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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.

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Öffentliche j)achtgärten für Arbeiter und Unterbeamte

höchstens 3 Prozent des Anlagekapitals bei der Pachtberechnung zu Grunde
gelegt, so wird sich voraussichtlich überall ein annehmbarer Mietpreis ergeben,
und eine starke Nachfrage die Folge sein. Wird die Nachfrage zu groß, sodaß
sich nicht alle Wünsche erfüllen lassen, so könnte zu dem Verfahren der öffent¬
lichen Aufbietung an den Meistbietenden übergegangen werden. Im Durch¬
schnitt wird angenommen werden können, daß eine Gartenfläche von 3 Ar zu
einem Pachtzins von 10 bis 20 Mark, auf dem platten Lande zu einem noch
niedrigern Satze abzugeben sein wird; in der Nähe der größern Städte vielleicht
zu 20 bis 30 Mark.

Die Pachtgärten dürften nicht zu weit außerhalb des bebauten Stadt¬
gebiets angelegt werden, damit die Arbeiter auch abends nach Schluß der
Arbeitszeit ohne großen Zeitverlust in ihre Gärten gelangen und sich dort
möglichst täglich beschäftigen können. Einen Teil der Gartenarbeiten werden
die Frauen und größern Kinder während der Arbeitszeit des Vaters gewiß
gern übernehmen. Bei solcher Lage der Gärten wird es für den Staat ein
Leichtes sein, bei spätern Erweiterungen des Stadtgebiets das Land sür Häuscr-
bauten zu einem verhältnismäßig höhern Preise zu verkaufen und dafür andre
Gartenlündcreien in etwas größerer Entfernung von der Stadt zu erwerben.
Auf diese Weise wird die billige Abgabe des Gartenlands gegen einen Pacht¬
zins bis zu 3 Prozent später dnrch die Wertsteigerung des Baugrunds wieder
ausgeglichen. Ergiebt sich aus der Summe der Pachtgelder durch die Auf-
bietung der Gärten eine höhere Verzinsung der Grunderwerbskosten als 3 Pro¬
zent, so wird der Überschuß zweckmüßig zur Beschaffung von Obstanpflanzungen
in den Gärten zu verwenden sein.

Es leuchtet ohne weiteres ein, daß durch die Einrichtung solcher Pacht¬
gärten für die Arbeiter und ihre Familien ein großer Nutzen in materieller
und auch moralischer Beziehung geschaffen wird. Der Arbeiter kann sich
Kartoffeln, Gemüse usw. für den Hausgebrauch selbst bauen; er kann sie
infolge des niedrigen Pachtzinses billiger haben als auf dem Markte, dazu
immer frisch und tadellos, wenn er es nicht an der nötigen Wartung und
Pflege des Gartens fehlen läßt. Durch die Verringerung der Nachfrage wird
auf dem Markt voraussichtlich ein Preisrückgang eintreten, besonders in den
Herbst- und Wintermonaten, wenn die Vorräte im Keller aufgespeichert zur
Verfügung stehen. Der Vorteil wird wiederum dem kleinen Handwerker und
niedern Beamten zu gute kommen, was für Gegenden mit ungünstigen Preis-
Verhältnissen von großer Bedeutung ist.

Wichtiger aber noch als die Preisfrage erscheint uns die durch die neue
Einrichtung zu erwartende moralische Verbesserung der Arbeiterverhältnisse.
Zunächst wird durch die Erd- und Gartenarbeit und durch den häufigen Auf¬
enthalt in reiner Luft die Gesundheit der einzelnen Familienglieder, die sonst
meist in niedrigen, engen, ungesunden Wohnungen zusammengepfercht sind, in


Öffentliche j)achtgärten für Arbeiter und Unterbeamte

höchstens 3 Prozent des Anlagekapitals bei der Pachtberechnung zu Grunde
gelegt, so wird sich voraussichtlich überall ein annehmbarer Mietpreis ergeben,
und eine starke Nachfrage die Folge sein. Wird die Nachfrage zu groß, sodaß
sich nicht alle Wünsche erfüllen lassen, so könnte zu dem Verfahren der öffent¬
lichen Aufbietung an den Meistbietenden übergegangen werden. Im Durch¬
schnitt wird angenommen werden können, daß eine Gartenfläche von 3 Ar zu
einem Pachtzins von 10 bis 20 Mark, auf dem platten Lande zu einem noch
niedrigern Satze abzugeben sein wird; in der Nähe der größern Städte vielleicht
zu 20 bis 30 Mark.

Die Pachtgärten dürften nicht zu weit außerhalb des bebauten Stadt¬
gebiets angelegt werden, damit die Arbeiter auch abends nach Schluß der
Arbeitszeit ohne großen Zeitverlust in ihre Gärten gelangen und sich dort
möglichst täglich beschäftigen können. Einen Teil der Gartenarbeiten werden
die Frauen und größern Kinder während der Arbeitszeit des Vaters gewiß
gern übernehmen. Bei solcher Lage der Gärten wird es für den Staat ein
Leichtes sein, bei spätern Erweiterungen des Stadtgebiets das Land sür Häuscr-
bauten zu einem verhältnismäßig höhern Preise zu verkaufen und dafür andre
Gartenlündcreien in etwas größerer Entfernung von der Stadt zu erwerben.
Auf diese Weise wird die billige Abgabe des Gartenlands gegen einen Pacht¬
zins bis zu 3 Prozent später dnrch die Wertsteigerung des Baugrunds wieder
ausgeglichen. Ergiebt sich aus der Summe der Pachtgelder durch die Auf-
bietung der Gärten eine höhere Verzinsung der Grunderwerbskosten als 3 Pro¬
zent, so wird der Überschuß zweckmüßig zur Beschaffung von Obstanpflanzungen
in den Gärten zu verwenden sein.

