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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.

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Line Fahrt nach dein Saterlande

mit ihren gewaltigen Wirkungen in großen Verhältnissen schön, so sind es
Heide und Moor nicht minder; und es muß ein ganz fühlloser Mensch sein,
der eindruckslos in diese Welt des wunderbaren Zusammenwirkens der Kräfte,
die den Erdball modeln, eintritt. Allmers, der feinsinnige Schilderer der nord-
deutschen Landschaft, hat den Eindruck trefflich in die Worte gefaßt: "Im Moor
findet die tiefste Melancholie ihren Ausdruck, welche" der köstlichste Frühlings-
morgen und der sonnigblanste Sommertag nicht ganz verscheuchen können, der
aber bei trübem, wolkigem Himmel, im Spätherbst und zur Winterszeit wahr
haft grauenerregend uns die Seele zu wirken vermag. Nie wird man von
diesem Eindruck so mächtig berührt, als wenn man kaum noch die Wiesen der
Marsch durchwanderte und nun plötzlich das Moor betritt. Mit einemmale
ist man in eiuer andern Welt. Alles heitere Grün ist verschwunden, nichts zu
erblicken als ödes schwarzbraunes Land von unheimlichem, verbranntem Ansehen,
begrenzt von einer ernsten tiefblauen Ferne. Die schwarzen Torfhanfen, oder
hie und da die einsame Hütte eines Torfbauern, von einigen weißstümmigen
Birken umgeben, sind die alleinige Unterbrechung der traurigen Ebne. Da
und dort wallt eine graue Rauchmassc still zum Himmel, sodaß man sich oft
in einer vulkanischen Gegend glauben könnte, und ringsum herrscht eine Stille,
ein Todesschweigen, welche das Herz mit Grauen erfüllen."

Die riesige Flüche des uordwestdeutschen Moorgebiets war ohne weiteres
für Menschen undurchdringlich, und noch jetzt, nach jnhrhnudertelauger Kultur
arbeit, die allerdings ehedem langsam eingriff, hat es noch eine Mächtigkeit,
die unabsehbar ist. Der einzige Weg, dem Koloß von Pflauzcnrudimcnten
nahe zu kommen, war die Wasserstraße, und so hat man 1855 angefangen,
den Hunde-Emskanal mitten durch das Hochmvorgebiet von Osten nach Westen
zu legen, der wohl auch dem noch nicht erfüllten Zwecke des Durchgangs
Verkehrs dienen, in erster Linie aber ein Meliorntionsmittel für die Kultur¬
arbeit im Moore sein sollte. Nach langer Arbeit ist er allmählich jetzt fertig¬
gestellt, und an seinem Räude und längs der Seitenkanäle haben sich die
Kolonisten angesiedelt, denen unser Bestich galt. Erst nachdem der Kanal die
Wassermengen der Oberschichten dem Moore entzogen hatte, konnte der Abbau
des Torfs begonnen werden, und gerade im westlichsten Teile, im Norden des
Saterlands und innerhalb seiner Grenzen, haben sich die Kolonisten in be¬
sonders großer Zahl angesiedelt und den mühseligen Kampf mit dem Boden
aufgenommen. Ein dichtes Netz von breiten und schmalen Wasserstraßen ist
verhältnismäßig schnell an den Hauptkanal angeschlossen worden und erweitert
die Möglichkeit regelmäßigen Verkehrs zwischen den einzelnen Kolonien. Wollte
man das Land schnell mit Menschen füllen und unter Kultur bringen, so
mußte man von der zufälligen Besiedlung dnrch Private absehen. Der oldcn-
burgische Staat befolgte deshalb das Beispiel, das im Westen die holländische
und die ostfriesische Moorkulturpolitik gegeben hatten, und siedelte planmüßig
Kolonisten an, denen ein bestimmter Moorstreifen am Kanal (meist achthundert
Meter tief und hundert Meter breit) unter gewissen, den Erwerb erleichternde"


