Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.Gin deutsches Künstlerleben Hintergrund eine Tiroler Landschaft in Abenddämmerung. Auch als Maler So viel über den Künstler Wasmann. Noch wichtiger ist für uns Wie der Historiker aus diesen und vielen ähnlichen anschaulichen Plante- Gin deutsches Künstlerleben Hintergrund eine Tiroler Landschaft in Abenddämmerung. Auch als Maler So viel über den Künstler Wasmann. Noch wichtiger ist für uns Wie der Historiker aus diesen und vielen ähnlichen anschaulichen Plante- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0424" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/231594"/> <fw type="header" place="top"> Gin deutsches Künstlerleben</fw><lb/> <p xml:id="ID_1363" prev="#ID_1362"> Hintergrund eine Tiroler Landschaft in Abenddämmerung. Auch als Maler<lb/> frommer Altarbilder hat sich Wasmaun versucht, aber ohne Glück. Die in der<lb/> strengen, großlinigen Freskokomposition der italienischen Meister gemalten Bilder<lb/> sagten seinen Tirolern nicht zu. Ein großes Gemälde von ihm, Maria Heim¬<lb/> suchung, ist im Presbyterium der Pfarrkirche von Meran.</p><lb/> <p xml:id="ID_1364"> So viel über den Künstler Wasmann. Noch wichtiger ist für uns<lb/> Wasmaun als Mensch, der uns in seiner Autobiographie einen wertvollen<lb/> Veitrag zur Kulturgeschichte der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts gegeben<lb/> hat. Wasmann war ein ebenso gemütstiefer Mensch, wie scharfer und feiner<lb/> Beobachter. In der anspruchslosen, sachlichen Anschaulichkeit seiner Darstellung<lb/> wird das Einzelerlebnis immer zum allgemeinen Kulturbild, auch wenn er über<lb/> alltägliche Dinge berichtet oder über Zustände seiner Seele vor sich und seinen<lb/> Lesern Rechenschaft ablegt. Darum verdient Wasmauns Lebensgeschichte weiten<lb/> Kreisen bekannt zu werden. So soll auch im folgenden der Künstler so oft<lb/> wie möglich selbst zu Worte kommen. Seine Kinderjahre fallen in die Zeit<lb/> der Gewaltherrschaft Napoleons. Sein Vater, der in aller Welt herumgereist<lb/> war, haßte den Franzosen bitter und mußte lange als Verfolgter von Haus<lb/> und Familie fern bleiben. Lebhaft erinnert sich noch der Scchzigjührige des<lb/> Kriegstreibens in und um Hamburg; es brachte einige wilddramatische Ab¬<lb/> wechslungen in die heitere Ruhe des ländlichen Idylls, das der Knabe auf<lb/> einem großen Vierländer Kirchdorfe zu verleben das Glück hatte, wo der Bruder<lb/> seiner Mutter Pfarrer, der „Wohlthäter seiner Gemeinde" war, ein wahrer<lb/> Vicar of Wakefield. Ein „altsächsisches, patriarchalisches Familienleben" er¬<lb/> schließt sich dem Knaben. „Der Lernzeit folgten Erholung in Feld und Garten<lb/> und gemeinsame Spiele. Oft, wenn der gute Mann, in Geschäften über Land<lb/> geritten, heimkehrte, trat er mit Stiefeln und Sporen, die Reitpeitsche in der<lb/> Hand, mitten unter den lustigen Haufen der Knaben und Mädchen, die auf<lb/> der großen Landdiele unter der Aufsicht der Hausfrau mit Tanzen sich ver¬<lb/> gnügten, und huschte zwischen den Reihen der Kinder den langen Flur auf<lb/> und ab. Wenn mittags die Sonne brannte, oder gegen Abend saßen wir<lb/> hinter dem Hause unter Obstbäumen auf dem Grasplatze, und im Kreise ge¬<lb/> lagert horchten wir den Erzählungen einer belesenen Mamsell, der Gehilfin<lb/> der Hausfrau in der Wirtschaft, von dem Schauberg aus den Märchen von<lb/> Tausend und eine Nacht und von dem prächtigen Kalifen Harun an Raschid."<lb/> Dieses „wahre Kinderparadies" endete mit der Rückkehr nach Hamburg, das<lb/> in der Zeit eintrat, als die „Russen die Mode des Tags geworden waren,"<lb/> und mancher russische Offizier eine reiche Erbin „erschnappte, die er einige<lb/> Tage im Triumph in einer mit vier oder sechs Pferden bespannten Droschke<lb/> in brausendem Galopp durch die Straßen führte, um sie dann für immer in<lb/> den russischen Steppen für Heimat und Eltern verschwinden zu lassen."</p><lb/> <p xml:id="ID_1365" next="#ID_1366"> Wie der Historiker aus diesen und vielen ähnlichen anschaulichen Plante-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0424]
Gin deutsches Künstlerleben
Hintergrund eine Tiroler Landschaft in Abenddämmerung. Auch als Maler
frommer Altarbilder hat sich Wasmaun versucht, aber ohne Glück. Die in der
strengen, großlinigen Freskokomposition der italienischen Meister gemalten Bilder
sagten seinen Tirolern nicht zu. Ein großes Gemälde von ihm, Maria Heim¬
suchung, ist im Presbyterium der Pfarrkirche von Meran.
