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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.

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Die Aufteilung Afrikas

noch eine wichtigere Aufgabe der Negierung in Pretoria, als die Niederhaltung
des Uitländertums. Die Bahnverbindung nach der deutschen Küste, von Pre¬
toria über Swakopmund, würde in dieser Hinsicht politisch wertlos sein, da
sie durch das britische Vetschuauenland führen würde. Zudem liegt das wirt¬
schaftliche Schwergewicht Afrikas im Osten des Kontinents. Im Südosten
sind die Burenstaaten von englischem Gebiet umklammert, ihre Hoffnung auf
Se. Lucia wurde unter Vermittlung der Bismarckischen Politik zu Schanden:
es bleibt nur noch eine Hoffnung, die Erwerbung des portugiesischen treff¬
lichen Hafens der Delagoabai. Sie ist die natürliche Pforte Transvaals nach
dem Meere.

Die Pläne der Buren auf die Delagoabai send alt. Schon unter Bürgers
Präsidentschaft (1872 bis 1877) tauchten sie auf. Bürgers hatte einen ent¬
sprechenden Vertrag mit Portugal gemacht und schon das Material mit Hilfe
einer Anleihe in Holland angekauft. Damals aber war die Republik fast
bankrott, der Volksraad bewilligte keine Mittel, und das angekaufte Eisenbahn¬
material wurde in Vlissingen als altes Eisen verkauft. Gleichzeitig (1875)
wurde jedoch ein Handstreich Englands auf die Bai (durch Besetzung der
Insel Jnyack) durch einen Schiedsspruch Mac Masons vereitelt. Nicht anders
ging es aber auch den Buren, die sich in demselben Jahre das Land an der
Südseite der Bai aneignen wollten. Ferner richtete damals E. von Weber,
wie er in seinem Werke "Bier Jahre in Südafrika" berichtet, ein Schreiben
an den Kaiser und Bismarck, worin er nach Darlegung der Vorzüge der
Delagoabai bat, sie von Portugal anzukaufen. Wie später der Erwerb der
Lueiabai, so wurde damals der Ankauf der Delagoabai von der Reichsregie¬
rung abgelehnt. Bismarck hat sich erst recht spät für Kolonialpolitik erwärmt.
Er vertrat damals die heute als verfehlt erkannte kolonialpolitische Ansicht,
daß die Flagge dem Handel folgen müsse. Die Engländer dagegen ließen sich
von dem Grundsatz leiten, daß die englische Flagge dem Handel voranziehn
müsse, und der Befolgung dieses Prinzips verdanken sie jetzt den Besitz von
halb Afrika.

Während der Annexion Transvaals durch England ruhte die Delagoa-
frage. England ließ sich Zeit, da ihm ja Transvaal gehörte, und Portugal
kein ernster Konkurrent sein kann. Nach Abschüttluug der englischen Herrschaft
nahm Präsident Krüger den Vürgersschen Plan wieder auf. Er schuf die
Niederländische Gesellschaft, die unter der Garantie und dem Ankaufsrecht vou
Transvaal die Bahn gebaut hat. Nun handelt es sich um den Besitz der
Delagoabai selbst. England versuchte wieder im Jahre 1894 sich nach altem
Rezept der Bai zu bemächtigen. Als Zulustämme, die durch englische Agenten
aufgestachelt und unterstützt sein sollen, die Portugiesen an der Delagoabai
bedrohten, sandte England vier Kriegsschiffe dahin, die die bedrängte Stadt
Lorenzo Marquez "in Schutz" nehmen sollten. Zwei deutsche Kriegsschiffe


Die Aufteilung Afrikas

noch eine wichtigere Aufgabe der Negierung in Pretoria, als die Niederhaltung
des Uitländertums. Die Bahnverbindung nach der deutschen Küste, von Pre¬
toria über Swakopmund, würde in dieser Hinsicht politisch wertlos sein, da
sie durch das britische Vetschuauenland führen würde. Zudem liegt das wirt¬
schaftliche Schwergewicht Afrikas im Osten des Kontinents. Im Südosten
sind die Burenstaaten von englischem Gebiet umklammert, ihre Hoffnung auf
Se. Lucia wurde unter Vermittlung der Bismarckischen Politik zu Schanden:
es bleibt nur noch eine Hoffnung, die Erwerbung des portugiesischen treff¬
lichen Hafens der Delagoabai. Sie ist die natürliche Pforte Transvaals nach
dem Meere.

Die Pläne der Buren auf die Delagoabai send alt. Schon unter Bürgers
Präsidentschaft (1872 bis 1877) tauchten sie auf. Bürgers hatte einen ent¬
sprechenden Vertrag mit Portugal gemacht und schon das Material mit Hilfe
einer Anleihe in Holland angekauft. Damals aber war die Republik fast
bankrott, der Volksraad bewilligte keine Mittel, und das angekaufte Eisenbahn¬
material wurde in Vlissingen als altes Eisen verkauft. Gleichzeitig (1875)
wurde jedoch ein Handstreich Englands auf die Bai (durch Besetzung der
Insel Jnyack) durch einen Schiedsspruch Mac Masons vereitelt. Nicht anders
ging es aber auch den Buren, die sich in demselben Jahre das Land an der
Südseite der Bai aneignen wollten. Ferner richtete damals E. von Weber,
wie er in seinem Werke „Bier Jahre in Südafrika" berichtet, ein Schreiben
an den Kaiser und Bismarck, worin er nach Darlegung der Vorzüge der
Delagoabai bat, sie von Portugal anzukaufen. Wie später der Erwerb der
Lueiabai, so wurde damals der Ankauf der Delagoabai von der Reichsregie¬
rung abgelehnt. Bismarck hat sich erst recht spät für Kolonialpolitik erwärmt.
Er vertrat damals die heute als verfehlt erkannte kolonialpolitische Ansicht,
daß die Flagge dem Handel folgen müsse. Die Engländer dagegen ließen sich
von dem Grundsatz leiten, daß die englische Flagge dem Handel voranziehn
müsse, und der Befolgung dieses Prinzips verdanken sie jetzt den Besitz von
halb Afrika.

