Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.Der Römerstaat ander, die trotz der römischen Oberherrschaft noch fortdauerten, und durch den Von unserm heutigen Kapitalismus war dieser römische, wie man auf Der Römerstaat ander, die trotz der römischen Oberherrschaft noch fortdauerten, und durch den Von unserm heutigen Kapitalismus war dieser römische, wie man auf <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0416" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/231586"/> <fw type="header" place="top"> Der Römerstaat</fw><lb/> <p xml:id="ID_1348" prev="#ID_1347"> ander, die trotz der römischen Oberherrschaft noch fortdauerten, und durch den<lb/> Seeraub, der .bei solchem Kriege aller gegen alle aufkam und sich zu einem<lb/> mächtigen Staate im Staate organisierte, in solchem Grade, daß aus dem<lb/> Hauptmarkte Delos an manchem Tage 10000 Sklaven verkauft wurden. Aber<lb/> nicht bloß die tÄcmlig. rustieg,, auch die taimlia urbaren wird mehr und mehr<lb/> zum Gelderwerb benutzt. Man läßt die in der Landwirtschaft gewonnenen<lb/> Rohprodukte teils an Ort und Stelle, teils im Stadthause zu gewerblichen<lb/> Erzeugnissen verarbeiten, legt Läden an, setzt Sklaven oder Freigelassene hinein,<lb/> die man darin diese Erzeugnisse verkaufen läßt; andre Sklaven und Frei¬<lb/> gelassene hielten Wechselstuben und Leihbanken, auch Gastwirtschaften. Ksrvus<lb/> orütug-rius hieß ein solcher Sklave, der auf des Herrn Rechnung ein Geschüft<lb/> selbständig betrieb und vom Gewinn einen Anteil bekam, aus dem ihm ein<lb/> xsoulwni erwuchs. Manche Sklavenbesitzer wurden Bauunternehmer und<lb/> ließen die Knaben ihrer twmli-z. zu Maurern, Zimmerleuten und Steinmetzen aus¬<lb/> bilden. Wieder andre übernahmen Leistungen und Lieferungen für den Staat,<lb/> z. V. das Feuerlöschwesen, die Versorgung der Stadt mit Getreide; für sehr<lb/> umfangreiche Leistungen bildeten sich Korporationen von Kapitalisten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1349" next="#ID_1350"> Von unserm heutigen Kapitalismus war dieser römische, wie man auf<lb/> den ersten Blick sieht, gründlich verschieden. Das Wesen des heutigen Kapita¬<lb/> lismus besteht darin, daß die Arbeitswerkzeuge nicht den Arbeitenden gehören;<lb/> damals waren die Arbeitenden selbst Arbeitswerkzeuge, Bestandteile des Kapitals.<lb/> Heut ist die Produktion die Quelle des Einkommens, aus dessen Über¬<lb/> schüssen das Gcldkapital oder der Kapitalbesitz angesammelt wird, und wenn<lb/> auch der Geldhandel und die Spekulation größere Gewinne abwerfen, daher<lb/> auch zu größern Reichtümern verhelfen als die Produktion und der solide<lb/> Warenhandel, so liegt doch allen Geldoperationen unsrer Zeit irgend eine pro¬<lb/> duktive Thätigkeit zu Grunde; nicht allein sind die meisten Papiere, mit denen<lb/> spekuliert wird, Industrie- und Eisenbahnaktien, sondern auch die Staatsschulden,<lb/> an denen die Geldleute verdienen, werden auf Produktion, z. B. von Verkehrs¬<lb/> mitteln und militärischen Ausrüstungsgegenständen, verwandt, und sogar der<lb/> große städtische Bodenwucher hängt insofern mit der Produktion zusammen,<lb/> als es vorzugsweise die Konzentration der Gewerbe in den Städten ist, was<lb/> die Bevölkerung dort zusammenströmen läßt, und durch die Nachfrage nach<lb/> Wohnungen die städtische Bodenrenke in die Höhe treibt. Der altrömische<lb/> Kapitalist dagegen erwarb sein Geld durch räuberische Ausplünderung der<lb/> Provinzen. Was er dann noch durch Produktion verdiente, kam erst in zweiter<lb/> oder vielmehr dritter Linie; an zweiter Stelle wäre der Waren- und Geld¬<lb/> handel zu nennen, doch erschien beides zusammen, Handel und Fabrikation, als<lb/> nebensächlich im Vergleich mit dem Haupterwerb. Ferner kennzeichnet unsern<lb/> heutigen Kapitalismus die ausschließliche Produktion von Marktwaren. Diese<lb/> Produktion kam, w^ ja eben bemerkt worden ist, in Rom auch vor, aber daneben</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0416]
