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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.

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Der Römerstaat

freilich auch der Neichtumsanhäufung eine Grenze gezogen. In den fünfziger
Jahren hat sich noch Mommsen von den römischen Millionären imponieren
lassen; heute wird ihm das wohl nicht mehr begegnen. Neros freigelassener
Narziß wird auf siebzig Millionen Mark heutigen Geldes geschätzt und für
den reichsten Mann gehalten, den es je im römischen Reiche gegeben habe, die
amerikanischen Eisenbahn- und Petroleumkönige sind Hunderte von Millionen
schwer. Die höchsten bekannten Jahreseinnahmen römischer Familien beliefen
sich, Geld und Naturalien zusammengerechnet, auf noch nicht fünf Millionen
Mark, der Herzog von Westminster, dem ein Teil des Grund und Bodens von
London gehört, soll allein an Grundzinsen von Häusern zwanzig Millionen
beziehen. Wer weiß, ob der Grundbesitz der heutigen Magnaten, z. B. der
Schwarzenberge, schon je einmal nach seinem wirklichen Ertragswert geschätzt
worden ist. Dann aber ist Vermögen, das zu einem großen Teile oder gar
vollständig aus Bargeld besteht, weit mehr der Gefahr ausgesetzt, sich zu ver¬
krümeln, als ein in heutiger Weise angelegtes, und namentlich bei den er¬
preßten Vermögen der letzten zwei Jahrhunderte der Republik hieß es: Wie
gewonnen, so zerronnen. Es kam ja vor, daß ein solcher Räuber, wie Gabi-
nius als Prokonsul von Syrien, in einem Jahre siebzig Millionen Mark er¬
preßte. Aber zunächst mußte er einen Teil des Raubes in den Klauen seiner
Helfershelfer lassen, dann den Klägern den Mund zu stopfen versuchen, beim
Prozeß, der gegen ihn angestrengt wurde, Richter, Sachwalter und Zeugen
bestechen, und von dem, was er übrig behielt, ging dann das meiste auf Geld-
und Getreidespenden und Spiele darauf, mit denen er den süßen Pöbel für
die nächste Wahl köderte, sowie auf die standesgemäßen Anstandsausgaben;
Gladiatorenspiele, wie sie sich für die Leichenfeier eines angesehenen Mannes
schickten, kosteten über eine Million Mark. Später aber, als die Kaiser dem
Plünderungssystem ein Ende gemacht hatten, traten an die Stelle der Geld¬
verschleuderung auf Bestechung zu den Anstandsausgaben auf Prunk immer
mehr solche für gemeinnützige Zwecke, die dem vornehmen Manne nicht allein
sein Einkommen stark kürzten, sondern oft genug sein Kapital angriffen. Wir
haben bei einer andern Gelegenheit den römischen Grundsatz, daß Bauen und
Schenken Ehrenpflicht des vornehmen Mannes sei. mit einigen der Beispiele
beleuchtet, die Friedländer anführt. Möge man nur (im 1. Bande der 6. Auf¬
lage der römischen Sittengeschichte, S. 251 bis 252) die lange Reihe der
Stiftungen und Schenkungen des jüngern Plinius nachlesen! Wir wollen doch
wenigstens ein paar Stellen aus dessen Briefen mitteilen, die sich zwar nicht
auf seine großen Stiftungen beziehen, die aber für die Denkungsart eines
solchen "Heiden" charakteristisch sind. Im neunzehnten Briefe des ersten
Buches schreibt er dem Romanus Firmus, dieser sei sein Landsmann, sein
Schulgenosse, sein guter Kamerad, und da ihm, der die Ritterwürde anstrebe,
zum Ritterzensus 300000 Sesterzien (etwa 50000 Mary fehlten, so schenke


