Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.Der Römerstaat blieb die Produktion für den eignen Bedarf in großem Umfange bestehn. Ein Gvcnzl'oder III 1899 52
Der Römerstaat blieb die Produktion für den eignen Bedarf in großem Umfange bestehn. Ein Gvcnzl'oder III 1899 52
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0417" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/231587"/> <fw type="header" place="top"> Der Römerstaat</fw><lb/> <p xml:id="ID_1350" prev="#ID_1349" next="#ID_1351"> blieb die Produktion für den eignen Bedarf in großem Umfange bestehn. Ein<lb/> reicher Mann brauchte nichts zu kaufen; es wuchsen ihm nicht allein auf seinen<lb/> Landgütern alle Nahrungsmittel und Rohprodukte, sondern er hatte auch<lb/> alle Arten von Handwerkern und Künstlern eigen. Und in welcher Zahl die<lb/> manchem Herrn, z. V. für einen Hausbau, zur Verfügung standen, das kann<lb/> man u. a. aus der Anekdote von einem gewissen Sextus Marius schließen.<lb/> Dieser lud einen etwas unverträglichen Nachbar zu sich ein, hielt ihn zwei<lb/> Tage fest und ließ in dieser Zeit des Mannes Villa einreißen und eine größere<lb/> und schönere an die Stelle bauen, um ihm zu zeigen, wie sehr er als Freund<lb/> zu nützen und als Feind zu schaden vermöge. Eben deswegen war auch der<lb/> Absatzmarkt für Waren weit beschränkter als heute; denn zu den Leuten, deren<lb/> Bedürfnisse durch Eigenproduktion befriedigt wurden, gehörten ja nicht bloß<lb/> die paar tausend Herren, sondern auch ihre nach Millionen zählenden Sklaven-<lb/> schaften. Die Bedürfnisse der kleinen Leute und der Bauern aber, die Gewerbe¬<lb/> erzeugnisse kaufen mußten, waren viel bescheidner als die unsrer heutigen<lb/> mittlern und untern Klaffen. Außerdem fehlten gänzlich unsre heutigen Ver¬<lb/> kehrsmittel, Maschinen, furchtbaren Angriffs- und Schutzwaffen, und die zu<lb/> ihrer Produktion erforderlichen Kohlengruben und Eisenwerke; dieses alles setzt<lb/> aber heutzutage Millionen Hände in Bewegung. Damit hängt ein weiterer<lb/> gewaltiger Unterschied zusammen. Das heutige Kapital ist teils in Produk-<lb/> tiousanstalten (Gruben, Fabriken, Landgütern), teils in Verkehrsanstalten und<lb/> nutzbaren Einrichtungen (Eisenbahnen, Kanälen, Dampfschiffen, Gas-, Wasser-<lb/> und Elektrizitütswerken), teils in Handelsunternehmungen „investiert," ver¬<lb/> kleidet; auch das in Staatspapieren angelegte wird wenigstens zum Teil<lb/> Produktiv verwandt, und die Geldinstitute, denen ein Arm des Kapitalstroms<lb/> zufließt, dienen doch hauptsächlich der Produktion. Ein wunderbar ausge¬<lb/> bildetes Kreditsystem sorgt dafür, daß Geld jederzeit leicht in eine der produk¬<lb/> tiven Kapitalfvrmen und jede dieser Formen in jede andre verwandelt werden<lb/> kann. Und die Masse dieses Produktivkapitals ist so gewaltig, daß daneben<lb/> nicht allein das Wucherkapital, sondern auch die Menge des in Geldform vor-<lb/> handnen Kapitals verschwindet. Außerdem machen die heutigen Kreditformen<lb/> zusammen mit Gesellschaften und Genossenschaften auch schon ganz kleinen<lb/> Kapitalisten die Beteiligung an großartigen Unternehmungen möglich. Von<lb/> solcher Vielgestaltigkeit, Veränderungsfähigkeit, Beweglichkeit und Teilbarkeit<lb/> des Kapitals war in Altrom keine Rede. Was in Landgütern und Sklaven<lb/> angelegt war, das lag fest. Aktiengesellschaften, Jnhaberpcipiere und dergleichen<lb/> gab es nicht. Die beliebteste Kapitalform war die roheste und unfruchtbarste:<lb/> Edelmetall in Münzen oder Barren, und Edelmetallschütze waren ein sehr<lb/> bedeutender Bestandteil des Reichtums der Reichen; Säcke voll Gold und<lb/> Silber waren außer Sklaven die hauptsächlichste Beute, die der römische Geld¬<lb/> mann für sich und den Staat aus den Provinzen fortschleppte. Damit war</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Gvcnzl'oder III 1899 52</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0417]
Der Römerstaat
blieb die Produktion für den eignen Bedarf in großem Umfange bestehn. Ein
reicher Mann brauchte nichts zu kaufen; es wuchsen ihm nicht allein auf seinen
Landgütern alle Nahrungsmittel und Rohprodukte, sondern er hatte auch
alle Arten von Handwerkern und Künstlern eigen. Und in welcher Zahl die
manchem Herrn, z. V. für einen Hausbau, zur Verfügung standen, das kann
man u. a. aus der Anekdote von einem gewissen Sextus Marius schließen.
