Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.Briefe eines Zurückgekehrten der Schweiz. Die vornehme Ausstattung des Bandes zeugt von gutem Ge¬ Briefe eines Zurückgekehrten 3 le waldreichen Mittelgebirge Neuenglands und des nördlichen Was an der Harzlandschaft Natur ist, das ist ja echt deutsch, weil eben Briefe eines Zurückgekehrten der Schweiz. Die vornehme Ausstattung des Bandes zeugt von gutem Ge¬ Briefe eines Zurückgekehrten 3 le waldreichen Mittelgebirge Neuenglands und des nördlichen Was an der Harzlandschaft Natur ist, das ist ja echt deutsch, weil eben <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0600" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/231770"/> <fw type="header" place="top"> Briefe eines Zurückgekehrten</fw><lb/> <p xml:id="ID_1957" prev="#ID_1956"> der Schweiz. Die vornehme Ausstattung des Bandes zeugt von gutem Ge¬<lb/> schmack, und die zahlreichen hübschen Karikaturen unter den 186 Illustrationen<lb/> beweisen, daß den wackern Schweizern auch die köstliche Gabe des Humors<lb/> nicht fehlt.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Briefe eines Zurückgekehrten<lb/> 3 </head><lb/> <p xml:id="ID_1958"> le waldreichen Mittelgebirge Neuenglands und des nördlichen<lb/> Newyork haben vor den deutschen die tiefe Einsamkeit, die mannig¬<lb/> faltigere Zusammensetzung des Waldes und Buschwerks und den<lb/> Reichtum an stillen, klaren, waldumrandeten Seen voraus, mit<lb/> denen die Seen des Schwarzwalds und der Vogesen und des<lb/> Böhmerwalds nicht zu vergleichen sind. Der Harz und der Thüringerwald haben<lb/> keine Seen, in ihren Wäldern herrschen die Fichte und die Tanne über weite<lb/> Strecken hin unbedingt, und ihre Ruhe unterbricht sogar im Winter die Schar<lb/> der Gäste, die selbst nur zu oft die Einsamkeit aufstören, die sie suchen. Es ist<lb/> aber dennoch ein ganz andrer Genuß, den Harz zu durchwandern, als in den<lb/> Urwäldern der Adirondacks zu streifen. Wir sind nun einmal Kulturmenschen,<lb/> ob wir in Europa oder in Amerika wohnen, und die Würze unsers Natur¬<lb/> genusses ist eben die Kultur, die die Landschaft eines alten geschichtlichen Ge¬<lb/> biets wie mit einem feinen Duft durchdringt, den man nicht immer genau be¬<lb/> stimmen kann, dessen Fehlen aber bald ein Gefühl der Entbehrung erweckt.<lb/> Der geschichtliche Hauch, der durch alle unsre Lande weht und in jedem Dorfe<lb/> und um jedes alte Gemäuer webt, macht uns alle zu Aristokraten. Er erinnert<lb/> uns daran, wie alt wir als Volk auf diesem Boden sind, dessen Mitbesitzer<lb/> wir uns nennen können, wie unsre Väter dessen Miterwerber waren. Es<lb/> quillt ein warmes Gefühl der Beheimatnng daraus hervor. Vielleicht hat der<lb/> Fremdgewordne, wenn er in den Bann dieser Erinnerungen zurückkehrt, eine<lb/> feinere Unterscheidung dafür. Jedenfalls sind die geschichtlichen Stätten aus<lb/> der Zeit der sächsischen Kaiser die leuchtendsten Erinnerungen meiner Harz¬<lb/> wanderung.</p><lb/> <p xml:id="ID_1959" next="#ID_1960"> Was an der Harzlandschaft Natur ist, das ist ja echt deutsch, weil eben<lb/> ein gut Stück deutsche Kulturarbeit darin steckt. Nicht der Wald an sich,<lb/> sondern der schön gepflegte Wald, den nicht einmal der uralte Bergbau des<lb/> Oberharzes in so häßlicher, rein zerstörender Weise gelichtet hat, wie bei uns<lb/> drüben der unersättliche wälderfressende Holzhandel, ist der Schmuck des Harzes.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0600]
Briefe eines Zurückgekehrten
der Schweiz. Die vornehme Ausstattung des Bandes zeugt von gutem Ge¬
schmack, und die zahlreichen hübschen Karikaturen unter den 186 Illustrationen
beweisen, daß den wackern Schweizern auch die köstliche Gabe des Humors
nicht fehlt.
Briefe eines Zurückgekehrten
3
le waldreichen Mittelgebirge Neuenglands und des nördlichen
Newyork haben vor den deutschen die tiefe Einsamkeit, die mannig¬
faltigere Zusammensetzung des Waldes und Buschwerks und den
Reichtum an stillen, klaren, waldumrandeten Seen voraus, mit
denen die Seen des Schwarzwalds und der Vogesen und des
Böhmerwalds nicht zu vergleichen sind. Der Harz und der Thüringerwald haben
keine Seen, in ihren Wäldern herrschen die Fichte und die Tanne über weite
Strecken hin unbedingt, und ihre Ruhe unterbricht sogar im Winter die Schar
der Gäste, die selbst nur zu oft die Einsamkeit aufstören, die sie suchen. Es ist
aber dennoch ein ganz andrer Genuß, den Harz zu durchwandern, als in den
Urwäldern der Adirondacks zu streifen. Wir sind nun einmal Kulturmenschen,
ob wir in Europa oder in Amerika wohnen, und die Würze unsers Natur¬
genusses ist eben die Kultur, die die Landschaft eines alten geschichtlichen Ge¬
biets wie mit einem feinen Duft durchdringt, den man nicht immer genau be¬
stimmen kann, dessen Fehlen aber bald ein Gefühl der Entbehrung erweckt.
Der geschichtliche Hauch, der durch alle unsre Lande weht und in jedem Dorfe
und um jedes alte Gemäuer webt, macht uns alle zu Aristokraten. Er erinnert
uns daran, wie alt wir als Volk auf diesem Boden sind, dessen Mitbesitzer
wir uns nennen können, wie unsre Väter dessen Miterwerber waren. Es
quillt ein warmes Gefühl der Beheimatnng daraus hervor. Vielleicht hat der
Fremdgewordne, wenn er in den Bann dieser Erinnerungen zurückkehrt, eine
feinere Unterscheidung dafür. Jedenfalls sind die geschichtlichen Stätten aus
der Zeit der sächsischen Kaiser die leuchtendsten Erinnerungen meiner Harz¬
wanderung.
Was an der Harzlandschaft Natur ist, das ist ja echt deutsch, weil eben
ein gut Stück deutsche Kulturarbeit darin steckt. Nicht der Wald an sich,
sondern der schön gepflegte Wald, den nicht einmal der uralte Bergbau des
Oberharzes in so häßlicher, rein zerstörender Weise gelichtet hat, wie bei uns
drüben der unersättliche wälderfressende Holzhandel, ist der Schmuck des Harzes.
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