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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.

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Altsächsisches Uuustgewerbe

Übertreibung vermieden ist. In späterer Zeit versuchte man sich direkt in der
Herstellung von Denkmälern, besonders von Grabsteinen. Der beste Vertreter
dieses Gewerbes dürfte Elias Nikolai gewesen sein. Noch umfangreicher als
die Steinmetzen konnten die Schreiner ihre Kunst ausüben und entwickeln. In
keiner Dorfkirche im Lande jenseits des Königssteiges fehlen an Chor und Ge¬
stühl die ausgezeichnete» Holzschnitzereien. Hermcuinstadt, Schäßburg, Bistritz.
Tartlau, Petersberg bergen wunderbare Stücke. Ein besondres Kunstwerk
besitzt Denndorf: es stellt einen knieenden Geistlichen in der bis zur Stunde
wenig veränderten sächsischen Amtstracht dar, der einen schlank aufstrebenden
Leuchter emporhält.

Um dem sächsischen Kunstgewerbe in Siebenbürgen volle Würdigung
widerfahren zu lassen, muß man berücksichtigen, daß es in seiner Entfaltung
schließlich doch auf sich allein angewiesen war. Sein Publikum war ihm ja
in vorderster Reihe und fiir viele Erzeugnisse einzig und allein das kleine
sächsische Volk in Siebenbürgen. Daß dieses ein so feines Verständnis dafür
bekundete, ist doch eine bemerkenswerte Thatsache. Besonders zeigt sich dieser
künstlerische Sinn in der Goldschmiedekunst. Das Zunftwesen machte auch
unter den Goldschmieden seinen starken Einfluß geltend. Neben den Schlossern,
Schneider» und Tischlern gehörten sie zu den großen Zünften. Ihre Vor¬
schriften erlaubten nur die Aufnahme deutscher Lehrlinge oder Meister. In
einem Nest wie Schäßburg, wo sich fünfundzwanzig Gewerbe zu neunzehn
Zünften vereinigt hatten, lebten im Jahre 1617 siebzehn Gvldschmicdemeister.
Wie lange das Handwerk schon bestanden haben mag, geht hervor aus den Klausen-
burger Zunftartikeln vom vierzehnten Jahrhundert. Und daß damals die
Klausenburger Goldschmiede Deutsche waren, beweist der Gewaltstreich Stephan
Bathoris, der 1576 die Zünftler dort zur Einstellung magyarischer Lehrlinge
zwang. Man darf mit Fug und Recht annehmen, daß von den vierunddreißig
Kelchen, die die Hermannstädter Kirche 1416, oder gar von den einundfünfzig,
die sie etliche Jahre darauf besaß, eine entsprechende Zahl einheimischen Ur¬
sprungs war. In demselben Jahrhundert schlug die siebenbürgische Gold-
schmiedekunst eine selbständige Geschmacksrichtung ein; sie umrahmte die Orna¬
mente, die das Email trugen, mit Draht und schuf damit die Drahtemail¬
ornamentik. Von glücklichster Wirkuug siud die Kelche der Eibesdorfer Kirche.
Den hervorragendsten Kirchenschatz zu besitzen, darf sich Heltau bei Hermann¬
stadt rühmen.

Der Ruf der sächsischen Goldschmiedezünfte war im Deutschen Reiche
nicht weniger wie im benachbarten Auslande fest begründet. Sogar von
Stettin ans, wo übrigens die Satzungen den Lehrherren gleichfalls nur die
Aufnahme deutscher Lehrlinge gestatteten, wendischer jedoch strenge verbot, kam
Meister Lukas Marquardt 151ö gewandert und wurde Mitglied der Hermcmn-
städter Zunft. „Borgermeister und Rathmannen der stadt Halberstadt" ent¬
boten 1520 ihren Gruß der Goldschmiedezunft der „stadt Medeasch yn Ungarn."
In derselben Stadt Mediasch und in Schäßburg ließen sich die Söhne des
Nürnberger Meisters Veit Voß nieder. Im siebzehnten Jahrhundert stand die
Goldschmiedekunst der Sachsen auf ihrem Höhepunkte dank der unerschöpflichen
Gestaltungskraft und bewundernswerter Geschicklichkeit des Sebastian Hann.
Der Sachsengraf Valentin Frank pries ihn mit den Worten, daß Hermann¬
stadt durch die Kunst dieses Meisters ein Augsburg geworden sei. Sebastian
Hann entlehnte den Stoff für seine künstlerischen Darstellungen, die bis ins


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_231169/581>, abgerufen am 23.01.2025.