Dieser lud einen etwas unverträglichen Nachbar zu sich ein, hielt ihn zwei
Tage fest und ließ in dieser Zeit des Mannes Villa einreißen und eine größere
und schönere an die Stelle bauen, um ihm zu zeigen, wie sehr er als Freund
zu nützen und als Feind zu schaden vermöge. Eben deswegen war auch der
Absatzmarkt für Waren weit beschränkter als heute; denn zu den Leuten, deren
Bedürfnisse durch Eigenproduktion befriedigt wurden, gehörten ja nicht bloß
die paar tausend Herren, sondern auch ihre nach Millionen zählenden Sklaven-
schaften. Die Bedürfnisse der kleinen Leute und der Bauern aber, die Gewerbe¬
erzeugnisse kaufen mußten, waren viel bescheidner als die unsrer heutigen
mittlern und untern Klaffen. Außerdem fehlten gänzlich unsre heutigen Ver¬
kehrsmittel, Maschinen, furchtbaren Angriffs- und Schutzwaffen, und die zu
ihrer Produktion erforderlichen Kohlengruben und Eisenwerke; dieses alles setzt
aber heutzutage Millionen Hände in Bewegung. Damit hängt ein weiterer
gewaltiger Unterschied zusammen. Das heutige Kapital ist teils in Produk-
tiousanstalten (Gruben, Fabriken, Landgütern), teils in Verkehrsanstalten und
nutzbaren Einrichtungen (Eisenbahnen, Kanälen, Dampfschiffen, Gas-, Wasser-
und Elektrizitütswerken), teils in Handelsunternehmungen „investiert," ver¬
kleidet; auch das in Staatspapieren angelegte wird wenigstens zum Teil
Produktiv verwandt, und die Geldinstitute, denen ein Arm des Kapitalstroms
zufließt, dienen doch hauptsächlich der Produktion. Ein wunderbar ausge¬
bildetes Kreditsystem sorgt dafür, daß Geld jederzeit leicht in eine der produk¬
tiven Kapitalfvrmen und jede dieser Formen in jede andre verwandelt werden
kann. Und die Masse dieses Produktivkapitals ist so gewaltig, daß daneben
nicht allein das Wucherkapital, sondern auch die Menge des in Geldform vor-
handnen Kapitals verschwindet. Außerdem machen die heutigen Kreditformen
zusammen mit Gesellschaften und Genossenschaften auch schon ganz kleinen
Kapitalisten die Beteiligung an großartigen Unternehmungen möglich. Von
solcher Vielgestaltigkeit, Veränderungsfähigkeit, Beweglichkeit und Teilbarkeit
des Kapitals war in Altrom keine Rede. Was in Landgütern und Sklaven
angelegt war, das lag fest. Aktiengesellschaften, Jnhaberpcipiere und dergleichen
gab es nicht. Die beliebteste Kapitalform war die roheste und unfruchtbarste:
Edelmetall in Münzen oder Barren, und Edelmetallschütze waren ein sehr
bedeutender Bestandteil des Reichtums der Reichen; Säcke voll Gold und
Silber waren außer Sklaven die hauptsächlichste Beute, die der römische Geld¬
mann für sich und den Staat aus den Provinzen fortschleppte. Damit war
Gvcnzl'oder III 1899 52
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