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mit ihren gewaltigen Wirkungen in großen Verhältnissen schön, so sind es
Heide und Moor nicht minder; und es muß ein ganz fühlloser Mensch sein,
der eindruckslos in diese Welt des wunderbaren Zusammenwirkens der Kräfte,
die den Erdball modeln, eintritt. Allmers, der feinsinnige Schilderer der nord-
deutschen Landschaft, hat den Eindruck trefflich in die Worte gefaßt: „Im Moor
findet die tiefste Melancholie ihren Ausdruck, welche» der köstlichste Frühlings-
morgen und der sonnigblanste Sommertag nicht ganz verscheuchen können, der
aber bei trübem, wolkigem Himmel, im Spätherbst und zur Winterszeit wahr
haft grauenerregend uns die Seele zu wirken vermag. Nie wird man von
diesem Eindruck so mächtig berührt, als wenn man kaum noch die Wiesen der
Marsch durchwanderte und nun plötzlich das Moor betritt. Mit einemmale
ist man in eiuer andern Welt. Alles heitere Grün ist verschwunden, nichts zu
erblicken als ödes schwarzbraunes Land von unheimlichem, verbranntem Ansehen,
begrenzt von einer ernsten tiefblauen Ferne. Die schwarzen Torfhanfen, oder
hie und da die einsame Hütte eines Torfbauern, von einigen weißstümmigen
Birken umgeben, sind die alleinige Unterbrechung der traurigen Ebne. Da
und dort wallt eine graue Rauchmassc still zum Himmel, sodaß man sich oft
in einer vulkanischen Gegend glauben könnte, und ringsum herrscht eine Stille,
ein Todesschweigen, welche das Herz mit Grauen erfüllen."

Die riesige Flüche des uordwestdeutschen Moorgebiets war ohne weiteres
für Menschen undurchdringlich, und noch jetzt, nach jnhrhnudertelauger Kultur
arbeit, die allerdings ehedem langsam eingriff, hat es noch eine Mächtigkeit,
die unabsehbar ist. Der einzige Weg, dem Koloß von Pflauzcnrudimcnten
nahe zu kommen, war die Wasserstraße, und so hat man 1855 angefangen,
den Hunde-Emskanal mitten durch das Hochmvorgebiet von Osten nach Westen
zu legen, der wohl auch dem noch nicht erfüllten Zwecke des Durchgangs
Verkehrs dienen, in erster Linie aber ein Meliorntionsmittel für die Kultur¬
arbeit im Moore sein sollte. Nach langer Arbeit ist er allmählich jetzt fertig¬
gestellt, und an seinem Räude und längs der Seitenkanäle haben sich die
Kolonisten angesiedelt, denen unser Bestich galt. Erst nachdem der Kanal die
Wassermengen der Oberschichten dem Moore entzogen hatte, konnte der Abbau
des Torfs begonnen werden, und gerade im westlichsten Teile, im Norden des
Saterlands und innerhalb seiner Grenzen, haben sich die Kolonisten in be¬
sonders großer Zahl angesiedelt und den mühseligen Kampf mit dem Boden
aufgenommen. Ein dichtes Netz von breiten und schmalen Wasserstraßen ist
verhältnismäßig schnell an den Hauptkanal angeschlossen worden und erweitert
die Möglichkeit regelmäßigen Verkehrs zwischen den einzelnen Kolonien. Wollte
man das Land schnell mit Menschen füllen und unter Kultur bringen, so
mußte man von der zufälligen Besiedlung dnrch Private absehen. Der oldcn-
burgische Staat befolgte deshalb das Beispiel, das im Westen die holländische
und die ostfriesische Moorkulturpolitik gegeben hatten, und siedelte planmüßig
Kolonisten an, denen ein bestimmter Moorstreifen am Kanal (meist achthundert
Meter tief und hundert Meter breit) unter gewissen, den Erwerb erleichternde»


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551/149>, abgerufen am 04.07.2024.