Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.Der Römerstaat zwei Güter von 400 bis 500 und neun von 100 bis 400 Morgen vor, die Ganz falsch ist die Ansicht, die Landwirtschaft sei in Italien vom zweiten Der Römerstaat zwei Güter von 400 bis 500 und neun von 100 bis 400 Morgen vor, die Ganz falsch ist die Ansicht, die Landwirtschaft sei in Italien vom zweiten <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0509" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/231679"/> <fw type="header" place="top"> Der Römerstaat</fw><lb/> <p xml:id="ID_1675" prev="#ID_1674"> zwei Güter von 400 bis 500 und neun von 100 bis 400 Morgen vor, die<lb/> übrigen sind kleiner. Das Vorherrschen der kleinen Güter besonders in der<lb/> Nähe großer Städte war damals so natürlich wie heute. Mommsen hat die<lb/> Ansicht verbreitet, voll der er später einigermaßen zurückgekommen zu sein<lb/> scheint, daß es namentlich die zollfreie Einfuhr des wohlfeilen Mischen und<lb/> ägyptischen Getreides, die Ausdehnung der Viehwirtschaft und die Verwendung<lb/> weiter Landstrecken, namentlich in der Nähe großer Städte, zu Luxnsgärteu<lb/> gewesen seien, was den italischen Bauernstand vernichtet habe. Rodbertus hat<lb/> das als Fachkenner bestritten. Eine Millionenstadt könne unmöglich von den<lb/> umwohnenden Bauern mit Getreide versorgt werden. Sobald eine solche ent¬<lb/> stehe, sei die Versorgung von fernher eine Notwendigkeit, und zwar könnten<lb/> nur Großgrundbesitzer die erforderlichen Mengen liefern. Von den in der<lb/> Nähe der Städte wohnenden Bauern würde es sehr thöricht sein, wenn sie<lb/> am ausschließlichen Getreidebau festhalten wollten, da Fleisch, Milch, Geflügel,<lb/> Gemüse, Obst viel höhern Gewinn abwerfen. Brachte doch ein einziger Obst¬<lb/> baum in der Nähe von Rom mitunter über 400 Mark Jahresertrag, und für<lb/> Gemüsegärten wurden über 4000 Mark Pacht bezahlt, ein Beweis dafür, daß<lb/> die Gärten im Umkreise der Reichshauptstadt keineswegs bloß Luxusgärten der<lb/> Reichen waren. Auch der Blumeuverbrciuch war in Rom so bedeutend, daß<lb/> die Blumenzucht sehr gut rentierte. Und Weinbau wurde so eifrig betrieben,<lb/> daß Italien mehr und mehr Wein ausführte. Rodbertus bezeichnet das als<lb/> eine durchaus gesunde Entwicklung und erklärt es für verkehrt, wenn man bei<lb/> Zunahme der feinern Kulturen und steigender Getreideeinfuhr von einem<lb/> Niedergange der Landwirtschaft spreche; gerade dann blühe die Landwirtschaft.<lb/> Um die Klagen einzelner römischer Schriftsteller über den Niedergang der<lb/> Landwirtschaft und den Untergang des Bauernstands auf ihren wahren Wert<lb/> zurückzuführen, braucht man ja nur an das Gejammer unsrer heutigen Agrarier<lb/> zu deuten. Was werden sich die Leute nach 2000 Jahren für eine Vorstellung<lb/> vom heutigen Aussehen Deutschlands machen, wenn sie einige Jahrgänge der<lb/> Deutschen Tageszeitung ausbuddeln und durchlesen!</p><lb/> <p xml:id="ID_1676" next="#ID_1677"> Ganz falsch ist die Ansicht, die Landwirtschaft sei in Italien vom zweiten<lb/> punischen Kriege ab ganz allgemein plantageumüßig und daher extensiv be¬<lb/> trieben worden. Wiederum ist es Rodbertus, der im einzelnen nachweist, daß<lb/> die italienische Landwirtschaft so intensiv und so rationell betrieben wurde, daß<lb/> ihr nichts als die von Liebigs Zeit an gemachten wissenschaftlichen Entdeckungen<lb/> fehlten, um auf der Höhe heutiger Musterwirtschaften zu stehn, und daß die<lb/> europäische Landwirtschaft erst im Aufang unsers Jahrhunderts wieder auf die<lb/> Höhe gelangt ist, auf der die italienische der Kaiserzeit gestanden hat. Auch<lb/> dem flüchtigen Leser lateinischer Schriftsteller stoßen Stellen auf, die gelegent¬<lb/> lich von der Intensität des Anbaues Zeugnis ablegen, z. B. die Bemerkung<lb/> des Plinius im sechsten Briefe des fünften Buches, daß er den schweren Boden</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0509]