Der Römerstaat
ander, die trotz der römischen Oberherrschaft noch fortdauerten, und durch den
Seeraub, der .bei solchem Kriege aller gegen alle aufkam und sich zu einem
mächtigen Staate im Staate organisierte, in solchem Grade, daß aus dem
Hauptmarkte Delos an manchem Tage 10000 Sklaven verkauft wurden. Aber
nicht bloß die tÄcmlig. rustieg,, auch die taimlia urbaren wird mehr und mehr
zum Gelderwerb benutzt. Man läßt die in der Landwirtschaft gewonnenen
Rohprodukte teils an Ort und Stelle, teils im Stadthause zu gewerblichen
Erzeugnissen verarbeiten, legt Läden an, setzt Sklaven oder Freigelassene hinein,
die man darin diese Erzeugnisse verkaufen läßt; andre Sklaven und Frei¬
gelassene hielten Wechselstuben und Leihbanken, auch Gastwirtschaften. Ksrvus
orütug-rius hieß ein solcher Sklave, der auf des Herrn Rechnung ein Geschüft
selbständig betrieb und vom Gewinn einen Anteil bekam, aus dem ihm ein
xsoulwni erwuchs. Manche Sklavenbesitzer wurden Bauunternehmer und
ließen die Knaben ihrer twmli-z. zu Maurern, Zimmerleuten und Steinmetzen aus¬
bilden. Wieder andre übernahmen Leistungen und Lieferungen für den Staat,
z. V. das Feuerlöschwesen, die Versorgung der Stadt mit Getreide; für sehr
umfangreiche Leistungen bildeten sich Korporationen von Kapitalisten.
Von unserm heutigen Kapitalismus war dieser römische, wie man auf
den ersten Blick sieht, gründlich verschieden. Das Wesen des heutigen Kapita¬
lismus besteht darin, daß die Arbeitswerkzeuge nicht den Arbeitenden gehören;
damals waren die Arbeitenden selbst Arbeitswerkzeuge, Bestandteile des Kapitals.
Heut ist die Produktion die Quelle des Einkommens, aus dessen Über¬
schüssen das Gcldkapital oder der Kapitalbesitz angesammelt wird, und wenn
auch der Geldhandel und die Spekulation größere Gewinne abwerfen, daher
auch zu größern Reichtümern verhelfen als die Produktion und der solide
Warenhandel, so liegt doch allen Geldoperationen unsrer Zeit irgend eine pro¬
duktive Thätigkeit zu Grunde; nicht allein sind die meisten Papiere, mit denen
spekuliert wird, Industrie- und Eisenbahnaktien, sondern auch die Staatsschulden,
an denen die Geldleute verdienen, werden auf Produktion, z. B. von Verkehrs¬
mitteln und militärischen Ausrüstungsgegenständen, verwandt, und sogar der
große städtische Bodenwucher hängt insofern mit der Produktion zusammen,
als es vorzugsweise die Konzentration der Gewerbe in den Städten ist, was
die Bevölkerung dort zusammenströmen läßt, und durch die Nachfrage nach
Wohnungen die städtische Bodenrenke in die Höhe treibt. Der altrömische
Kapitalist dagegen erwarb sein Geld durch räuberische Ausplünderung der
Provinzen. Was er dann noch durch Produktion verdiente, kam erst in zweiter
oder vielmehr dritter Linie; an zweiter Stelle wäre der Waren- und Geld¬
handel zu nennen, doch erschien beides zusammen, Handel und Fabrikation, als
nebensächlich im Vergleich mit dem Haupterwerb. Ferner kennzeichnet unsern
heutigen Kapitalismus die ausschließliche Produktion von Marktwaren. Diese
Produktion kam, w^ ja eben bemerkt worden ist, in Rom auch vor, aber daneben
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