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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.

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Der Römerstaat

seines tuscischen Landguts neunmal müsse umpflügen lassen, und nun gar die
Agrarschriftsteller, die eine geradezu bewunderungswürdige Sorgfalt der Boden¬
kultur bezeugen! Eine solche schließt aber Plantagen aus und fordert einen
mäßigen Umfang der Wirtschaft; die Gartenkulturen und der Weinbau gedeihn
desto besser, je kleiner der Betrieb ist; sie fordern die Mitarbeit oder wenigstens
die beständige Aufsicht des Besitzers oder eines Meiers, der am Ertrage be¬
teiligt ist. Wenn die Karthager, wie man sagt, gerade anch die feinern Kul¬
turen auf ihren Plantagen gepflegt und darin Großes geleistet haben, so
müssen sie dabei Kunstgriffe angewendet haben, die wir nicht kennen. Für
Italien erklärt sich die Blüte der Landwirtschaft in der Kaiserzeit daraus, daß
die Plantage nur ein vorübergehender Zustand, und das el-Mstulum, keines¬
wegs die allgemeine Signatur der antiken Sklaverei gewesen ist. Daß Sklaven¬
arbeit schlechter ist als sreie, hat schon Homer gewußt. Dem Freier Eury-
machos schlägt Odhsseus ein Wettmähen und Wettpflügen vor; er macht sich
anheischig, die schönste gerade Furche in einem Zuge zu ziehn und beim Mähen
nüchtern auszuhalten von früh bis in die Nacht, "wäre nur Gras da" so
lauge. Dagegen klagt er, daß die Mägde seinen Hund Argos vernachlässigt
hätten; Dienende würden eben sofort saumselig, wenn nicht ein Gebieter sie
antreibe;


Schon ja die Hälfte der Tugend entrückt Zeus waltende Vorsicht
Einem Mann, sobald nur der Knechtschaft Tag ihn ereilet.

Die Einsichtigen wußten also, daß man einen Sklaven in dem Grade brauch¬
barer mache, als man seinen Zustand dem der Freien annähere. Die gefesselten
Sklaven, darin stimmen die Agrarschriftsteller überein, seien die schlechtesten
aller Arbeiter; in seiner Gegend, bemerkt Plinius im neunzehnten Briefe des
dritten Buches, sei kein Landwirt mehr so rückständig, daß er noch Gefesselte
beschäftigte, und er selbst habe auch keine mehr. (So wenigstens interpretiert
Nodbertus die Stelle.) Mag in Karthago, mag noch bei den römischen Plan¬
tagenbesitzern Siziliens der gefesselte Ackersklave die Regel gewesen sein, in
Italien, wenigstens in der Mitte des ersten Jahrhunderts nach Christus, da
Columella sein Werk schrieb, war er es nicht mehr. Columella setzt allerdings
voraus, daß es auf jedem größern Gut eomxöäiti und für sie ein orAütswIunr
giebt, aber diese Leute sind der Auswurf, die Sträflinge der tamilia,. Er sagt
nämlich im achten Kapitel des ersten Buchs, der Meier dürfe einen Sklaven,
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losbinden, aber auch einen, den er auf eigne Faust gefesselt habe, nicht eher
erlösen, als bis er den Herrn davon in Kenntnis gesetzt hat; durch die zweite
Vorschrift soll offenbar willkürlichen Peinigungen vorgebeugt werden. Auch
soll sich der Herr sorgfältig erkundigen, ob auch jeder der Sklaven an Kleidung,
Speise und Trank empfängt, was ihm gebührt (der Trank war natürlich Wein,
Cato schreibt das Maß vor), und soll selbst die Speisen und Getränke durch


Der Römerstaat

seines tuscischen Landguts neunmal müsse umpflügen lassen, und nun gar die
Agrarschriftsteller, die eine geradezu bewunderungswürdige Sorgfalt der Boden¬
kultur bezeugen! Eine solche schließt aber Plantagen aus und fordert einen
mäßigen Umfang der Wirtschaft; die Gartenkulturen und der Weinbau gedeihn
desto besser, je kleiner der Betrieb ist; sie fordern die Mitarbeit oder wenigstens
die beständige Aufsicht des Besitzers oder eines Meiers, der am Ertrage be¬
teiligt ist. Wenn die Karthager, wie man sagt, gerade anch die feinern Kul¬
turen auf ihren Plantagen gepflegt und darin Großes geleistet haben, so
müssen sie dabei Kunstgriffe angewendet haben, die wir nicht kennen. Für
Italien erklärt sich die Blüte der Landwirtschaft in der Kaiserzeit daraus, daß
die Plantage nur ein vorübergehender Zustand, und das el-Mstulum, keines¬
wegs die allgemeine Signatur der antiken Sklaverei gewesen ist. Daß Sklaven¬
arbeit schlechter ist als sreie, hat schon Homer gewußt. Dem Freier Eury-
machos schlägt Odhsseus ein Wettmähen und Wettpflügen vor; er macht sich
anheischig, die schönste gerade Furche in einem Zuge zu ziehn und beim Mähen
nüchtern auszuhalten von früh bis in die Nacht, „wäre nur Gras da" so
lauge. Dagegen klagt er, daß die Mägde seinen Hund Argos vernachlässigt
hätten; Dienende würden eben sofort saumselig, wenn nicht ein Gebieter sie
antreibe;


Schon ja die Hälfte der Tugend entrückt Zeus waltende Vorsicht
Einem Mann, sobald nur der Knechtschaft Tag ihn ereilet.

