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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.

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Die Aufteilung Afrikas

afrika ist das holländische Element zur Zeit noch politisch im Übergewicht.
Es bestehn dort nicht nur zwei freie holländische Staaten, sondern auch die
Kapkolonie hat ihren holländischen Charakter zu wahren gewußt. Die Hol¬
länder haben im Kapparlament jetzt das Übergewicht erhalten und demgemäß
auch den Premierminister gestellt. Im Jahre 1893 hatte nach offiziellen An¬
gaben der englischen Regierung die Kapkolonie Millionen Einwohner,
darunter 400000 Weiße. Von diesen waren nur etwa 35000 Engländer
und 6000 Deutsche. Die beiden Burenrepubliken hatten damals zusammen
eine Bevölkerung von etwa einer Million, darunter etwa ein Viertel Weiße.
Nun sind in den Republiken etwa 60000 waffenfähige Männer holländischen
Stammes, dazu kommen noch die Buren, die zerstreut im englischen Gebiete
wohnen. Man ersieht daraus, wie stark das holländische Element in Süd¬
afrika ist. Angesichts dieser Thatsache und der Wahrscheinlichkeit, daß sich
auch die Afrikcmder (die eingebornen Weißen) in den englischen Kolonien selbst
gegen einen überhandnehmenden Londoner Einfluß wehren würden, ist nicht
anzunehmen, daß England einen offnen Kampf gegen die Selbständigkeit der
Burenstaaten wagen wird. Es hat zur Erreichung seiner Zwecke ja auch ein
andres, langsam aber sicher wirkendes Mittel: die Verlockungen des Reichtums.

Kenner des Landes haben schon den verderblichen Einfluß, den die plötz¬
lich über die einfachen Bure" hereinbrechenden Reichtümer gezeitigt haben, fest¬
stellen können. Mit Spielhöllen, Kneipen, unsittlichen Weibervolk über¬
schwemmen die Engländer das Land. Es ist noch nicht abzusehen, wie lange
sich die Buren ihren Konservativismus, in dem ihre Kraft wurzelt, erhalten
werden. Dazu kommt, daß die Buren an geistiger und wirtschaftlicher Reg¬
samkeit den Europäern tief unterlegen sind. Sie haben ihren Verwaltungs¬
apparat, der nicht mehr wie früher mit Dorfschulzentalenten zu regieren ist,
zum großen Teil Europäern anvertrauen müssen, besonders Dentschen und
Holländern. Es wird lange dauern, bis der Bur auf die Bildungsstufe ge¬
langt, die ihn befähigt, sein politisches Vorrecht auch selbst auszuüben. Dazu
kommt die wirtschaftliche, kaufmännische Inferiorität der Buren gegenüber den
Uitländern. Ein Staat ist nicht mehr selbständig, wenn sein ganzes wirt¬
schaftliches Leben in den Händen von Ausländern ist. In Europa sehen wir
das an Portugal, das ein Appendix zu Britannien ist. Einstweilen ist jedoch
die politische Macht des Vurentums noch rege, und sie muß so lange, wo¬
möglich mit deutscher Hilfe rege und kräftig erhalten bleiben, bis das deutsche
Element in Südafrika genügend gestärkt ist, den wirtschaftlichen und politischen
Kampf mit dein Engländertum aufzunehmen und dem Burentum den Rücken
zu stärken.

Es wird den Buren leichter werden, sich die Selbständigkeit zu erhalten,
wenn es ihnen gelingt, sich einen Zugang zum Meere zu sichern oder wenig¬
stens eine unabhängige Bahnlinie zum Meere. Dieses ist darum zur Zeit


Die Aufteilung Afrikas

afrika ist das holländische Element zur Zeit noch politisch im Übergewicht.
Es bestehn dort nicht nur zwei freie holländische Staaten, sondern auch die
Kapkolonie hat ihren holländischen Charakter zu wahren gewußt. Die Hol¬
länder haben im Kapparlament jetzt das Übergewicht erhalten und demgemäß
auch den Premierminister gestellt. Im Jahre 1893 hatte nach offiziellen An¬
gaben der englischen Regierung die Kapkolonie Millionen Einwohner,
darunter 400000 Weiße. Von diesen waren nur etwa 35000 Engländer
und 6000 Deutsche. Die beiden Burenrepubliken hatten damals zusammen
eine Bevölkerung von etwa einer Million, darunter etwa ein Viertel Weiße.
Nun sind in den Republiken etwa 60000 waffenfähige Männer holländischen
Stammes, dazu kommen noch die Buren, die zerstreut im englischen Gebiete
wohnen. Man ersieht daraus, wie stark das holländische Element in Süd¬
afrika ist. Angesichts dieser Thatsache und der Wahrscheinlichkeit, daß sich
auch die Afrikcmder (die eingebornen Weißen) in den englischen Kolonien selbst
gegen einen überhandnehmenden Londoner Einfluß wehren würden, ist nicht
anzunehmen, daß England einen offnen Kampf gegen die Selbständigkeit der
Burenstaaten wagen wird. Es hat zur Erreichung seiner Zwecke ja auch ein
andres, langsam aber sicher wirkendes Mittel: die Verlockungen des Reichtums.

