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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

gesagt werden muß, in den letzten Jahren große Anstrengungen gemacht haben,
um die Grabmälerplastik dem handwerksmäßigen Betrieb zu entreißen.

Ist es auch mit der Plastik großen Stils auf der diesjährigen Berliner
Ausstellung schwach bestellt, so giebt sie ein desto vollständigeres Bild von
der deutschen Kleinplastik. In idealen Gebilden, wie in Darstellungen aus dem
modernen Leben entfaltet sie einen so großen Reichtum der Phantasie und der
Erfindung und eine solche Virtuosität der technischen Ausführung, daß sie ge¬
trost mit Franzosen, Italienern und Belgiern in die Schranken treten kann.
Daß sie den Bildnern dieser drei Nationen an Tiefe des Gemüts, an poetischer
Gestaltung und an Humor überlegen ist, wollen wir dankbar als den, wir
hoffen es, unerschütterlichen Grundzug des deutschen Wesens preisen.




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Unerfreuliches aus Preußen.

Wer die Verhandlungen über die Kcmal-
vorlage in Preuße" mit unbefangner Aufmerksamkeit verfolgt hat, der wird je
länger je mehr die Überzeugung gewonnen haben, daß die Opposition der konser¬
vativen Fraktionen im Abgeordnetenhause eine weit über die wirtschaftliche und
technische Frage dieses Kanalbaus hinausreichende Bedeutung hatte. Es ist in den
Grenzboten schon wiederholt darauf hingewiesen worden, wie die Minister, die mit
der Sache zu thun hatten, mit außerordentlicher Gründlichkeit und Sachlichkeit das
dringende Bedürfnis nach der Ergänzung des Eisenbahnnetzes und namentlich der
Eisenbahnverbindungen zwischen dem Osten und Westen dnrch eine leistungsfähige
Wasserstraße begründet haben, und wie unklar, widerspruchsvoll und zum Teil
rnbulistisch auf der andern Seite die Einwendungen der konservativen Gegner
waren. Schon die erste Lesung im Plenum vom 13. bis 13. April ließ die
Grundsätzlichkeit der Opposition klar erkennen. Die Verhandlungen in der Kom¬
mission und die zweite Lesung im Plenum, die zur Zurückverweisung an die Kom¬
mission führte, beseitigten vollends jeden Zweifel daran, daß man es mit einer
nicht allein grundsätzlichen, sondern auch "faktivsen" Opposition zu thun hatte,
und wenn die protokollierten Erklärungen und Anträge der konservativen Opponenten
vielleicht noch einem Zweifel an diesem ihrem Charakter Raum gegeben hätten, so
sorgte die Presse der Oppositionsparteien und ihre sonstige organisierte Agitation
im Laude für eine Aufklärung aller Unklarheiten. Es braucht hier vorläufig auf
die einzelnen Thatsachen nicht eingegangen zu werdeu, sie sind noch frisch in aller
Gedächtnis.

Schon in dem Rest der zweiten und in der dritten Lesung der Vorlage im
Plenum waren allerdings die Führer der Oppositionsparteien sichtlich bemüht, die
Ablehnung so darzustellen, als entspringe sie aus rein sachlichen, in dem Kanal-
Projekt selbst liegenden Gründen, und vollends nach der Entscheidung bietet ihre
Presse alles auf, die Geschichte in dieser Beziehung zu fälschen. Es wird ihr das
zunächst der Masse der Parteigenossen gegenüber auch wohl gelingen, aber die Ge¬
schichte, die die Wahrheit sagt, wird diese konservative Kanalkampagne zu würdigen
wissen als das, was sie wirklich ist, als das, für was auch die Krone und ihre


Maßgebliches und Unmaßgebliches

gesagt werden muß, in den letzten Jahren große Anstrengungen gemacht haben,
um die Grabmälerplastik dem handwerksmäßigen Betrieb zu entreißen.

Ist es auch mit der Plastik großen Stils auf der diesjährigen Berliner
Ausstellung schwach bestellt, so giebt sie ein desto vollständigeres Bild von
der deutschen Kleinplastik. In idealen Gebilden, wie in Darstellungen aus dem
modernen Leben entfaltet sie einen so großen Reichtum der Phantasie und der
Erfindung und eine solche Virtuosität der technischen Ausführung, daß sie ge¬
trost mit Franzosen, Italienern und Belgiern in die Schranken treten kann.
Daß sie den Bildnern dieser drei Nationen an Tiefe des Gemüts, an poetischer
Gestaltung und an Humor überlegen ist, wollen wir dankbar als den, wir
hoffen es, unerschütterlichen Grundzug des deutschen Wesens preisen.




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Unerfreuliches aus Preußen.

Wer die Verhandlungen über die Kcmal-
vorlage in Preuße» mit unbefangner Aufmerksamkeit verfolgt hat, der wird je
länger je mehr die Überzeugung gewonnen haben, daß die Opposition der konser¬
vativen Fraktionen im Abgeordnetenhause eine weit über die wirtschaftliche und
technische Frage dieses Kanalbaus hinausreichende Bedeutung hatte. Es ist in den
Grenzboten schon wiederholt darauf hingewiesen worden, wie die Minister, die mit
der Sache zu thun hatten, mit außerordentlicher Gründlichkeit und Sachlichkeit das
dringende Bedürfnis nach der Ergänzung des Eisenbahnnetzes und namentlich der
Eisenbahnverbindungen zwischen dem Osten und Westen dnrch eine leistungsfähige
Wasserstraße begründet haben, und wie unklar, widerspruchsvoll und zum Teil
rnbulistisch auf der andern Seite die Einwendungen der konservativen Gegner
waren. Schon die erste Lesung im Plenum vom 13. bis 13. April ließ die
Grundsätzlichkeit der Opposition klar erkennen. Die Verhandlungen in der Kom¬
mission und die zweite Lesung im Plenum, die zur Zurückverweisung an die Kom¬
mission führte, beseitigten vollends jeden Zweifel daran, daß man es mit einer
nicht allein grundsätzlichen, sondern auch „faktivsen" Opposition zu thun hatte,
und wenn die protokollierten Erklärungen und Anträge der konservativen Opponenten
vielleicht noch einem Zweifel an diesem ihrem Charakter Raum gegeben hätten, so
sorgte die Presse der Oppositionsparteien und ihre sonstige organisierte Agitation
im Laude für eine Aufklärung aller Unklarheiten. Es braucht hier vorläufig auf
die einzelnen Thatsachen nicht eingegangen zu werdeu, sie sind noch frisch in aller
Gedächtnis.

Schon in dem Rest der zweiten und in der dritten Lesung der Vorlage im
Plenum waren allerdings die Führer der Oppositionsparteien sichtlich bemüht, die
Ablehnung so darzustellen, als entspringe sie aus rein sachlichen, in dem Kanal-
Projekt selbst liegenden Gründen, und vollends nach der Entscheidung bietet ihre
Presse alles auf, die Geschichte in dieser Beziehung zu fälschen. Es wird ihr das
zunächst der Masse der Parteigenossen gegenüber auch wohl gelingen, aber die Ge¬
schichte, die die Wahrheit sagt, wird diese konservative Kanalkampagne zu würdigen
wissen als das, was sie wirklich ist, als das, für was auch die Krone und ihre


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_231169/480>, abgerufen am 15.01.2025.