Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.Litteratur haben, so genügt die Thatsache, beiß von den zahlreichen Ausgaben guter alter geist¬ Reimann ist ans diesem Gebiete bekannt und bewährt; am meisten durch Der starke musikalische Strom, der von Renaissance und Reformation ausging, Litteratur haben, so genügt die Thatsache, beiß von den zahlreichen Ausgaben guter alter geist¬ Reimann ist ans diesem Gebiete bekannt und bewährt; am meisten durch Der starke musikalische Strom, der von Renaissance und Reformation ausging, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0583" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/231753"/> <fw type="header" place="top"> Litteratur</fw><lb/> <p xml:id="ID_1909" prev="#ID_1908"> haben, so genügt die Thatsache, beiß von den zahlreichen Ausgaben guter alter geist¬<lb/> licher Chormusik, die seit dein Erscheinen von C. v. Winterfelds „Evangelischen<lb/> Kirchengesang" für deu Gebrauch im Familienkreise zurecht gemacht und vorgelegt<lb/> worden sind,'keine, soviel nur wissen — vielleicht nur mit Ausnahme der Riedelscheu<lb/> Sammlung Eeeardscher Chöre —, recht in Gaug gekommen ist. Da hoffen wir<lb/> nun, das; mit den Heften Reimarus endlich der Anfang am rechten Ende gemacht<lb/> und der Boden bereitet wird. Das rechte Ende für unsre Zeit ist aber Solospiel<lb/> und Sologesang, also für geistliche Hausmusik: Lieder für Solostimme mit Be¬<lb/> gleitung.</p><lb/> <p xml:id="ID_1910"> Reimann ist ans diesem Gebiete bekannt und bewährt; am meisten durch<lb/> die vier Bände historisch geordneter weltlicher Lieder, die er vor einem Jahrzehnt<lb/> für die Programme der Frau Amalie Joachim zusammengestellt hat. (Sie sind<lb/> damals in den Grenzboten empfohlen worden.) Die jetzige Sammlung ist an sich<lb/> viel größer, und auch der geistige Anteil des Herausgebers ist an ihr bedeutender.<lb/> Sie besteht aus hundertfünfzig Nummern, die sich, auf sechs Hefte verteilt,<lb/> über fünfzehn Jahrhunderte erstrecken. In diesem langen Zeitraum haben Güte und<lb/> Form des geistlichen Liedes wiederholt gewechselt; sein Höhepunkt liegt aber zweifellos<lb/> in der Nähe der Reformation, die in Menge schöne Melodien neu hervorbrachte,<lb/> alte bekannte faßlich nmbildete. Dieser Thatsache entsprechend ist bei Reimann das<lb/> sechzehnte Jahrhundert verhältnismäßig stark vertreten. Ans dem siebzehnten Jahr¬<lb/> hundert hat der Herausgeber weniger bekannte Quellen wie Apelleus von Leuen,<lb/> Comer bevorzugt, die zum Teil schon eingeführten Meister dagegen zurücktreten<lb/> lassei:. Das ist bei Schütz, wie das mitgeteilte steife Stück aus den Beckerschen<lb/> Psalmen beweist, sehr zu billigen, wohl anch bei H. Albert; zu bedauern aber bet<lb/> H. Schein, ans dessen (Zglltiolls.1v wir wenigstens den „Augstscufzer" und die „Trauer-<lb/> klage" gern hier gesehen hätten. Von Wolfgang Franck, dem größten Meister des<lb/> geistlichen Lieds in der Form des begleiteten Sologesangs, enthält die Sammlung<lb/> neun Nummern. Wenn der „Quellennachweis" darüber bemerkt: „zum erstenmal<lb/> erscheint hier eine größere Anzahl Frcmckischer Lieder," so ist das ein Irrtum.<lb/> Schon 1856 hat Engel in Merseburg sämtliche Lieder Frcmcks herausgegeben,<lb/> eine Auswahl ist dann im Chorsatz gebracht worden von A. von Donner; drittens<lb/> hat C. Riedel zwölf als Sologesänge mit einer sehr guten Begleitung veröffentlicht.<lb/> Aus dieser Riedelscheu Ausgabe siud die beiden Stücke „Komm, Gnadentau" nud<lb/> „Sei nur still" in Mitteldeutschland geradezu populär geworden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1911" next="#ID_1912"> Der starke musikalische Strom, der von Renaissance und Reformation ausging,<lb/> hat noch eine Welle in das deutsche geistliche Lied des achtzehnten Jahrhunderts<lb/> hineingesnudt. In der Frcyliughausenscheu Sammlung spürt man sie am deut-<lb/> lichsten, Reimann hat ihr daher mit Recht zahlreiche Nummer» entnommen.<lb/> Daß aber die Zeit der Aufklärung und der französischen Bildung aller kirchlichen<lb/> Kniist ungünstig war, darüber braucht kein Wort weiter verloren zu werden. Wie<lb/> es dn mit dem geistlichen Liede stand, kann jedermann bei einem Gang durch ein<lb/> einfaches Choralbuch sehen. Reimann belegt den Verfall durch eine Anzahl Lieder<lb/> PH. E. Bachs, leirige, italienisch verschnörkelte Stücke. Nur bei pathetischen Texten,<lb/> wo ein deklamatorischer Stil angebracht ist und das liveit^divo svoomMMmto an¬<lb/> klingt, erhebt er sich. Und das bleibt so bis iiis neunzehnte Jahrhundert hinein.<lb/> Der Herausgeber hat solche schwachen Stücke mit aufgenommen, weil seine Sammlung<lb/> nicht bloß dem ästhetischen, sondern anch dem historischen Zwecke dienen sollte. Was<lb/> sie dem künstlerischen Genuß vorenthält, ersetzt sie an dergleichen Stellen reichlich durch<lb/> Belehrung. Im ganzen macht die getroffne Auswahl dem Geschmack und der</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0583]
Litteratur
haben, so genügt die Thatsache, beiß von den zahlreichen Ausgaben guter alter geist¬
licher Chormusik, die seit dein Erscheinen von C. v. Winterfelds „Evangelischen
Kirchengesang" für deu Gebrauch im Familienkreise zurecht gemacht und vorgelegt
worden sind,'keine, soviel nur wissen — vielleicht nur mit Ausnahme der Riedelscheu
Sammlung Eeeardscher Chöre —, recht in Gaug gekommen ist. Da hoffen wir
nun, das; mit den Heften Reimarus endlich der Anfang am rechten Ende gemacht
und der Boden bereitet wird. Das rechte Ende für unsre Zeit ist aber Solospiel
und Sologesang, also für geistliche Hausmusik: Lieder für Solostimme mit Be¬
gleitung.