Die Einsichtigen wußten also, daß man einen Sklaven in dem Grade brauch¬
barer mache, als man seinen Zustand dem der Freien annähere. Die gefesselten
Sklaven, darin stimmen die Agrarschriftsteller überein, seien die schlechtesten
aller Arbeiter; in seiner Gegend, bemerkt Plinius im neunzehnten Briefe des
dritten Buches, sei kein Landwirt mehr so rückständig, daß er noch Gefesselte
beschäftigte, und er selbst habe auch keine mehr. (So wenigstens interpretiert
Nodbertus die Stelle.) Mag in Karthago, mag noch bei den römischen Plan¬
tagenbesitzern Siziliens der gefesselte Ackersklave die Regel gewesen sein, in
Italien, wenigstens in der Mitte des ersten Jahrhunderts nach Christus, da
Columella sein Werk schrieb, war er es nicht mehr. Columella setzt allerdings
voraus, daß es auf jedem größern Gut eomxöäiti und für sie ein orAütswIunr
giebt, aber diese Leute sind der Auswurf, die Sträflinge der tamilia,. Er sagt
nämlich im achten Kapitel des ersten Buchs, der Meier dürfe einen Sklaven,
HUöin xgtsr tÄmillas eg.1l xosmi. niultÄVöM, ohne Erlaubnis des Herrn uicht
losbinden, aber auch einen, den er auf eigne Faust gefesselt habe, nicht eher
erlösen, als bis er den Herrn davon in Kenntnis gesetzt hat; durch die zweite
Vorschrift soll offenbar willkürlichen Peinigungen vorgebeugt werden. Auch
soll sich der Herr sorgfältig erkundigen, ob auch jeder der Sklaven an Kleidung,
Speise und Trank empfängt, was ihm gebührt (der Trank war natürlich Wein,
Cato schreibt das Maß vor), und soll selbst die Speisen und Getränke durch


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[0510] Der Römerstaat seines tuscischen Landguts neunmal müsse umpflügen lassen, und nun gar die Agrarschriftsteller, die eine geradezu bewunderungswürdige Sorgfalt der Boden¬ kultur bezeugen! Eine solche schließt aber Plantagen aus und fordert einen mäßigen Umfang der Wirtschaft; die Gartenkulturen und der Weinbau gedeihn desto besser, je kleiner der Betrieb ist; sie fordern die Mitarbeit oder wenigstens die beständige Aufsicht des Besitzers oder eines Meiers, der am Ertrage be¬ teiligt ist. Wenn die Karthager, wie man sagt, gerade anch die feinern Kul¬ turen auf ihren Plantagen gepflegt und darin Großes geleistet haben, so müssen sie dabei Kunstgriffe angewendet haben, die wir nicht kennen. Für Italien erklärt sich die Blüte der Landwirtschaft in der Kaiserzeit daraus, daß die Plantage nur ein vorübergehender Zustand, und das el-Mstulum, keines¬ wegs die allgemeine Signatur der antiken Sklaverei gewesen ist. Daß Sklaven¬ arbeit schlechter ist als sreie, hat schon Homer gewußt. Dem Freier Eury- machos schlägt Odhsseus ein Wettmähen und Wettpflügen vor; er macht sich anheischig, die schönste gerade Furche in einem Zuge zu ziehn und beim Mähen nüchtern auszuhalten von früh bis in die Nacht, „wäre nur Gras da" so lauge. Dagegen klagt er, daß die Mägde seinen Hund Argos vernachlässigt hätten; Dienende würden eben sofort saumselig, wenn nicht ein Gebieter sie antreibe; Schon ja die Hälfte der Tugend entrückt Zeus waltende Vorsicht Einem Mann, sobald nur der Knechtschaft Tag ihn ereilet. Die Einsichtigen wußten also, daß man einen Sklaven in dem Grade brauch¬ barer mache, als man seinen Zustand dem der Freien annähere. Die gefesselten Sklaven, darin stimmen die Agrarschriftsteller überein, seien die schlechtesten aller Arbeiter; in seiner Gegend, bemerkt Plinius im neunzehnten Briefe des dritten Buches, sei kein Landwirt mehr so rückständig, daß er noch Gefesselte beschäftigte, und er selbst habe auch keine mehr. (So wenigstens interpretiert Nodbertus die Stelle.) Mag in Karthago, mag noch bei den römischen Plan¬ tagenbesitzern Siziliens der gefesselte Ackersklave die Regel gewesen sein, in Italien, wenigstens in der Mitte des ersten Jahrhunderts nach Christus, da Columella sein Werk schrieb, war er es nicht mehr. Columella setzt allerdings voraus, daß es auf jedem größern Gut eomxöäiti und für sie ein orAütswIunr giebt, aber diese Leute sind der Auswurf, die Sträflinge der tamilia,. Er sagt nämlich im achten Kapitel des ersten Buchs, der Meier dürfe einen Sklaven, HUöin xgtsr tÄmillas eg.1l xosmi. niultÄVöM, ohne Erlaubnis des Herrn uicht losbinden, aber auch einen, den er auf eigne Faust gefesselt habe, nicht eher erlösen, als bis er den Herrn davon in Kenntnis gesetzt hat; durch die zweite Vorschrift soll offenbar willkürlichen Peinigungen vorgebeugt werden. Auch soll sich der Herr sorgfältig erkundigen, ob auch jeder der Sklaven an Kleidung, Speise und Trank empfängt, was ihm gebührt (der Trank war natürlich Wein, Cato schreibt das Maß vor), und soll selbst die Speisen und Getränke durch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_231169/510>, abgerufen am 15.01.2025.