Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.Ver Römerstaat allem durch die angeborne und unzerstörbare Liebe zum vaterländischen Boden Ver Römerstaat allem durch die angeborne und unzerstörbare Liebe zum vaterländischen Boden <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0322" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/231492"/> <fw type="header" place="top"> Ver Römerstaat</fw><lb/> <p xml:id="ID_999" prev="#ID_998" next="#ID_1000"> allem durch die angeborne und unzerstörbare Liebe zum vaterländischen Boden<lb/> an die Stadt gebunden und würden mit Freuden zurückkehren, wenn man ihnen<lb/> gewähre, was sie billigerweise zu fordern hätten; daß sie die erste Gesandtschaft<lb/> des Senats abgewiesen Hütten, sei kein Wunder, da sie vom Senat bisher<lb/> immer uur Worte vernommen, aber keine Thaten gesehen hätten. Valerius<lb/> stimmt ihm bei und klagt die Härte der Gläubiger an, worauf Appius Claudius<lb/> bittere Beschwerde darüber führt, daß sich angesehene und sonst würdige<lb/> Patrizier, wie dieser Valerius, zu Volksschmeichlern erniedrigten; die Plebejer<lb/> würden gar nicht gewagt haben zu mentem, wenn sie nicht vornehme Gönner<lb/> hätten, die ihnen Straflosigkeit zusicherten. Die Ansicht des Menenius drang<lb/> jedoch durch, und er selbst wurde in die Deputation gewählt, die mit den<lb/> Sezessionisten verhandeln sollte. In diesen Unterhandlungen, aus deuen den<lb/> Schülern nichts als die Fabel des Menenius erzählt zu werdeu pflegt, äußerte<lb/> der Plebejerführer Junius, der sich nach seinem berühmten Vorbilde Brutus<lb/> nannte, u. a., zur Wiederherstellung des gegenseitigen Vertrauens sei es zu<lb/> spät; kehrten sie zurück, so drohe der Bürgerkrieg; dieser aber sei das größte<lb/> aller Übel. „Zu einem so wenig wünschenswerten Schicksal rufet uns nicht<lb/> zurück, ihr Väter, und wir, o Bürger, wollen dem Ruf nicht folgen; finden<lb/> wir uns lieber in die Scheidung, die das Schicksal verhängt hat! Mögen sie,<lb/> die Väter, den Staat für sich allein behalten, wir aber wollen denken, wir<lb/> verließen nicht unser Vaterland, sondern einen fremden Ort. Bleibt ja keinem<lb/> von uns eine Hufe, ein Haus, oder gemeinsamer Gottesdienst, oder Ansehen,<lb/> oder sonst etwas von dem, was das Vaterland teuer macht und daran fesselt;<lb/> ja nicht einmal die im Waffenkampfe verdiente leibliche Freiheit bleibt uns,<lb/> da wir mit unsern Knechten zusammen und gleich Knechten, einige von uus<lb/> sogar gefesselt und gleich wilden Tieren in Halseisen geschmiedet, nur noch für<lb/> unsre Gläubiger den Acker bestellen, von den Peitschenhieben und sonstigen<lb/> grausamen Mißhandlungen, die wir erdulden, gar nicht zu reden. Wir rächen<lb/> uns nicht dafür mit Blutvergießen, noch verwüsten wir das Land; die Rache<lb/> überlassen wir den Göttern; wir verlangen nichts als unsre Kinder und<lb/> Frauen, die noch in der Stadt weilen; sonst fordern wir nichts vom Vater¬<lb/> lande, sondern wünschen euch Glück. Lebet nach euerm Gefallen allein weiter,<lb/> da ihr gegen uns, die niedriggestellten, so unbürgerlich und unsozial gesinnt<lb/> seid!" Den Faden des Appius Claudius spinnt später Marcius Cvriolanus<lb/> weiter, der die Aufständischen für arbeitsscheues Gesindel erklärt und bei jeder<lb/> Gelegenheit den Vätern mit beißendem Spott vorhält, wie jedes ihrer Zu¬<lb/> geständnisse vom Volke mit Undank belohnt, und wie namentlich das Tribunat<lb/> aus einer bloßen Schutzwehr in ein Mittel zu verfassungswidrigen Macht¬<lb/> erweiterungen verwandelt werde, sodaß Rom in Gefahr schwebe, seine be¬<lb/> währte aristokratische Verfassung zu verliere», und auf abschüssiger Bahn zur</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0322]