Reimann ist ans diesem Gebiete bekannt und bewährt; am meisten durch
die vier Bände historisch geordneter weltlicher Lieder, die er vor einem Jahrzehnt
für die Programme der Frau Amalie Joachim zusammengestellt hat. (Sie sind
damals in den Grenzboten empfohlen worden.) Die jetzige Sammlung ist an sich
viel größer, und auch der geistige Anteil des Herausgebers ist an ihr bedeutender.
Sie besteht aus hundertfünfzig Nummern, die sich, auf sechs Hefte verteilt,
über fünfzehn Jahrhunderte erstrecken. In diesem langen Zeitraum haben Güte und
Form des geistlichen Liedes wiederholt gewechselt; sein Höhepunkt liegt aber zweifellos
in der Nähe der Reformation, die in Menge schöne Melodien neu hervorbrachte,
alte bekannte faßlich nmbildete. Dieser Thatsache entsprechend ist bei Reimann das
sechzehnte Jahrhundert verhältnismäßig stark vertreten. Ans dem siebzehnten Jahr¬
hundert hat der Herausgeber weniger bekannte Quellen wie Apelleus von Leuen,
Comer bevorzugt, die zum Teil schon eingeführten Meister dagegen zurücktreten
lassei:. Das ist bei Schütz, wie das mitgeteilte steife Stück aus den Beckerschen
Psalmen beweist, sehr zu billigen, wohl anch bei H. Albert; zu bedauern aber bet
H. Schein, ans dessen (Zglltiolls.1v wir wenigstens den „Augstscufzer" und die „Trauer-
klage" gern hier gesehen hätten. Von Wolfgang Franck, dem größten Meister des
geistlichen Lieds in der Form des begleiteten Sologesangs, enthält die Sammlung
neun Nummern. Wenn der „Quellennachweis" darüber bemerkt: „zum erstenmal
erscheint hier eine größere Anzahl Frcmckischer Lieder," so ist das ein Irrtum.
Schon 1856 hat Engel in Merseburg sämtliche Lieder Frcmcks herausgegeben,
eine Auswahl ist dann im Chorsatz gebracht worden von A. von Donner; drittens
hat C. Riedel zwölf als Sologesänge mit einer sehr guten Begleitung veröffentlicht.
Aus dieser Riedelscheu Ausgabe siud die beiden Stücke „Komm, Gnadentau" nud
„Sei nur still" in Mitteldeutschland geradezu populär geworden.
Der starke musikalische Strom, der von Renaissance und Reformation ausging,
hat noch eine Welle in das deutsche geistliche Lied des achtzehnten Jahrhunderts
hineingesnudt. In der Frcyliughausenscheu Sammlung spürt man sie am deut-
lichsten, Reimann hat ihr daher mit Recht zahlreiche Nummer» entnommen.
Daß aber die Zeit der Aufklärung und der französischen Bildung aller kirchlichen
Kniist ungünstig war, darüber braucht kein Wort weiter verloren zu werden. Wie
es dn mit dem geistlichen Liede stand, kann jedermann bei einem Gang durch ein
einfaches Choralbuch sehen. Reimann belegt den Verfall durch eine Anzahl Lieder
PH. E. Bachs, leirige, italienisch verschnörkelte Stücke. Nur bei pathetischen Texten,
wo ein deklamatorischer Stil angebracht ist und das liveit^divo svoomMMmto an¬
klingt, erhebt er sich. Und das bleibt so bis iiis neunzehnte Jahrhundert hinein.
Der Herausgeber hat solche schwachen Stücke mit aufgenommen, weil seine Sammlung
nicht bloß dem ästhetischen, sondern anch dem historischen Zwecke dienen sollte. Was
sie dem künstlerischen Genuß vorenthält, ersetzt sie an dergleichen Stellen reichlich durch
Belehrung. Im ganzen macht die getroffne Auswahl dem Geschmack und der
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