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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.

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Der Römerstaat

aus seiner Provinz Sardinien aus; ein "Bankier," schloß er ans seinen Er¬
fahrungen, unterscheide sich nicht wesentlich von einem Mörder.

Ritter waren ursprünglich die Bürger der am höchsten zensierten Wahl¬
klassen, die zu Pferde dienten; da jeder Soldat für seine Ausrüstung selbst zu
sorgen hatte, konnten nur Wohlhabende als Kavalleristen dienen. Natürlich
gehörten also auch die meisten Senatoren zu den Rittern. Als aber den
Senatoren die Beteiligung am Handel, der ihrer Würde nicht zu entsprechen
schien, durch das Claudische Gesetz vom Jahre 216 verboten wurde, da ver¬
legten sich die nicht senatorischen Reichen mit um so größerm Eifer auf den
Handel und auf Geldgeschäfte; von da ab wurde die Bezeichnung "Ritter" auf
diese neue Klasse von Geldleuten eingeschränkt, die ungefähr das waren, was der
nicht volkswirtschaftlich gebildete heute einen Kapitalisten nennt. So deuteten
also die Männer von senatorischen Geschlecht als hohe Beamte, die Ritter als
Steuerpächter und Wucherer die Provinzialen willkürlich, ungerecht und ge¬
waltsam aus und brachten die in der Provinz angenommnen Despotengewohn¬
heiten mit nach Italien heim. Sie wandten sie dort gegen Bundesgenossen, gegen
Mitbürger und gegen die Sklavenschaft an. Während vor dem Hannibalischen
Kriege die Jtaliker schon nahe daran gewesen waren, mit der herrschenden, der
römischen Bürgerschaft zu einer einzigen Bürgerschaft von Gleichberechtigten,
zu einem wirklichen, das ganze Land ausfüllenden Nationalstaate zu ver¬
schmelzen, mußten jetzt zunächst die abgefallnen Städte und Landschaften durch
Kürzung der Rechte und Konfiskationen bestraft werden. Das durch unge¬
heuern Machtzuwachs hochgeschwellte Bewußtsein des eivi8 Noraanus machte
sich auch den treu gebliebner Bundesgenossen gegenüber geltend; alle übrigen
Jtaliker sanken zu Unterthanen der römischen Bürgergemeinde hinab, und die
neu erworbnen Despotengewohnheiten sorgten dafür, daß die Herrschergewalt
mit der Rücksichtslosigkeit ausgeübt wurde, die sowohl dem Hochmut wie der
Habsucht so gute Dienste leistet. Man hatte Geld zum Güterkauf; die durch
den Krieg verwüsteten und verödeten Bauernstellen waren spottbillig, teilweise
vielleicht umsonst zu haben, so entstanden in Italien Latifundien; begehrte
man dazwischenliegende Güter zur Abrundung, und war der Eigentümer zum
Verkauf nicht willig, so brauchte man Gewalt. Diese neuen Latifundien be¬
nutzte man teils als Viehweiden, teils trieb man darauf Plantagenwirtschaft
nach karthagisch-Mischern Muster. Zum Ankauf von Sklaven fehlte weder
das Geld noch die Ware. Das Angebot dieser Ware stieg durch die Kriege
im Osten, durch die Niederwerfung ausgebrochner Empörungen, durch die
Raubkriege der Kleinstaaten innerhalb des römischen Schutzgebiets unter ein-



Mommsen nennt dieses Gesetz höchst unverständig; eS habe die reichsten Familien ge¬
zwungen, ihr ganzes Vermögen in Grundstücken anzulegen, und so das befördert, was man mit
allen Mitteln hätte verhindern sollen, das Auslaufen der kleinen Besitzer.
Der Römerstaat

aus seiner Provinz Sardinien aus; ein „Bankier," schloß er ans seinen Er¬
fahrungen, unterscheide sich nicht wesentlich von einem Mörder.

Ritter waren ursprünglich die Bürger der am höchsten zensierten Wahl¬
klassen, die zu Pferde dienten; da jeder Soldat für seine Ausrüstung selbst zu
sorgen hatte, konnten nur Wohlhabende als Kavalleristen dienen. Natürlich
gehörten also auch die meisten Senatoren zu den Rittern. Als aber den
Senatoren die Beteiligung am Handel, der ihrer Würde nicht zu entsprechen
schien, durch das Claudische Gesetz vom Jahre 216 verboten wurde, da ver¬
legten sich die nicht senatorischen Reichen mit um so größerm Eifer auf den
Handel und auf Geldgeschäfte; von da ab wurde die Bezeichnung „Ritter" auf
diese neue Klasse von Geldleuten eingeschränkt, die ungefähr das waren, was der
nicht volkswirtschaftlich gebildete heute einen Kapitalisten nennt. So deuteten
also die Männer von senatorischen Geschlecht als hohe Beamte, die Ritter als
Steuerpächter und Wucherer die Provinzialen willkürlich, ungerecht und ge¬
waltsam aus und brachten die in der Provinz angenommnen Despotengewohn¬
heiten mit nach Italien heim. Sie wandten sie dort gegen Bundesgenossen, gegen
Mitbürger und gegen die Sklavenschaft an. Während vor dem Hannibalischen
Kriege die Jtaliker schon nahe daran gewesen waren, mit der herrschenden, der
römischen Bürgerschaft zu einer einzigen Bürgerschaft von Gleichberechtigten,
zu einem wirklichen, das ganze Land ausfüllenden Nationalstaate zu ver¬
schmelzen, mußten jetzt zunächst die abgefallnen Städte und Landschaften durch
Kürzung der Rechte und Konfiskationen bestraft werden. Das durch unge¬
heuern Machtzuwachs hochgeschwellte Bewußtsein des eivi8 Noraanus machte
sich auch den treu gebliebner Bundesgenossen gegenüber geltend; alle übrigen
Jtaliker sanken zu Unterthanen der römischen Bürgergemeinde hinab, und die
neu erworbnen Despotengewohnheiten sorgten dafür, daß die Herrschergewalt
mit der Rücksichtslosigkeit ausgeübt wurde, die sowohl dem Hochmut wie der
Habsucht so gute Dienste leistet. Man hatte Geld zum Güterkauf; die durch
den Krieg verwüsteten und verödeten Bauernstellen waren spottbillig, teilweise
vielleicht umsonst zu haben, so entstanden in Italien Latifundien; begehrte
man dazwischenliegende Güter zur Abrundung, und war der Eigentümer zum
Verkauf nicht willig, so brauchte man Gewalt. Diese neuen Latifundien be¬
nutzte man teils als Viehweiden, teils trieb man darauf Plantagenwirtschaft
nach karthagisch-Mischern Muster. Zum Ankauf von Sklaven fehlte weder
das Geld noch die Ware. Das Angebot dieser Ware stieg durch die Kriege
im Osten, durch die Niederwerfung ausgebrochner Empörungen, durch die
Raubkriege der Kleinstaaten innerhalb des römischen Schutzgebiets unter ein-