Ver Römerstaat
allem durch die angeborne und unzerstörbare Liebe zum vaterländischen Boden
an die Stadt gebunden und würden mit Freuden zurückkehren, wenn man ihnen
gewähre, was sie billigerweise zu fordern hätten; daß sie die erste Gesandtschaft
des Senats abgewiesen Hütten, sei kein Wunder, da sie vom Senat bisher
immer uur Worte vernommen, aber keine Thaten gesehen hätten. Valerius
stimmt ihm bei und klagt die Härte der Gläubiger an, worauf Appius Claudius
bittere Beschwerde darüber führt, daß sich angesehene und sonst würdige
Patrizier, wie dieser Valerius, zu Volksschmeichlern erniedrigten; die Plebejer
würden gar nicht gewagt haben zu mentem, wenn sie nicht vornehme Gönner
hätten, die ihnen Straflosigkeit zusicherten. Die Ansicht des Menenius drang
jedoch durch, und er selbst wurde in die Deputation gewählt, die mit den
Sezessionisten verhandeln sollte. In diesen Unterhandlungen, aus deuen den
Schülern nichts als die Fabel des Menenius erzählt zu werdeu pflegt, äußerte
der Plebejerführer Junius, der sich nach seinem berühmten Vorbilde Brutus
nannte, u. a., zur Wiederherstellung des gegenseitigen Vertrauens sei es zu
spät; kehrten sie zurück, so drohe der Bürgerkrieg; dieser aber sei das größte
aller Übel. „Zu einem so wenig wünschenswerten Schicksal rufet uns nicht
zurück, ihr Väter, und wir, o Bürger, wollen dem Ruf nicht folgen; finden
wir uns lieber in die Scheidung, die das Schicksal verhängt hat! Mögen sie,
die Väter, den Staat für sich allein behalten, wir aber wollen denken, wir
verließen nicht unser Vaterland, sondern einen fremden Ort. Bleibt ja keinem
von uns eine Hufe, ein Haus, oder gemeinsamer Gottesdienst, oder Ansehen,
oder sonst etwas von dem, was das Vaterland teuer macht und daran fesselt;
ja nicht einmal die im Waffenkampfe verdiente leibliche Freiheit bleibt uns,
da wir mit unsern Knechten zusammen und gleich Knechten, einige von uus
sogar gefesselt und gleich wilden Tieren in Halseisen geschmiedet, nur noch für
unsre Gläubiger den Acker bestellen, von den Peitschenhieben und sonstigen
grausamen Mißhandlungen, die wir erdulden, gar nicht zu reden. Wir rächen
uns nicht dafür mit Blutvergießen, noch verwüsten wir das Land; die Rache
überlassen wir den Göttern; wir verlangen nichts als unsre Kinder und
Frauen, die noch in der Stadt weilen; sonst fordern wir nichts vom Vater¬
lande, sondern wünschen euch Glück. Lebet nach euerm Gefallen allein weiter,
da ihr gegen uns, die niedriggestellten, so unbürgerlich und unsozial gesinnt
seid!" Den Faden des Appius Claudius spinnt später Marcius Cvriolanus
weiter, der die Aufständischen für arbeitsscheues Gesindel erklärt und bei jeder
Gelegenheit den Vätern mit beißendem Spott vorhält, wie jedes ihrer Zu¬
geständnisse vom Volke mit Undank belohnt, und wie namentlich das Tribunat
aus einer bloßen Schutzwehr in ein Mittel zu verfassungswidrigen Macht¬
erweiterungen verwandelt werde, sodaß Rom in Gefahr schwebe, seine be¬
währte aristokratische Verfassung zu verliere», und auf abschüssiger Bahn zur
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