Kenner des Landes haben schon den verderblichen Einfluß, den die plötz¬
lich über die einfachen Bure» hereinbrechenden Reichtümer gezeitigt haben, fest¬
stellen können. Mit Spielhöllen, Kneipen, unsittlichen Weibervolk über¬
schwemmen die Engländer das Land. Es ist noch nicht abzusehen, wie lange
sich die Buren ihren Konservativismus, in dem ihre Kraft wurzelt, erhalten
werden. Dazu kommt, daß die Buren an geistiger und wirtschaftlicher Reg¬
samkeit den Europäern tief unterlegen sind. Sie haben ihren Verwaltungs¬
apparat, der nicht mehr wie früher mit Dorfschulzentalenten zu regieren ist,
zum großen Teil Europäern anvertrauen müssen, besonders Dentschen und
Holländern. Es wird lange dauern, bis der Bur auf die Bildungsstufe ge¬
langt, die ihn befähigt, sein politisches Vorrecht auch selbst auszuüben. Dazu
kommt die wirtschaftliche, kaufmännische Inferiorität der Buren gegenüber den
Uitländern. Ein Staat ist nicht mehr selbständig, wenn sein ganzes wirt¬
schaftliches Leben in den Händen von Ausländern ist. In Europa sehen wir
das an Portugal, das ein Appendix zu Britannien ist. Einstweilen ist jedoch
die politische Macht des Vurentums noch rege, und sie muß so lange, wo¬
möglich mit deutscher Hilfe rege und kräftig erhalten bleiben, bis das deutsche
Element in Südafrika genügend gestärkt ist, den wirtschaftlichen und politischen
Kampf mit dein Engländertum aufzunehmen und dem Burentum den Rücken
zu stärken.

Es wird den Buren leichter werden, sich die Selbständigkeit zu erhalten,
wenn es ihnen gelingt, sich einen Zugang zum Meere zu sichern oder wenig¬
stens eine unabhängige Bahnlinie zum Meere. Dieses ist darum zur Zeit


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[0076] Die Aufteilung Afrikas afrika ist das holländische Element zur Zeit noch politisch im Übergewicht. Es bestehn dort nicht nur zwei freie holländische Staaten, sondern auch die Kapkolonie hat ihren holländischen Charakter zu wahren gewußt. Die Hol¬ länder haben im Kapparlament jetzt das Übergewicht erhalten und demgemäß auch den Premierminister gestellt. Im Jahre 1893 hatte nach offiziellen An¬ gaben der englischen Regierung die Kapkolonie Millionen Einwohner, darunter 400000 Weiße. Von diesen waren nur etwa 35000 Engländer und 6000 Deutsche. Die beiden Burenrepubliken hatten damals zusammen eine Bevölkerung von etwa einer Million, darunter etwa ein Viertel Weiße. Nun sind in den Republiken etwa 60000 waffenfähige Männer holländischen Stammes, dazu kommen noch die Buren, die zerstreut im englischen Gebiete wohnen. Man ersieht daraus, wie stark das holländische Element in Süd¬ afrika ist. Angesichts dieser Thatsache und der Wahrscheinlichkeit, daß sich auch die Afrikcmder (die eingebornen Weißen) in den englischen Kolonien selbst gegen einen überhandnehmenden Londoner Einfluß wehren würden, ist nicht anzunehmen, daß England einen offnen Kampf gegen die Selbständigkeit der Burenstaaten wagen wird. Es hat zur Erreichung seiner Zwecke ja auch ein andres, langsam aber sicher wirkendes Mittel: die Verlockungen des Reichtums. Kenner des Landes haben schon den verderblichen Einfluß, den die plötz¬ lich über die einfachen Bure» hereinbrechenden Reichtümer gezeitigt haben, fest¬ stellen können. Mit Spielhöllen, Kneipen, unsittlichen Weibervolk über¬ schwemmen die Engländer das Land. Es ist noch nicht abzusehen, wie lange sich die Buren ihren Konservativismus, in dem ihre Kraft wurzelt, erhalten werden. Dazu kommt, daß die Buren an geistiger und wirtschaftlicher Reg¬ samkeit den Europäern tief unterlegen sind. Sie haben ihren Verwaltungs¬ apparat, der nicht mehr wie früher mit Dorfschulzentalenten zu regieren ist, zum großen Teil Europäern anvertrauen müssen, besonders Dentschen und Holländern. Es wird lange dauern, bis der Bur auf die Bildungsstufe ge¬ langt, die ihn befähigt, sein politisches Vorrecht auch selbst auszuüben. Dazu kommt die wirtschaftliche, kaufmännische Inferiorität der Buren gegenüber den Uitländern. Ein Staat ist nicht mehr selbständig, wenn sein ganzes wirt¬ schaftliches Leben in den Händen von Ausländern ist. In Europa sehen wir das an Portugal, das ein Appendix zu Britannien ist. Einstweilen ist jedoch die politische Macht des Vurentums noch rege, und sie muß so lange, wo¬ möglich mit deutscher Hilfe rege und kräftig erhalten bleiben, bis das deutsche Element in Südafrika genügend gestärkt ist, den wirtschaftlichen und politischen Kampf mit dein Engländertum aufzunehmen und dem Burentum den Rücken zu stärken. Es wird den Buren leichter werden, sich die Selbständigkeit zu erhalten, wenn es ihnen gelingt, sich einen Zugang zum Meere zu sichern oder wenig¬ stens eine unabhängige Bahnlinie zum Meere. Dieses ist darum zur Zeit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_231169/76>, abgerufen am 15.01.2025.