten denn die Anstrengung aus? Fragen Sie einmal die Ärzte, was die gewöhnlichen Folgen sind. Bleichsucht und Nervenheil¬ anstalt! Statt daß man die Mädchen möglichst schont und sich gesund für den Beruf entwickeln läßt, der ihnen von der Natur bestimmt ist, läßt man diese thörichte Eitelkeit gewähren! Mir sagte einmal ein Freund in der Zeit, wo so viel von der Überbürdungsfrage die Rede war, das hülfe nun alles nichts in unsrer Zeit, die Ziele müßten hoch gesteckt werden, und die Jungen müßten durch oder brechen. Er hatte aber selbst keinen Jungen, also war die Kühnheit billig. Nun mag man ja in Fällen, wo Mädchen durch die Verhältnisse gezwungen werden, einen Beruf zu ergreifen, sagen, die bittre Not verlange es, sie müßten es ris¬ kieren: durch oder brechen. Aber zwingt denn die Not gerade dazu, daß sie einen Gelehrtenberuf ergreifen? Das Allerschwerste, wo das Scheitern am sichersten ist? Aber es ist ja gar nicht wahr, daß die Frauen gezwungen seien, aus Not auf die gelehrten Berufe hinüberzugreifen. Und doch will ich nicht einmal etwas dagegen sagen, wenn durch besondre Begabung dazu die Möglichkeit gewährt wird, nur um diesen edeln Frauenrechtlerinnen die Phrase von der Unterdrückung des Weibes aus dem Munde zu nehmen. Obgleich z. B. auf dem Gebiet der Medizin auf¬ richtiger Drang nach nützlicher und erwerbgebender Thätigkeit auch wo anders liegt als in der Rolle des weibliches Arztes. Mich wuuderts immer, daß noch alle Frauen damit zufrieden find — auch die gebildetsten und vornehmsten —, daß die Hebammen aus den untersten und ungebildetsten Schichten der Bevölkerung ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551/160>, abgerufen am 02.07.2024.