So viel über den Künstler Wasmann. Noch wichtiger ist für uns
Wasmaun als Mensch, der uns in seiner Autobiographie einen wertvollen
Veitrag zur Kulturgeschichte der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts gegeben
hat. Wasmann war ein ebenso gemütstiefer Mensch, wie scharfer und feiner
Beobachter. In der anspruchslosen, sachlichen Anschaulichkeit seiner Darstellung
wird das Einzelerlebnis immer zum allgemeinen Kulturbild, auch wenn er über
alltägliche Dinge berichtet oder über Zustände seiner Seele vor sich und seinen
Lesern Rechenschaft ablegt. Darum verdient Wasmauns Lebensgeschichte weiten
Kreisen bekannt zu werden. So soll auch im folgenden der Künstler so oft
wie möglich selbst zu Worte kommen. Seine Kinderjahre fallen in die Zeit
der Gewaltherrschaft Napoleons. Sein Vater, der in aller Welt herumgereist
war, haßte den Franzosen bitter und mußte lange als Verfolgter von Haus
und Familie fern bleiben. Lebhaft erinnert sich noch der Scchzigjührige des
Kriegstreibens in und um Hamburg; es brachte einige wilddramatische Ab¬
wechslungen in die heitere Ruhe des ländlichen Idylls, das der Knabe auf
einem großen Vierländer Kirchdorfe zu verleben das Glück hatte, wo der Bruder
seiner Mutter Pfarrer, der „Wohlthäter seiner Gemeinde" war, ein wahrer
Vicar of Wakefield. Ein „altsächsisches, patriarchalisches Familienleben" er¬
schließt sich dem Knaben. „Der Lernzeit folgten Erholung in Feld und Garten
und gemeinsame Spiele. Oft, wenn der gute Mann, in Geschäften über Land
geritten, heimkehrte, trat er mit Stiefeln und Sporen, die Reitpeitsche in der
Hand, mitten unter den lustigen Haufen der Knaben und Mädchen, die auf
der großen Landdiele unter der Aufsicht der Hausfrau mit Tanzen sich ver¬
gnügten, und huschte zwischen den Reihen der Kinder den langen Flur auf
und ab. Wenn mittags die Sonne brannte, oder gegen Abend saßen wir
hinter dem Hause unter Obstbäumen auf dem Grasplatze, und im Kreise ge¬
lagert horchten wir den Erzählungen einer belesenen Mamsell, der Gehilfin
der Hausfrau in der Wirtschaft, von dem Schauberg aus den Märchen von
Tausend und eine Nacht und von dem prächtigen Kalifen Harun an Raschid."
Dieses „wahre Kinderparadies" endete mit der Rückkehr nach Hamburg, das
in der Zeit eintrat, als die „Russen die Mode des Tags geworden waren,"
und mancher russische Offizier eine reiche Erbin „erschnappte, die er einige
Tage im Triumph in einer mit vier oder sechs Pferden bespannten Droschke
in brausendem Galopp durch die Straßen führte, um sie dann für immer in
den russischen Steppen für Heimat und Eltern verschwinden zu lassen."
Wie der Historiker aus diesen und vielen ähnlichen anschaulichen Plante-
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