Mommsen nennt dieses Gesetz höchst unverständig; eS habe die reichsten Familien ge¬
zwungen, ihr ganzes Vermögen in Grundstücken anzulegen, und so das befördert, was man mit
allen Mitteln hätte verhindern sollen, das Auslaufen der kleinen Besitzer.
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[0415] Der Römerstaat aus seiner Provinz Sardinien aus; ein „Bankier," schloß er ans seinen Er¬ fahrungen, unterscheide sich nicht wesentlich von einem Mörder. Ritter waren ursprünglich die Bürger der am höchsten zensierten Wahl¬ klassen, die zu Pferde dienten; da jeder Soldat für seine Ausrüstung selbst zu sorgen hatte, konnten nur Wohlhabende als Kavalleristen dienen. Natürlich gehörten also auch die meisten Senatoren zu den Rittern. Als aber den Senatoren die Beteiligung am Handel, der ihrer Würde nicht zu entsprechen schien, durch das Claudische Gesetz vom Jahre 216 verboten wurde, da ver¬ legten sich die nicht senatorischen Reichen mit um so größerm Eifer auf den Handel und auf Geldgeschäfte; von da ab wurde die Bezeichnung „Ritter" auf diese neue Klasse von Geldleuten eingeschränkt, die ungefähr das waren, was der nicht volkswirtschaftlich gebildete heute einen Kapitalisten nennt. So deuteten also die Männer von senatorischen Geschlecht als hohe Beamte, die Ritter als Steuerpächter und Wucherer die Provinzialen willkürlich, ungerecht und ge¬ waltsam aus und brachten die in der Provinz angenommnen Despotengewohn¬ heiten mit nach Italien heim. Sie wandten sie dort gegen Bundesgenossen, gegen Mitbürger und gegen die Sklavenschaft an. Während vor dem Hannibalischen Kriege die Jtaliker schon nahe daran gewesen waren, mit der herrschenden, der römischen Bürgerschaft zu einer einzigen Bürgerschaft von Gleichberechtigten, zu einem wirklichen, das ganze Land ausfüllenden Nationalstaate zu ver¬ schmelzen, mußten jetzt zunächst die abgefallnen Städte und Landschaften durch Kürzung der Rechte und Konfiskationen bestraft werden. Das durch unge¬ heuern Machtzuwachs hochgeschwellte Bewußtsein des eivi8 Noraanus machte sich auch den treu gebliebner Bundesgenossen gegenüber geltend; alle übrigen Jtaliker sanken zu Unterthanen der römischen Bürgergemeinde hinab, und die neu erworbnen Despotengewohnheiten sorgten dafür, daß die Herrschergewalt mit der Rücksichtslosigkeit ausgeübt wurde, die sowohl dem Hochmut wie der Habsucht so gute Dienste leistet. Man hatte Geld zum Güterkauf; die durch den Krieg verwüsteten und verödeten Bauernstellen waren spottbillig, teilweise vielleicht umsonst zu haben, so entstanden in Italien Latifundien; begehrte man dazwischenliegende Güter zur Abrundung, und war der Eigentümer zum Verkauf nicht willig, so brauchte man Gewalt. Diese neuen Latifundien be¬ nutzte man teils als Viehweiden, teils trieb man darauf Plantagenwirtschaft nach karthagisch-Mischern Muster. Zum Ankauf von Sklaven fehlte weder das Geld noch die Ware. Das Angebot dieser Ware stieg durch die Kriege im Osten, durch die Niederwerfung ausgebrochner Empörungen, durch die Raubkriege der Kleinstaaten innerhalb des römischen Schutzgebiets unter ein- Mommsen nennt dieses Gesetz höchst unverständig; eS habe die reichsten Familien ge¬ zwungen, ihr ganzes Vermögen in Grundstücken anzulegen, und so das befördert, was man mit allen Mitteln hätte verhindern sollen, das Auslaufen der kleinen Besitzer.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_231169/415>, abgerufen am 15.01.2025.