Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.Lin deutsches Künstlerleben reien einzelne Farbenstriche für sein Geschichtsbild gewinnt, so kann sich der Um sich in den schwankenden Zustünden der Zeit des Seelenfriedens zu Grmzboten III 1899 53
Lin deutsches Künstlerleben reien einzelne Farbenstriche für sein Geschichtsbild gewinnt, so kann sich der Um sich in den schwankenden Zustünden der Zeit des Seelenfriedens zu Grmzboten III 1899 53
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Lin deutsches Künstlerleben
reien einzelne Farbenstriche für sein Geschichtsbild gewinnt, so kann sich der
Pädagog Belehrung über die Art des damaligen Elementarunterrichts holen,
der Kunsthistoriker und Maler gewinnt Einblicke in den Kunstunterricht, das
Leben und Treiben an den Akademien in Dresden und München und der
Künstlerschaft in Rom. Vor allem aber führt die Biographie mitten hinein
in den Kampf der Geister, der „Heiden" oder „Goethianer" und Rationalisten
einerseits, der Romantiker und Frommgläubigen andrerseits. Der seichte, ober¬
flächliche Rationalismus und die einseitige Verstandeskultur, die von Berlin
ausgegangen waren, und die den harten Schicksalsschlägen, die das ganze Volk
und den Einzelnen trafen, nicht stand halten konnten, mußten einem mächtig
erstarkten religiösen Empfinden Platz machen, das durch die Seele des ganzen
Volks ging, und worin die besten Männer der Zeit den Beginn eines neu¬
erwachten höhern Lebens sahen. Wenn man bei Wasmann liest, daß ihm in
der Schule die biblischen Erzählungen des Alten Testaments und das Leben
der Patriarchen im Stil Claurcnscher Romane vorgetragen wurden, begreift
man, bis zu welchem Grade der Verfluchung die Menschen hinabgesunken waren.
Es kam die Zeit, in der Tieck, Wackenroder, Novalis, Görres, Brentano die
Herzen bezwangen, Wackenroder hatte das Prinzip der neuen christlichen Kunst,
die sich von dem trivialen „Naturalismus" abwand, formuliert. Christliches
Mittelalter, katholische Phantastik entzückte die Seelen. Katholizismus und Kunst
wurden als zusammengehörig empfunden.
Um sich in den schwankenden Zustünden der Zeit des Seelenfriedens zu
sichern, traten viele zur katholischen Kirche über. Zu den Konvertiten gehörten
viele der führenden Geister. Auch Wasmann bietet ein Beispiel der zahlreichen
deutschen Künstler, die nach dem Süden zogen, sich dort dem mächtigen Ein¬
fluß der katholischen Kirche Hingaben und konvertierten, oder wie sie sagten,
zur Mutterkirche „zurückkehrten," sodaß ihr ganzes ferneres Leben unter der
Gewalt der tiefen Neigung zu dem neugewonnenen Glauben stand. Aber auf
der andern Seite hatte sich der Goethische Einfluß nicht minder stark erhalten.
Wasmann fühlte sich als „Goethianer," ehe er Katholik wurde; was er unter
Goethianer versteht, sagt er selbst. Auf seiner Wanderung nach Rom reiste
er von Siena an mit einem Karmelitermönch, der ihm sein Herz öffnete und
mit Entzücken von dem Glück seines Klosterbcrufs sprach. „Es war, als sei
eine alte Legende vor mir aufgeschlagen, und ich läse mit Andacht und Begierde
darin," obgleich er, Wasmann, „nichts als ein Goethianer war, der ohne
Glaube» und Christentum ihn ausweidete, nur bedacht, jedes schöne, großartige
Bild in sein Inneres aufzunehmen." Daß Wasmann diesen Goethischen
Standpunkt verließ, hat ihn in seiner Kunst nichts weniger als gefördert.
Wasmann erlebte frühzeitig seine religiöse Sturm- und Drangzeit. Wenn er
von den ästhetischen Kreisen und gelehrten Damenzirkeln weg zur religiösen
Einkehr in sich selbst gelangt, weiß er sie häufig mit einem reinen und seelen-
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