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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.

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Litteratur

einzelne herausgearbeitet sind, sowohl der alten wie der biblischen Geschichte.
Hermannstadt bewahrt manch kostbares Kunstwerk von ihm. Ein ungemein
wertvolles Stück besitzt es serner in einem Becher, dessen Deckel mit einem
fein gemodelten Blumenstrauß geziert ist.

Nicht nur die Kirchen oder die Nativnsuuiversität oder die Städte trugen
durch zahlreiche Aufträge zur Blüte der Goldschmiedekunst bei, sondern auch
die Bürger und Bauern. Zierat und Schmuck des sächsischen Mannes und
der sächsischen Frau haben ihre Geschichte, die eines Studiums würdig ist.
Was an der Tracht des Mannes heutzutage weniger auffällt, da der "echte"
Gürtel dem ledernen Platz gemacht hat, das tritt bei der Kleidung der in der
Tracht äußerst konservativen Frau um so überraschender hervor. Aus Kopf-
nadcln, Heftel und Gürtel setzt sich der Trachtenschmuck zusammen. In der
Herstellung der Ziernadeln, der "Rotten," fand sich noch nicht, trotz der Ver¬
schiedenartigkeit dieses traditionellen Stückes, das richtige Feld für die erfinde¬
rische Kunst des Goldschmieds; das wurde erst durch den Heftel und den
Gürtel geboten. Der Heftel ist der charakteristische Frauenschmuck. Das Be¬
streben, ihm immer neue, schönere Ornamentik und Arabesken und immer leb¬
haftere berechnete Edelsteinwirkimg zu geben, trieb die Goldschmiede zu immer
schöner ausgeführten Arbeiten an. Entzückende Erzeugnisse dieses eigentüm¬
lichen Brustschmucks haben sich noch aus der vorreformatorischen Zeit auf die
jetzigen Geschlechter vererbt und erzählen von der einstigen Kunst und dein
einstigen Reichtum im alten Sachsenlande.




Litteratur
Freunde der Hausmusik

machen wir ans eine Sammlung von geistlichen
Liedern für eine Singstimme mit Begleitung des Klaviers oder der Orgel
aufmerksam, die Heinrich Neimann unter dem Titel "Das deutsche geistliche
Lied von der ältesten bis auf unsre Zeit" bei N. Simrock sin Berlin) veröffent¬
licht hat.

Reichliches und richtiges Musiziere" in Hans und Schule ist die Voraussetzung
für eine gesunde Entwicklung aller öffentlichen Musik. Wieviel ein Volk in der
Tonkunst, wieviel sie ihm bedeutet, das hängt viel weniger vom Konzert und von
Virtuosen ab, als von den Müttern und den Lehrern, von dem Fleiß und dem
Geist, der am Fmnilienklnvier beim Spielen und Singen herrscht. Ein paar Hefte
guter Hausmusik sind vom patriotischen Staudpunkte nicht weniger wert als eine
bedeutende neue Sinfonie oder Oper. Die Reimannsche Sammlung, die zu dieser
Klasse gehört, ist um so wärmer zu begrüßen, als sie geistliche Stücke bringt.
Denn es ist eine Thatsache, daß bei den Bestrebungen zur Erneuerung des
christlichen Lebens, die die zweite Hälfte unsers Jahrhunderts auszeichnen, die alte
Helferin Musik nicht so wie sonst herangezogen worden ist oder wenigstens nicht
so, wie sie konnte, mit eingegriffen hat. Bei den hierher gehörenden fraglichen
Versuchen fallen wohl jedem, der reine Ohren hat, die Posnunenchvre der christ¬
lichen Jünglingsvereine ein. Da wir uns aber hier an die Hausmusik zu halten


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einzelne herausgearbeitet sind, sowohl der alten wie der biblischen Geschichte.
Hermannstadt bewahrt manch kostbares Kunstwerk von ihm. Ein ungemein
wertvolles Stück besitzt es serner in einem Becher, dessen Deckel mit einem
fein gemodelten Blumenstrauß geziert ist.

Nicht nur die Kirchen oder die Nativnsuuiversität oder die Städte trugen
durch zahlreiche Aufträge zur Blüte der Goldschmiedekunst bei, sondern auch
die Bürger und Bauern. Zierat und Schmuck des sächsischen Mannes und
der sächsischen Frau haben ihre Geschichte, die eines Studiums würdig ist.
Was an der Tracht des Mannes heutzutage weniger auffällt, da der „echte"
Gürtel dem ledernen Platz gemacht hat, das tritt bei der Kleidung der in der
Tracht äußerst konservativen Frau um so überraschender hervor. Aus Kopf-
nadcln, Heftel und Gürtel setzt sich der Trachtenschmuck zusammen. In der
Herstellung der Ziernadeln, der „Rotten," fand sich noch nicht, trotz der Ver¬
schiedenartigkeit dieses traditionellen Stückes, das richtige Feld für die erfinde¬
rische Kunst des Goldschmieds; das wurde erst durch den Heftel und den
Gürtel geboten. Der Heftel ist der charakteristische Frauenschmuck. Das Be¬
streben, ihm immer neue, schönere Ornamentik und Arabesken und immer leb¬
haftere berechnete Edelsteinwirkimg zu geben, trieb die Goldschmiede zu immer
schöner ausgeführten Arbeiten an. Entzückende Erzeugnisse dieses eigentüm¬
lichen Brustschmucks haben sich noch aus der vorreformatorischen Zeit auf die
jetzigen Geschlechter vererbt und erzählen von der einstigen Kunst und dein
einstigen Reichtum im alten Sachsenlande.




Litteratur
Freunde der Hausmusik

machen wir ans eine Sammlung von geistlichen
Liedern für eine Singstimme mit Begleitung des Klaviers oder der Orgel
aufmerksam, die Heinrich Neimann unter dem Titel „Das deutsche geistliche
Lied von der ältesten bis auf unsre Zeit" bei N. Simrock sin Berlin) veröffent¬
licht hat.

Reichliches und richtiges Musiziere« in Hans und Schule ist die Voraussetzung
für eine gesunde Entwicklung aller öffentlichen Musik. Wieviel ein Volk in der
Tonkunst, wieviel sie ihm bedeutet, das hängt viel weniger vom Konzert und von
Virtuosen ab, als von den Müttern und den Lehrern, von dem Fleiß und dem
Geist, der am Fmnilienklnvier beim Spielen und Singen herrscht. Ein paar Hefte
guter Hausmusik sind vom patriotischen Staudpunkte nicht weniger wert als eine
bedeutende neue Sinfonie oder Oper. Die Reimannsche Sammlung, die zu dieser
Klasse gehört, ist um so wärmer zu begrüßen, als sie geistliche Stücke bringt.
Denn es ist eine Thatsache, daß bei den Bestrebungen zur Erneuerung des
christlichen Lebens, die die zweite Hälfte unsers Jahrhunderts auszeichnen, die alte
Helferin Musik nicht so wie sonst herangezogen worden ist oder wenigstens nicht
so, wie sie konnte, mit eingegriffen hat. Bei den hierher gehörenden fraglichen
Versuchen fallen wohl jedem, der reine Ohren hat, die Posnunenchvre der christ¬
lichen Jünglingsvereine ein. Da wir uns aber hier an die Hausmusik zu halten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_231169/582>, abgerufen am 15.01.2025.