Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.Lin deutsches Aünstlerleben erquickenden Natureindruck in Verbindung zu setzen. Er zeigt sich in seiner Ich will mir nicht versagen, zwei Stellen zu zitieren. "Ich entsinne mich An Keller und seinen Grünen Heinrich erinnert Wasmann auch in der Lin deutsches Aünstlerleben erquickenden Natureindruck in Verbindung zu setzen. Er zeigt sich in seiner Ich will mir nicht versagen, zwei Stellen zu zitieren. „Ich entsinne mich An Keller und seinen Grünen Heinrich erinnert Wasmann auch in der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0426" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/231596"/> <fw type="header" place="top"> Lin deutsches Aünstlerleben</fw><lb/> <p xml:id="ID_1368" prev="#ID_1367"> erquickenden Natureindruck in Verbindung zu setzen. Er zeigt sich in seiner<lb/> Biographie auch als ein dichterisch hochbegabter Landschaftsschilderer, der nicht<lb/> am äußern haften bleibt, sondern die Seele der Landschaft erlauscht und sie<lb/> mit Freud und Leid seines Innern in Beziehung setzt. Man wird nach dieser<lb/> Seite hin gar oft an unsre ersten Meister in der Schilderung des Natur¬<lb/> lebens, an Storm, Keller, Turgenjew erinnert.</p><lb/> <p xml:id="ID_1369"> Ich will mir nicht versagen, zwei Stellen zu zitieren. „Ich entsinne mich<lb/> noch eines Sommermorgens, den ich auf dem Lande zubrachte. Ich hatte das<lb/> Dorf wieder besucht, wo ich als kleiner Knabe gelebt, und stand um Tages¬<lb/> anbruch, wo es in unserm Norden schon um zwei Uhr hell wird, während<lb/> die bleiche Mondsichel noch am Himmel steht, im Schiff, um nach der Stadt<lb/> zurückzufahren; ich sah, wie die Männer mit ihren Milcheimern schweigend<lb/> über den Steg in den Kahn traten und die Lasten klappernd niedersetzten;<lb/> am Steuer stand ein kräftiges Lotsenmüdchen und wartete auf das Zeichen<lb/> zur Abfahrt — und doch war meine Seele ein dunkles, unerlöstes Chaos!"<lb/> Welche Anschaulichkeit und Stimmungstiefe bei dieser so ganz selbstverständlichen<lb/> Schlichtheit des Ausdrucks! Und die zweite Stelle aus Tirol: „So stand<lb/> ich an einem schönen Morgen im Garten, vom Hause hinter mir tönte der<lb/> weiche klagende Ton dieses Instruments seiner Harmonikas und löste die Seele<lb/> in melancholische Andacht auf. Auf dem tief unter mir liegenden Vergabhange<lb/> sah ich die Landleute mit der Feldarbeit beschäftigt, pflügen und ackern, hell<lb/> und klar vou der Sonne beschienen, als könnte man die kleinen Figuren mit<lb/> der Hand greifen. Mir ward bei dem Anblick ernst zu Mute, als schaute ich<lb/> in das innerste Geheimnis der göttlichen Harmonie, die nicht in süßen Wonne-<lb/> träumen, sondern in der ruhigen und vollkommnen Übung der Pflichten, die<lb/> Gott uns auferlegt, besteht, und wäre es auch nur, das Unkraut zwischen den<lb/> Steinen auszuraufen, wie ein armer Laienbruder in einem Kloster thut." Diese<lb/> Stelle könnte von Keller oder Goethe sein.</p><lb/> <p xml:id="ID_1370" next="#ID_1371"> An Keller und seinen Grünen Heinrich erinnert Wasmann auch in der<lb/> Art, wie er in die Anfangsgründe seines künstlerischen Berufs eingeführt wurde.<lb/> Ein alter Zeichenlehrer erklärte den jungen Mann, der gegen den Willen seines<lb/> Vaters Medizin studieren wollte, für ein „Talent." Das gab den Ausschlag.<lb/> Er wurde zu einem gewissen Maler ein Jahr lang „in die Lehre" gegeben.<lb/> Er konnte aber von ihm, der die Jugend zur Kunst heranzubilden unfähig<lb/> war, nichts lernen. Besser glückte ihm das fleißige Kopieren nach Gips¬<lb/> abgüssen wertvoller Antiken, die ihm in der Sammlung eines reichen Ham¬<lb/> burgers zur Verfügung standen. Nach diesem „Vorspiel" gings nach Dresden<lb/> auf die Akademie. Die Reise dahin, es war noch die schöne romantische Zeit<lb/> der Postkutschen, schildert Wasmaun mit anschaulichster Lebendigkeit, nicht<lb/> minder das etwas tolle Treiben in der sächsischen Hauptstadt. Ein Lächeln<lb/> nötigt uns der damals, im ersten Viertel des Jahrhunderts, in Blüte stehende</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0426]
Lin deutsches Aünstlerleben
erquickenden Natureindruck in Verbindung zu setzen. Er zeigt sich in seiner
Biographie auch als ein dichterisch hochbegabter Landschaftsschilderer, der nicht
am äußern haften bleibt, sondern die Seele der Landschaft erlauscht und sie
mit Freud und Leid seines Innern in Beziehung setzt. Man wird nach dieser
Seite hin gar oft an unsre ersten Meister in der Schilderung des Natur¬
lebens, an Storm, Keller, Turgenjew erinnert.