Der Römerstaat
zwei Güter von 400 bis 500 und neun von 100 bis 400 Morgen vor, die
übrigen sind kleiner. Das Vorherrschen der kleinen Güter besonders in der
Nähe großer Städte war damals so natürlich wie heute. Mommsen hat die
Ansicht verbreitet, voll der er später einigermaßen zurückgekommen zu sein
scheint, daß es namentlich die zollfreie Einfuhr des wohlfeilen Mischen und
ägyptischen Getreides, die Ausdehnung der Viehwirtschaft und die Verwendung
weiter Landstrecken, namentlich in der Nähe großer Städte, zu Luxnsgärteu
gewesen seien, was den italischen Bauernstand vernichtet habe. Rodbertus hat
das als Fachkenner bestritten. Eine Millionenstadt könne unmöglich von den
umwohnenden Bauern mit Getreide versorgt werden. Sobald eine solche ent¬
stehe, sei die Versorgung von fernher eine Notwendigkeit, und zwar könnten
nur Großgrundbesitzer die erforderlichen Mengen liefern. Von den in der
Nähe der Städte wohnenden Bauern würde es sehr thöricht sein, wenn sie
am ausschließlichen Getreidebau festhalten wollten, da Fleisch, Milch, Geflügel,
Gemüse, Obst viel höhern Gewinn abwerfen. Brachte doch ein einziger Obst¬
baum in der Nähe von Rom mitunter über 400 Mark Jahresertrag, und für
Gemüsegärten wurden über 4000 Mark Pacht bezahlt, ein Beweis dafür, daß
die Gärten im Umkreise der Reichshauptstadt keineswegs bloß Luxusgärten der
Reichen waren. Auch der Blumeuverbrciuch war in Rom so bedeutend, daß
die Blumenzucht sehr gut rentierte. Und Weinbau wurde so eifrig betrieben,
daß Italien mehr und mehr Wein ausführte. Rodbertus bezeichnet das als
eine durchaus gesunde Entwicklung und erklärt es für verkehrt, wenn man bei
Zunahme der feinern Kulturen und steigender Getreideeinfuhr von einem
Niedergange der Landwirtschaft spreche; gerade dann blühe die Landwirtschaft.
Um die Klagen einzelner römischer Schriftsteller über den Niedergang der
Landwirtschaft und den Untergang des Bauernstands auf ihren wahren Wert
zurückzuführen, braucht man ja nur an das Gejammer unsrer heutigen Agrarier
zu deuten. Was werden sich die Leute nach 2000 Jahren für eine Vorstellung
vom heutigen Aussehen Deutschlands machen, wenn sie einige Jahrgänge der
Deutschen Tageszeitung ausbuddeln und durchlesen!
Ganz falsch ist die Ansicht, die Landwirtschaft sei in Italien vom zweiten
punischen Kriege ab ganz allgemein plantageumüßig und daher extensiv be¬
trieben worden. Wiederum ist es Rodbertus, der im einzelnen nachweist, daß
die italienische Landwirtschaft so intensiv und so rationell betrieben wurde, daß
ihr nichts als die von Liebigs Zeit an gemachten wissenschaftlichen Entdeckungen
fehlten, um auf der Höhe heutiger Musterwirtschaften zu stehn, und daß die
europäische Landwirtschaft erst im Aufang unsers Jahrhunderts wieder auf die
Höhe gelangt ist, auf der die italienische der Kaiserzeit gestanden hat. Auch
dem flüchtigen Leser lateinischer Schriftsteller stoßen Stellen auf, die gelegent¬
lich von der Intensität des Anbaues Zeugnis ablegen, z. B. die Bemerkung
des Plinius im sechsten Briefe des fünften Buches, daß er den schweren Boden
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