Der Römerstaat

freilich auch der Neichtumsanhäufung eine Grenze gezogen. In den fünfziger
Jahren hat sich noch Mommsen von den römischen Millionären imponieren
lassen; heute wird ihm das wohl nicht mehr begegnen. Neros freigelassener
Narziß wird auf siebzig Millionen Mark heutigen Geldes geschätzt und für
den reichsten Mann gehalten, den es je im römischen Reiche gegeben habe, die
amerikanischen Eisenbahn- und Petroleumkönige sind Hunderte von Millionen
schwer. Die höchsten bekannten Jahreseinnahmen römischer Familien beliefen
sich, Geld und Naturalien zusammengerechnet, auf noch nicht fünf Millionen
Mark, der Herzog von Westminster, dem ein Teil des Grund und Bodens von
London gehört, soll allein an Grundzinsen von Häusern zwanzig Millionen
beziehen. Wer weiß, ob der Grundbesitz der heutigen Magnaten, z. B. der
Schwarzenberge, schon je einmal nach seinem wirklichen Ertragswert geschätzt
worden ist. Dann aber ist Vermögen, das zu einem großen Teile oder gar
vollständig aus Bargeld besteht, weit mehr der Gefahr ausgesetzt, sich zu ver¬
krümeln, als ein in heutiger Weise angelegtes, und namentlich bei den er¬
preßten Vermögen der letzten zwei Jahrhunderte der Republik hieß es: Wie
gewonnen, so zerronnen. Es kam ja vor, daß ein solcher Räuber, wie Gabi-
nius als Prokonsul von Syrien, in einem Jahre siebzig Millionen Mark er¬
preßte. Aber zunächst mußte er einen Teil des Raubes in den Klauen seiner
Helfershelfer lassen, dann den Klägern den Mund zu stopfen versuchen, beim
Prozeß, der gegen ihn angestrengt wurde, Richter, Sachwalter und Zeugen
bestechen, und von dem, was er übrig behielt, ging dann das meiste auf Geld-
und Getreidespenden und Spiele darauf, mit denen er den süßen Pöbel für
die nächste Wahl köderte, sowie auf die standesgemäßen Anstandsausgaben;
Gladiatorenspiele, wie sie sich für die Leichenfeier eines angesehenen Mannes
schickten, kosteten über eine Million Mark. Später aber, als die Kaiser dem
Plünderungssystem ein Ende gemacht hatten, traten an die Stelle der Geld¬
verschleuderung auf Bestechung zu den Anstandsausgaben auf Prunk immer
mehr solche für gemeinnützige Zwecke, die dem vornehmen Manne nicht allein
sein Einkommen stark kürzten, sondern oft genug sein Kapital angriffen. Wir
haben bei einer andern Gelegenheit den römischen Grundsatz, daß Bauen und
Schenken Ehrenpflicht des vornehmen Mannes sei. mit einigen der Beispiele
beleuchtet, die Friedländer anführt. Möge man nur (im 1. Bande der 6. Auf¬
lage der römischen Sittengeschichte, S. 251 bis 252) die lange Reihe der
Stiftungen und Schenkungen des jüngern Plinius nachlesen! Wir wollen doch
wenigstens ein paar Stellen aus dessen Briefen mitteilen, die sich zwar nicht
auf seine großen Stiftungen beziehen, die aber für die Denkungsart eines
solchen „Heiden" charakteristisch sind. Im neunzehnten Briefe des ersten
Buches schreibt er dem Romanus Firmus, dieser sei sein Landsmann, sein
Schulgenosse, sein guter Kamerad, und da ihm, der die Ritterwürde anstrebe,
zum Ritterzensus 300000 Sesterzien (etwa 50000 Mary fehlten, so schenke


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[0418] Der Römerstaat freilich auch der Neichtumsanhäufung eine Grenze gezogen. In den fünfziger Jahren hat sich noch Mommsen von den römischen Millionären imponieren lassen; heute wird ihm das wohl nicht mehr begegnen. Neros freigelassener Narziß wird auf siebzig Millionen Mark heutigen Geldes geschätzt und für den reichsten Mann gehalten, den es je im römischen Reiche gegeben habe, die amerikanischen Eisenbahn- und Petroleumkönige sind Hunderte von Millionen schwer. Die höchsten bekannten Jahreseinnahmen römischer Familien beliefen sich, Geld und Naturalien zusammengerechnet, auf noch nicht fünf Millionen Mark, der Herzog von Westminster, dem ein Teil des Grund und Bodens von London gehört, soll allein an Grundzinsen von Häusern zwanzig Millionen beziehen. Wer weiß, ob der Grundbesitz der heutigen Magnaten, z. B. der Schwarzenberge, schon je einmal nach seinem wirklichen Ertragswert geschätzt worden ist. Dann aber ist Vermögen, das zu einem großen Teile oder gar vollständig aus Bargeld besteht, weit mehr der Gefahr ausgesetzt, sich zu ver¬ krümeln, als ein in heutiger Weise angelegtes, und namentlich bei den er¬ preßten Vermögen der letzten zwei Jahrhunderte der Republik hieß es: Wie gewonnen, so zerronnen. Es kam ja vor, daß ein solcher Räuber, wie Gabi- nius als Prokonsul von Syrien, in einem Jahre siebzig Millionen Mark er¬ preßte. Aber zunächst mußte er einen Teil des Raubes in den Klauen seiner Helfershelfer lassen, dann den Klägern den Mund zu stopfen versuchen, beim Prozeß, der gegen ihn angestrengt wurde, Richter, Sachwalter und Zeugen bestechen, und von dem, was er übrig behielt, ging dann das meiste auf Geld- und Getreidespenden und Spiele darauf, mit denen er den süßen Pöbel für die nächste Wahl köderte, sowie auf die standesgemäßen Anstandsausgaben; Gladiatorenspiele, wie sie sich für die Leichenfeier eines angesehenen Mannes schickten, kosteten über eine Million Mark. Später aber, als die Kaiser dem Plünderungssystem ein Ende gemacht hatten, traten an die Stelle der Geld¬ verschleuderung auf Bestechung zu den Anstandsausgaben auf Prunk immer mehr solche für gemeinnützige Zwecke, die dem vornehmen Manne nicht allein sein Einkommen stark kürzten, sondern oft genug sein Kapital angriffen. Wir haben bei einer andern Gelegenheit den römischen Grundsatz, daß Bauen und Schenken Ehrenpflicht des vornehmen Mannes sei. mit einigen der Beispiele beleuchtet, die Friedländer anführt. Möge man nur (im 1. Bande der 6. Auf¬ lage der römischen Sittengeschichte, S. 251 bis 252) die lange Reihe der Stiftungen und Schenkungen des jüngern Plinius nachlesen! Wir wollen doch wenigstens ein paar Stellen aus dessen Briefen mitteilen, die sich zwar nicht auf seine großen Stiftungen beziehen, die aber für die Denkungsart eines solchen „Heiden" charakteristisch sind. Im neunzehnten Briefe des ersten Buches schreibt er dem Romanus Firmus, dieser sei sein Landsmann, sein Schulgenosse, sein guter Kamerad, und da ihm, der die Ritterwürde anstrebe, zum Ritterzensus 300000 Sesterzien (etwa 50000 Mary fehlten, so schenke

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_231169/418>, abgerufen am 15.01.2025.