Ich will mir nicht versagen, zwei Stellen zu zitieren. „Ich entsinne mich
noch eines Sommermorgens, den ich auf dem Lande zubrachte. Ich hatte das
Dorf wieder besucht, wo ich als kleiner Knabe gelebt, und stand um Tages¬
anbruch, wo es in unserm Norden schon um zwei Uhr hell wird, während
die bleiche Mondsichel noch am Himmel steht, im Schiff, um nach der Stadt
zurückzufahren; ich sah, wie die Männer mit ihren Milcheimern schweigend
über den Steg in den Kahn traten und die Lasten klappernd niedersetzten;
am Steuer stand ein kräftiges Lotsenmüdchen und wartete auf das Zeichen
zur Abfahrt — und doch war meine Seele ein dunkles, unerlöstes Chaos!"
Welche Anschaulichkeit und Stimmungstiefe bei dieser so ganz selbstverständlichen
Schlichtheit des Ausdrucks! Und die zweite Stelle aus Tirol: „So stand
ich an einem schönen Morgen im Garten, vom Hause hinter mir tönte der
weiche klagende Ton dieses Instruments seiner Harmonikas und löste die Seele
in melancholische Andacht auf. Auf dem tief unter mir liegenden Vergabhange
sah ich die Landleute mit der Feldarbeit beschäftigt, pflügen und ackern, hell
und klar vou der Sonne beschienen, als könnte man die kleinen Figuren mit
der Hand greifen. Mir ward bei dem Anblick ernst zu Mute, als schaute ich
in das innerste Geheimnis der göttlichen Harmonie, die nicht in süßen Wonne-
träumen, sondern in der ruhigen und vollkommnen Übung der Pflichten, die
Gott uns auferlegt, besteht, und wäre es auch nur, das Unkraut zwischen den
Steinen auszuraufen, wie ein armer Laienbruder in einem Kloster thut." Diese
Stelle könnte von Keller oder Goethe sein.
An Keller und seinen Grünen Heinrich erinnert Wasmann auch in der
Art, wie er in die Anfangsgründe seines künstlerischen Berufs eingeführt wurde.
Ein alter Zeichenlehrer erklärte den jungen Mann, der gegen den Willen seines
Vaters Medizin studieren wollte, für ein „Talent." Das gab den Ausschlag.
Er wurde zu einem gewissen Maler ein Jahr lang „in die Lehre" gegeben.
Er konnte aber von ihm, der die Jugend zur Kunst heranzubilden unfähig
war, nichts lernen. Besser glückte ihm das fleißige Kopieren nach Gips¬
abgüssen wertvoller Antiken, die ihm in der Sammlung eines reichen Ham¬
burgers zur Verfügung standen. Nach diesem „Vorspiel" gings nach Dresden
auf die Akademie. Die Reise dahin, es war noch die schöne romantische Zeit
der Postkutschen, schildert Wasmaun mit anschaulichster Lebendigkeit, nicht
minder das etwas tolle Treiben in der sächsischen Hauptstadt. Ein Lächeln
nötigt uns der damals, im ersten Viertel des Jahrhunderts, in Blüte stehende
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