Während der Annexion Transvaals durch England ruhte die Delagoa-
frage. England ließ sich Zeit, da ihm ja Transvaal gehörte, und Portugal
kein ernster Konkurrent sein kann. Nach Abschüttluug der englischen Herrschaft
nahm Präsident Krüger den Vürgersschen Plan wieder auf. Er schuf die
Niederländische Gesellschaft, die unter der Garantie und dem Ankaufsrecht vou
Transvaal die Bahn gebaut hat. Nun handelt es sich um den Besitz der
Delagoabai selbst. England versuchte wieder im Jahre 1894 sich nach altem
Rezept der Bai zu bemächtigen. Als Zulustämme, die durch englische Agenten
aufgestachelt und unterstützt sein sollen, die Portugiesen an der Delagoabai
bedrohten, sandte England vier Kriegsschiffe dahin, die die bedrängte Stadt
Lorenzo Marquez „in Schutz" nehmen sollten. Zwei deutsche Kriegsschiffe


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[0077] Die Aufteilung Afrikas noch eine wichtigere Aufgabe der Negierung in Pretoria, als die Niederhaltung des Uitländertums. Die Bahnverbindung nach der deutschen Küste, von Pre¬ toria über Swakopmund, würde in dieser Hinsicht politisch wertlos sein, da sie durch das britische Vetschuauenland führen würde. Zudem liegt das wirt¬ schaftliche Schwergewicht Afrikas im Osten des Kontinents. Im Südosten sind die Burenstaaten von englischem Gebiet umklammert, ihre Hoffnung auf Se. Lucia wurde unter Vermittlung der Bismarckischen Politik zu Schanden: es bleibt nur noch eine Hoffnung, die Erwerbung des portugiesischen treff¬ lichen Hafens der Delagoabai. Sie ist die natürliche Pforte Transvaals nach dem Meere. Die Pläne der Buren auf die Delagoabai send alt. Schon unter Bürgers Präsidentschaft (1872 bis 1877) tauchten sie auf. Bürgers hatte einen ent¬ sprechenden Vertrag mit Portugal gemacht und schon das Material mit Hilfe einer Anleihe in Holland angekauft. Damals aber war die Republik fast bankrott, der Volksraad bewilligte keine Mittel, und das angekaufte Eisenbahn¬ material wurde in Vlissingen als altes Eisen verkauft. Gleichzeitig (1875) wurde jedoch ein Handstreich Englands auf die Bai (durch Besetzung der Insel Jnyack) durch einen Schiedsspruch Mac Masons vereitelt. Nicht anders ging es aber auch den Buren, die sich in demselben Jahre das Land an der Südseite der Bai aneignen wollten. Ferner richtete damals E. von Weber, wie er in seinem Werke „Bier Jahre in Südafrika" berichtet, ein Schreiben an den Kaiser und Bismarck, worin er nach Darlegung der Vorzüge der Delagoabai bat, sie von Portugal anzukaufen. Wie später der Erwerb der Lueiabai, so wurde damals der Ankauf der Delagoabai von der Reichsregie¬ rung abgelehnt. Bismarck hat sich erst recht spät für Kolonialpolitik erwärmt. Er vertrat damals die heute als verfehlt erkannte kolonialpolitische Ansicht, daß die Flagge dem Handel folgen müsse. Die Engländer dagegen ließen sich von dem Grundsatz leiten, daß die englische Flagge dem Handel voranziehn müsse, und der Befolgung dieses Prinzips verdanken sie jetzt den Besitz von halb Afrika. Während der Annexion Transvaals durch England ruhte die Delagoa- frage. England ließ sich Zeit, da ihm ja Transvaal gehörte, und Portugal kein ernster Konkurrent sein kann. Nach Abschüttluug der englischen Herrschaft nahm Präsident Krüger den Vürgersschen Plan wieder auf. Er schuf die Niederländische Gesellschaft, die unter der Garantie und dem Ankaufsrecht vou Transvaal die Bahn gebaut hat. Nun handelt es sich um den Besitz der Delagoabai selbst. England versuchte wieder im Jahre 1894 sich nach altem Rezept der Bai zu bemächtigen. Als Zulustämme, die durch englische Agenten aufgestachelt und unterstützt sein sollen, die Portugiesen an der Delagoabai bedrohten, sandte England vier Kriegsschiffe dahin, die die bedrängte Stadt Lorenzo Marquez „in Schutz" nehmen sollten. Zwei deutsche Kriegsschiffe

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_231169/77>, abgerufen am 15.01.2025.