Es leuchtet ohne weiteres ein, daß durch die Einrichtung solcher Pacht¬
gärten für die Arbeiter und ihre Familien ein großer Nutzen in materieller
und auch moralischer Beziehung geschaffen wird. Der Arbeiter kann sich
Kartoffeln, Gemüse usw. für den Hausgebrauch selbst bauen; er kann sie
infolge des niedrigen Pachtzinses billiger haben als auf dem Markte, dazu
immer frisch und tadellos, wenn er es nicht an der nötigen Wartung und
Pflege des Gartens fehlen läßt. Durch die Verringerung der Nachfrage wird
auf dem Markt voraussichtlich ein Preisrückgang eintreten, besonders in den
Herbst- und Wintermonaten, wenn die Vorräte im Keller aufgespeichert zur
Verfügung stehen. Der Vorteil wird wiederum dem kleinen Handwerker und
niedern Beamten zu gute kommen, was für Gegenden mit ungünstigen Preis-
Verhältnissen von großer Bedeutung ist.

Wichtiger aber noch als die Preisfrage erscheint uns die durch die neue
Einrichtung zu erwartende moralische Verbesserung der Arbeiterverhältnisse.
Zunächst wird durch die Erd- und Gartenarbeit und durch den häufigen Auf¬
enthalt in reiner Luft die Gesundheit der einzelnen Familienglieder, die sonst
meist in niedrigen, engen, ungesunden Wohnungen zusammengepfercht sind, in


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[0328] Öffentliche j)achtgärten für Arbeiter und Unterbeamte höchstens 3 Prozent des Anlagekapitals bei der Pachtberechnung zu Grunde gelegt, so wird sich voraussichtlich überall ein annehmbarer Mietpreis ergeben, und eine starke Nachfrage die Folge sein. Wird die Nachfrage zu groß, sodaß sich nicht alle Wünsche erfüllen lassen, so könnte zu dem Verfahren der öffent¬ lichen Aufbietung an den Meistbietenden übergegangen werden. Im Durch¬ schnitt wird angenommen werden können, daß eine Gartenfläche von 3 Ar zu einem Pachtzins von 10 bis 20 Mark, auf dem platten Lande zu einem noch niedrigern Satze abzugeben sein wird; in der Nähe der größern Städte vielleicht zu 20 bis 30 Mark. Die Pachtgärten dürften nicht zu weit außerhalb des bebauten Stadt¬ gebiets angelegt werden, damit die Arbeiter auch abends nach Schluß der Arbeitszeit ohne großen Zeitverlust in ihre Gärten gelangen und sich dort möglichst täglich beschäftigen können. Einen Teil der Gartenarbeiten werden die Frauen und größern Kinder während der Arbeitszeit des Vaters gewiß gern übernehmen. Bei solcher Lage der Gärten wird es für den Staat ein Leichtes sein, bei spätern Erweiterungen des Stadtgebiets das Land sür Häuscr- bauten zu einem verhältnismäßig höhern Preise zu verkaufen und dafür andre Gartenlündcreien in etwas größerer Entfernung von der Stadt zu erwerben. Auf diese Weise wird die billige Abgabe des Gartenlands gegen einen Pacht¬ zins bis zu 3 Prozent später dnrch die Wertsteigerung des Baugrunds wieder ausgeglichen. Ergiebt sich aus der Summe der Pachtgelder durch die Auf- bietung der Gärten eine höhere Verzinsung der Grunderwerbskosten als 3 Pro¬ zent, so wird der Überschuß zweckmüßig zur Beschaffung von Obstanpflanzungen in den Gärten zu verwenden sein. Es leuchtet ohne weiteres ein, daß durch die Einrichtung solcher Pacht¬ gärten für die Arbeiter und ihre Familien ein großer Nutzen in materieller und auch moralischer Beziehung geschaffen wird. Der Arbeiter kann sich Kartoffeln, Gemüse usw. für den Hausgebrauch selbst bauen; er kann sie infolge des niedrigen Pachtzinses billiger haben als auf dem Markte, dazu immer frisch und tadellos, wenn er es nicht an der nötigen Wartung und Pflege des Gartens fehlen läßt. Durch die Verringerung der Nachfrage wird auf dem Markt voraussichtlich ein Preisrückgang eintreten, besonders in den Herbst- und Wintermonaten, wenn die Vorräte im Keller aufgespeichert zur Verfügung stehen. Der Vorteil wird wiederum dem kleinen Handwerker und niedern Beamten zu gute kommen, was für Gegenden mit ungünstigen Preis- Verhältnissen von großer Bedeutung ist. Wichtiger aber noch als die Preisfrage erscheint uns die durch die neue Einrichtung zu erwartende moralische Verbesserung der Arbeiterverhältnisse. Zunächst wird durch die Erd- und Gartenarbeit und durch den häufigen Auf¬ enthalt in reiner Luft die Gesundheit der einzelnen Familienglieder, die sonst meist in niedrigen, engen, ungesunden Wohnungen zusammengepfercht sind, in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_231169/328>, abgerufen am 15.01.2025.